OGH 8Ob103/11x

OGH8Ob103/11x22.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Z*****, vertreten durch Mag. Herbert Premur, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei P***** Z*****, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wegen 6.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 21. Juli 2011, GZ 2 R 157/11g-26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 19. April 2011, GZ 9 C 1078/10y-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Brüder; sie haben noch drei Geschwister. Mit Notariatsakt vom 31. 3. 2000 schloss der Beklagte mit seinen Eltern einen Übergabsvertrag, mit dem ihm eine Liegenschaft samt Einfamilienhaus in sein Eigentum übertragen wurde. Dafür hatte er Gegenleistungen zu übernehmen. Ein anderer Bruder der Streitteile erhielt aus Anlass dieser Übergabe eine Ausgleichszahlung. Mit demselben Notariatsakt gaben der Kläger, ein weiterer Bruder und die Schwester der Streitteile einen Pflichtteilsverzicht ab. Mit einem anderen Bruder wurde schon am 17. 3. 2000 ein gesonderter Pflichtteilsverzichtsvertrag in der Form eines Notariatsakts abgeschlossen. Die Mutter der Streitteile ist am 9. 8. 2006 gestorben. In ihrem Testament hatte sie ihren Ehegatten als Alleinerben eingesetzt. Der Vater ist am 22. 2. 2010 gestorben. Seine Alleinerbin war die Schwester der Streitteile.

Der Kläger begehrte den Schenkungspflichtteil. Nach dem Tod seiner Eltern habe er nichts erhalten, weshalb er in seinem Pflichtteilsrecht verkürzt worden sei. Ausgehend von einer Pflichtteilsquote von einem Zehntel stehe ihm aus dem Titel des Schenkungspflichtteils der Betrag von zumindest 7.000 EUR zu. Den Pflichtteilsverzicht habe er deshalb abgegeben, weil ihm von den Eltern mitgeteilt worden sei, dass sie und auch der Beklagte allfällige Ansprüche nicht finanzieren könnten. Tatsächlich sei der vom Beklagten zu leistende Ablösebetrag vom Vater gezahlt worden. Auch der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Übergabe in der Lage gewesen, ihm eine entsprechende Ausgleichszahlung zu leisten. Außerdem sei es ihm um die Pflege der Eltern gegangen, zumal er aufgrund seiner finanziellen Situation dazu nicht hätte beitragen können. Tatsächlich habe sich der Beklagte aber nicht um die ordnungsgemäße Pflege der Eltern gekümmert. Aus diesem Grund sei auch die Geschäftsgrundlage für den Pflichtteilsverzicht weggefallen.

Der Beklagte entgegnete, dass der Kläger auf seine Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche wirksam verzichtet habe. Außerdem habe er selbst die Liegenschaft nicht schenkungsweise, sondern im Rahmen eines Übergabsvertrags erhalten, wofür er auch Gegenleistungen gegenüber seinen Eltern hätte erbringen müssen. Die Ausgleichszahlung an seinen Bruder sei nachweislich durch ihn erfolgt. Ihm mangle es auch an der Passivlegitimation, zumal er nicht Erbe und Rechtsnachfolger seiner Eltern sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Gemäß § 551 ABGB könne der Erbe durch Vertrag mit dem Erblasser auf sein Erbe verzichten. Der Erbverzichtsvertrag bedürfe zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsakts. Auch ein pflichtteilsberechtigter Erbe könne auf sein Recht ganz oder teilweise verzichten. Die Beweislast für die Unwirksamkeit eines Verzichts treffe den Noterben. Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen, weil er weder über die Vermögensverhältnisse seiner Eltern noch über die Pflegebetreuung der Eltern durch den Beklagten getäuscht worden sei. Insofern liege auch kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Darüber hinaus fehle es dem Beklagten an der Passivlegitimation, zumal nicht dieser, sondern seine Schwester Alleinerbin nach dem Vater gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, ohne sich mit der Beweisrüge des Klägers auseinanderzusetzen. Dem Beklagten mangle es an der Passivlegitimation, weil dieser nicht in den Pflichtteilsverzicht als Vertragspartner eingebunden gewesen sei. Aus diesem Grund hätte der Kläger zunächst gegenüber der Rechtsnachfolgerin der Eltern seinen Pflichtteilsverzicht als unwirksam bekämpfen müssen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof „mit einem Problem wie dem vorliegenden“ bisher nicht befasst habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, der Klage zur Gänze stattzugeben.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage der Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Schenkungspflichtteils eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Sie ist aber nicht berechtigt.

