Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 838,44 EUR (darin enthalten 139,74 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden Klägerin) ist bei der beklagten akkreditierten Privatuniversität seit Mai 2006 als Angestellte mit 20 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt gewesen. Sie hat sich im Jahr 2008 habilitiert und erhielt von dieser Privatuniversität die venia docendi verliehen. Der Arbeitsvertrag der Klägerin wurde daraufhin mit 1. 10. 2008 dahin abgeändert, dass sie nunmehr als „Universitätsdozentin“ mit 40 Stunden voll beschäftigt wurde. Mit dem akademischen Grad der Universitätsdozentin ist die Berechtigung zur Betreuung von Dissertationen und die Leitung einer Division verbunden. Nach dem Karrieremodell bei der beklagten Privatuniversität ist für die Verleihung dieses akademischen Grades neben dem erfolgreich abgeschlossenen Habilitationsverfahren auch ein Dienstvertrag Voraussetzung.
Mit 22. 9. 2010 hat die Beklagte der Klägerin die Leitung ihrer Studienzentrale bzw ihrer Studiengangs entzogen und sie mit Schreiben vom 10. 11. 2010 zum 15. 1. 2011 gekündigt und mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt. In weiterer Folge wurde am 16. 11. 2010 über die Klägerin ein Hausverbot ausgesprochen und sie aufgefordert die Schlüssel und die Mitarbeiterkarte zurückzugeben, das Büro frei zu machen und die Räumlichkeiten, Arbeitsmittel und Arbeitsgeräte der Universität nicht mehr zu benützen sowie von einer weiteren Anwesenheit im Hause Abstand zu nehmen.
Für die Kündigung waren im Einzelnen festgestellte personenbezogene Gründe im Zusammenhang mit Missständen bei der Standortakkreditierung, der Zusammenarbeit mit einem bestimmten Verein sowie der Kommunikation der Anwesenheit der Klägerin und letztlich auch deren Krankenstand und die fehlende Krankmeldung ausschlaggebend.
Die Privatuniversität hat in ihrer Generalversammlung eine Verfassung erlassen, nach der mit der Erteilung der Lehrbefugnis das Recht verbunden ist, die wissenschaftliche Lehre an der Universität mittels deren Einrichtungen frei auszuüben sowie wissenschaftliche Arbeiten zu betreuen und zu beurteilen. Durch die Erteilung der Lehrbefugnis soll aber weder ein Arbeitsverhältnis begründet noch ein bestehendes Arbeitsverhältnis verändert werden. Nach den vom Senat der Universität erarbeiteten Richtlinien erlischt die Lehrbefugnis durch Ernennung zum Professor an einer anderen Universität oder vergleichbaren Hochschulen oder durch schriftlichen Verzicht gegenüber dem Rektor. Ferner kann der Senat die Mitgliedschaft für erloschen erklären, wenn der Universitätsdozent über vier Semester keine Lehrtätigkeit mehr ausübt und in anderen vom Rektor begründet vorgeschlagenen Fällen die Ausschließung vom Lehrkörper beschließen.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage primär die Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses, in eventu die Unwirksamerklärung der am 10. 11. 2010 ausgesprochenen Kündigung sowie letztlich 18.957 EUR. Sie stützt dies zusammengefasst darauf, dass die Kündigung der Beklagten vom 10. 11. 2010 sittenwidrig gewesen sei, da sie nur deshalb erfolgt sei, weil auch der Ehegatte der Klägerin gekündigt worden sei. Die Beklagte habe der Klägerin keine Chance zur Rechtfertigung gegeben und sie auch unter Druck gesetzt, das Dienstverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Die Kündigung sei ferner entsprechend § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG als verpönte Motivkündigung einzustufen und letztlich nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG als sozialwidrig zu qualifizieren. Sie beeinträchtige die wesentlichen Interessen der Klägerin, die nur bei der Beklagten ihre wissenschaftliche Karriere fortsetzen könne. Das Zahlungsbegehren stützte die Klägerin auf einen verfehlten Kündigungstermin. Mit ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrte die Klägerin im Wesentlichen der Beklagten aufzutragen, der Klägerin die Fortsetzung ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit, die Ausübung ihrer vom Senat übertragenen Funktion sowie die freie Ausübung ihrer venia docendi samt erforderlicher Nutzung sämtlicher Einrichtungen und Ressourcen der Beklagten, insbesondere auch den ungehinderten Zugang zu Forschungskollegen, zur Bibliothek sowie zu den Wissenschaftsdatenbanken, zu ihrem Mailkonto, dem Wissenschaftsarchivs sowie der Büroinfrastruktur und sonstigen Arbeitsmitteln und Arbeitsgeräten aufzutragen. Sie stützte dies zusammengefasst darauf, dass die Suspendierung und das Hausverbot sie bei ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit als Universitätsdozentin einschränke und sie ihre Projekte nicht mehr weiter bearbeiten könne. Ihre Reputation als Wissenschaftlerin, ihr berufliches Fortkommen und ihre wirtschaftliche Existenz sowie der Erfolge ihrer Projekte stünden auf dem Spiel. Auch für die Privatuniversitäten gelte der Grundsatz der freien Ausübung der Wissenschaft. Die Klägerin habe auch ein Recht auf Beschäftigung aus ihrem Arbeitsvertrag.
