Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
1. Der Kläger begehrt, soweit für das Rechtsmittelverfahren von Bedeutung, die Feststellung, dass die Disziplinarordnung der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich (DO) rechtsunwirksam ist.
Rechtliche Beurteilung
2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Staat und damit die weltlichen Gerichte in den innerkirchlichen Bereich nicht eingreifen dürfen (RIS-Justiz RS0045553). Zu den „inneren Angelegenheiten“ iSd Art 15 StGG zählen jene, welche den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären. Der sich daraus ergebende Bereich der inneren Angelegenheiten kann naturgemäß nicht erschöpfend aufgezählt werden (RIS-Justiz RS0073107). Er kann letztlich nur unter Bedachtnahme auf das Wesen der Kirchen und Religionsgesellschaften nach deren Selbstverständnis erfasst werden (9 ObA 156/08v mwH). In der - ebenfalls die Evangelische Kirche betreffenden - Entscheidung 4 Ob 41/74 (= SZ 47/135) wurde jedoch bereits ausdrücklich ausgeführt, dass bei Dienstrechtsstreitigkeiten betreffend das Dienstverhältnis von Pfarrern ua auch solche Vorfragen ausscheiden, die Disziplinarstrafen betreffen, weil andernfalls in den innerkirchlichen Bereich der Disziplinargewalt eingegriffen würde (vgl Neumayr in ZellKomm § 132 Rz 57).
3. Die Vorinstanzen haben unter Beachtung dieser Rechtsprechung die Zulässigkeit des Rechtswegs für das Feststellungsbegehren in keinesfalls unvertretbarer Weise verneint. Mit seiner Behauptung, es fehle Rechtsprechung zur Frage, inwieweit disziplinarrechtliche Angelegenheiten der Evangelischen Kirche deren innerkirchlichem Bereich zuzuordnen seien, zeigt der Revisionsrekurswerber schon im Hinblick auf die bereits zitierte Entscheidung 4 Ob 41/74 keine erhebliche Rechtsfrage auf. Entgegen seinem zentralen Argument, dass für die Einführung und einseitige Regelung der DO keine konfessionelle Zwecksetzung bestehe, hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung unter Bezugnahme auf die diesbezüglich einhellige Lehre Maßnahmen der Disziplinargewalt dem innerkirchlichen Bereich zugerechnet. Mit seiner weiteren Behauptung, er habe im Hinblick auf einzelne Bestimmungen der DO ein Feststellungsinteresse, kann der Revisionsrekurswerber schon begrifflich nicht die vorgelagerte Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs berühren, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
4. Es trifft zu, dass die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften beim Ordnen der inneren Angelegenheiten nicht gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung wie das allgemeine Willkürverbot, die guten Sitten und den ordre public verstoßen dürfen (Neumayr aaO § 132 Rz 54 mwH; vgl auch EGMR U 23. 9. 2010, Bsw 425/03, 1620/03; U 3. 2. 2011, Bsw 18136/02). Die Rechtsordnung sieht durch den in § 132 Abs 4 Satz 2 ArbVG normierten erweiterten Tendenzschutz für Betriebe und Verwaltungsstellen, die der Ordnung der inneren Angelegenheiten der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften dienen, jedoch ausdrücklich vor, dass die die Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung betreffende Regelung des § 96 Abs 1 Z 1 ArbVG unanwendbar ist. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass der Kläger als Pfarrer der Erstbeklagten als Tendenzträger anzusehen ist (RIS-Justiz RS0051384), bestreitet der Revisionsrekurswerber gar nicht. Vor diesem Hintergrund zeigt er aber mit seiner bloßen Behauptung, dass die Erstbeklagte eine kollektivvertragsfähige Körperschaft öffentlichen Rechts sei und ein Kollektivvertrag auch bestehe, weshalb auch die Einführung einer überbetrieblichen DO der Zustimmung beider Kollektivvertragsparteien bedürfe, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf. Schließlich zeigt der Revisionsrekurswerber auch mit seiner weiteren Behauptung, das Rekursgericht sei von der zitierten Rechtsprechung des EGMR abgewichen, schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil der EGMR in diesen Entscheidungen nicht die Erlassung oder Wirksamkeit einer Disziplinarordnung einer staatlichen anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zu beurteilen hatte. Das Erfordernis eines konfessionellen Verteidigers vor einem konfessionellen Gericht bildet keinen Verstoß gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung, zumal der Kläger gar nicht behauptet hat, einen solchen nicht finden zu können.
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