1.1 Der Kläger macht einen Anspruch auf den Schenkungspflichtteil nach seinem (nach der Mutter) verstorbenen Vater geltend. Alleinerbin nach dem Vater war die Schwester der Streitteile. Der Vermögenstransfer, den der Kläger berücksichtigt haben möchte, war Gegenstand des Übergabsvertrags vom 31. 3. 2000. Im Rahmen dieses Notariatsakts verzichtete der Kläger auf sein Pflichtteilsrecht.

1.2 Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Verneinung der Passivlegitimation des Beklagten zur Geltendmachung der Unwirksamkeit des Pflichtteilverzichts.

Ein rechtsgeschäftlicher Verzicht (durch Erbverzichtsvertrag nach § 551 ABGB) ist auch hinsichtlich des (Schenkungs-)Pflichtteils (§ 767 ABGB) zulässig. Wer unter den vorgeschriebenen Formen des § 551 ABGB auf sein Erbrecht verzichtet, kann nur noch auf die allgemeinen Möglichkeiten der Vertragsanfechtung (§§ 865 ff ABGB) verwiesen werden (vgl RIS-Justiz RS0012323; RS0013794; Eccher in Schwimann 3 §§ 550, 551 ABGB Rz 2 und 8).

Die Frage, ob der Kläger gehalten gewesen wäre, zunächst die Unwirksamkeit seines Pflichtteilsverzichts in einem gesonderten (Anfechtungs-)Verfahren gegen den Vertragspartner des Erbverzichtsvertrags (bzw dessen Rechtsnachfolger) geltend zu machen, muss hier nicht geklärt werden. Das Klagebegehren scheitert nämlich schon aus anderen Gründen. Aus diesem Grund ist auch eine Behandlung der Tatsachenrüge insbesondere zur behaupteten Irreführung des Klägers über die finanzielle Lage der Eltern bzw des Beklagten entbehrlich.

2.1 Die Geltendmachung eines Schenkungspflichtteils setzt voraus, dass es sich bei dem Rechtsgeschäft, das als Teil des Nachlasses berücksichtigt werden soll, um eine echte oder zumindest eine gemischte Schenkung gehandelt hat. Voraussetzung für die Annahme einer Schenkung im Rahmen eines Übergabsvertrags ist das Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung. Dementsprechend müssen beide Teile erkennbar damit einverstanden gewesen sein, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt, ihr also keine oder keine wirtschaftlich beachtliche Gegenleistung gegenüber stehen soll. Dies gilt auch für die gemischte Schenkung. Bei dieser ist entscheidend, dass die Parteien einen Teil einer Leistung als geschenkt ansehen wollten (RIS-Justiz RS0019217; RS0018833). Die Vertragsparteien sind darüber, was sie als „äquivalent“ ansehen, frei. Bloß aus einem etwaigen objektiven Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann noch nicht auf das für die Annahme einer reinen oder gemischten Schenkung notwendige Einverständnis der Vertragsparteien über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der beabsichtigten Vermögensverschiebung geschlossen werden (RIS-Justiz RS0019371).

2.2 Die Berücksichtigung einer Schenkung des späteren Erblassers durch die Geltendmachung eines Schenkungspflichtteils (Pflichtteilserhöhung) erfolgt auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten. Der Anspruch richtet sich gegen den Nachlass bzw den Erben (RIS-Justiz RS0012941). Ebenso wie der Nachlasspflichtteil ist auch der Schenkungspflichtteil aus dem Nachlass zu decken und geht daher zu Lasten des Erben, der jedoch nur bis zur Höhe des Nachlasses haftet (9 Ob 7/11m mwN).

Nur dann, wenn sich bei einem Schenkungspflichtteil ergibt, dass dieser nicht aus dem Nachlass abgedeckt werden kann, ist der Beschenkte passiv klagslegitimiert. Nach Rechtsprechung und Lehre ist der Schenkungspflichtteil zunächst bis zur Höhe des Werts des reinen Nachlasses vom Erben zu berichtigen. Nur soweit der Nachlass zur Deckung des Pflichtteils nicht ausreicht, kann der Noterbe gemäß § 951 Abs 1 ABGB den Fehlbetrag vom Beschenkten fordern und sich aus dem Geschenk befriedigen. Für den Umstand, dass der Nachlass nicht ausreicht, trifft den Kläger die Behauptungs- und Beweislast (5 Ob 105/05k).

2.3 Auf eine ausdrücklich erklärte oder eine erschließbare Schenkungsabsicht der Eltern hat der Kläger in seinem Vorbringen nicht Bezug genommen. Nach den insoweit unbekämpften Feststellungen hatte der Beklagte als Gegenleistung für die Übergabe der Liegenschaft eine Darlehensschuld der Eltern und deren Pflege zu übernehmen. Zudem wurde den Eltern ein unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht (vgl 5 Ob 191/10i) eingeräumt. Der Kläger bestreitet auch nicht den Umstand an sich, dass aus Anlass der Übergabe ein Bruder eine Ausgleichszahlung erhalten hat. In dieser Situation kann eine Schenkungsabsicht der Eltern nicht als offenkundig unterstellt werden. Der Kläger hätte daher zumindest vorbringen müssen, dass nach dem Vertragswillen seiner Eltern und des Beklagten der Übergabe zumindest zum Teil keine Gegenleistung gegenüberstehen sollte und die Parteien des Übergabsvertrags daher von einer „subjektiven Inäquivalenz“ der Übergabe ausgegangen sind.

Außerdem ist der Kläger in seinem Vorbringen auch nicht näher auf die Frage der Nachlassdeckung des geltend gemachten Anspruchs eingegangen. Im erstinstanzlichen Verfahren hat er nur allgemein vorgebracht, dass er durch die Übergabe der Liegenschaft an den Beklagten „infolge der nunmehr beinahe vollständigen Vermögenslosigkeit des Nachlasses“ in seinem Pflichtteilsrecht gegenüber seinen Eltern verkürzt worden sei. Auf den Wert des Nachlasses und die Höhe des sich daraus ergebenden Fehlbetrags hat er nicht Bezug genommen. Erst in der Berufung führte er - so wie auch in der Revision - aus, dass seiner Schwester (als Erbin nach dem Vater) keinerlei Vermögenswerte zugegangen seien, die eine Klagsführung gestützt auf den Titel des Schenkungspflichtteils gerechtfertigt hätten. Selbst die in diesem Zusammenhang von ihm angesprochene Klagsführung bezieht er nicht auf die Geltendmachung des Schenkungspflichtteils mittels Zahlungsklage gegen den Geschenknehmer, sondern auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit seiner Verzichtserklärung und die Frage, ob dazu eine gesonderte Anfechtung gegenüber den Eltern bzw deren Rechtsnachfolgerin erforderlich sei.

2.4 Insgesamt ergibt sich, dass der vom Kläger geltend gemachte Schenkungspflichtteil aus seinem unzureichenden Vorbringen nicht schlüssig abgeleitet werden kann. Dies muss zur Abweisung des Klagebegehrens führen.

In dieser Hinsicht liegt auch nicht etwa eine Überraschungsentscheidung für den Kläger vor. Der Beklagte hat schon in seinem Einspruch darauf hingewiesen, dass er die Liegenschaft von den Eltern nicht schenkungsweise erhalten habe, sondern im Rahmen der Übergabe Gegenleistungen an seine Eltern und Zahlungen an seinen Bruder hätte erbringen müssen. Zudem hat der Beklagte auch vorgebracht, dass nicht er, sondern seine Schwester Erbin und Rechtsnachfolgerin nach den Eltern bzw dem Vater gewesen sei. Die Anleitungspflicht nach § 182a ZPO kann nun nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat (3 Ob 207/10b). Der richterlichen Anleitung zu einem ergänzenden bzw präzisierenden Klagsvorbringen bedarf es daher grundsätzlich dann nicht, wenn der Prozessgegner bereits ausreichend deutliche Einwendungen erhoben hat. Angesichts derartiger Einwendungen hat die anwaltlich vertretene andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.

3. Da die Vorinstanzen das Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen haben, war der Revision des Klägers der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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