Die Beklagte wendete in ihrer Stellungnahme zur einstweiligen Verfügung die Unzulässigkeit des Rechtswegs hinsichtlich der Durchsetzung der aus der venia docendi resultierenden Befugnisse und Ansprüche ein. Die Aufforderung der Beklagten, sich der Dienstleistung zu enthalten habe sich auch nur auf deren Dienstverhältnis, aber nicht auf die Lehrbefugnis bezogen. Dies gelte auch für den Entzug der Arbeitsmittel. Das Dienstverhältnis selbst ende jedenfalls mit 15. 1. 2011. Die Zeit bis dahin könne keine Beeinträchtigung der Reputation der Klägerin zur Folge haben. Darüber hinaus wies die Beklagte auf die fehlende Bescheinigung der Ansprüche der Klägerin hin. Die Kündigung basiere auf verhaltensbezogenen Umständen die im Einzelnen ausgeführt wurden.
Das Erstgericht wies sowohl den Antrag der Beklagten als auch der Klägerin auf Erstattung einer weiteren Äußerung ab- bzw zurück. In der Sache selbst wies das Erstgericht die einstweilige Verfügung zur Gänze ab. Die Zulässigkeit des Rechtswegs bejahte es, da es sich bei der Beklagten um eine private Bildungseinrichtung handle. Aus Art 17 und17a StGG könne wegen ihrer Staatsgerichtetheit im Verhältnis zu Privatuniversitäten kein unmittelbares Recht abgeleitet werden. Allerdings enthalte die Verfassung der Beklagten verschiedene Rechte die mit der venia docendi verbunden sind, insbesondere im Hinblick auf die Benützung der Einrichtungen der Beklagten. Dabei handle es sich aber um privatwirtschaftliche Ansprüche, sodass der Rechtsweg zulässig sei.
Für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei aber zu berücksichtigen, dass die Lehrbefugnis unabhängig vom konkreten Arbeitsverhältnis sei, sodass die geltend gemachten aus der Lehrbefugnis abgeleiteten Ansprüche nicht mit den in der Klage geltend gemachten Ansprüchen übereinstimmten. Schon insoweit fehle es an den Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung der in der Klage geltend gemachten Ansprüche. Aus dem Arbeitsverhältnis selbst könne zwar in bestimmten Fällen ein Beschäftigungsanspruch abgeleitet werden, nicht jedoch hier, wo aus der Nichtausübung der wissenschaftlichen Fähigkeiten nicht unmittelbar ein Qualitätsverlust oder eine Minderung des wissenschaftlichen Niveaus abzuleiten sei.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass sich das Recht auf Ausübung der Lehrbefugnis im Rahmen des Hauptanspruchs halte, sei davon auszugehen, dass dessen Bescheinigung nicht gelungen sei. Eine Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB könne nur dann vorliegen, wenn gänzlich untaugliche und unsachliche Gründe und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligende Motive für die Kündigung ausschlaggebend gewesen wären. Das habe aber die Klägerin nicht glaubhaft machen können, vielmehr habe die Beklagte personenbezogene Gründe bescheinigt. Darauf sei auch im Zusammenhang mit der geltend gemachten Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG bzw der Motivanfechtung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG zu verweisen.
Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Soweit sich der Rekurs darauf stützte, dass das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, auf die Replik zur Äußerung der Beklagten einzugehen, verwies das Rekursgericht darauf, dass es schon an Ausführungen mangle, welche für die Klägerin günstigeren Verfahrensergebnisse sich daraus ergeben hätten.
Auch das Rekursgericht bejahte ausdrücklich die Zulässigkeit des Rechtswegs, und zwar im Wesentlichen damit, dass die Verleihung der Lehrbefugnis durch die Beklagte kein hoheitlicher Akt sei. In der Sache selbst erachtete es sowohl die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens als auch das Bestehen des Anspruchs als nicht bescheinigt. Es bejahte zwar in Übereinstimmung mit dem Erstgericht einen aus der Verfassung der Beklagten resultierenden Anspruch auf Nutzung der Lehrbefugnis dienenden Ressourcen der Beklagten. Es hielt ebenfalls fest, dass dieser Anspruch von den Rechten und Pflichten der Streitteile aus dem Arbeitsvertrag zu unterscheiden sei. Die Klägerin habe auch nähere Behauptungen dazu, welche Ressourcen sie für die Ausübung ihrer Lehrbefugnis benötige und welche konkreten Forschungsvorhaben sie betreibe bzw inwieweit diese in die konkrete Lehrtätigkeit hineinspielten weder dargestellt noch bescheinigt. Soweit sich die Klägerin auf ein Recht auf Beschäftigung stütze, sei dem entgegenzuhalten, dass dieses ausnahmsweise aus dem Arbeitsverhältnis dann zuerkannt worden sei, wenn es bei einer Monopolstellung des Arbeitgebers zur Verbesserung bzw mindestens zum Erhalt der bisher erworbenen Fähigkeiten erforderlich sei. Im Hinblick auf den Ablauf des Arbeitsverhältnisses mit 15. 1. 2011 habe aber insoweit ein Nachweis nicht erbracht werden können. Auch für die Zeit danach fehle es an einem substantiierten Vorbringen, wodurch der Klägerin ein unwiederbringlicher Schaden entstehen sollte, und auf welche konkreten Ressourcen die Klägerin unbedingt angewiesen sei bzw für welche konkreten aktuellen Forschungsprojekte dies gelte. Es fehle sowohl an der Bescheinigung einer Gefährdung als auch der Sittenwidrigkeit der Kündigung, weil im Provisorialverfahren entsprechende Motive nicht bescheinigt wurden.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die aus der Habilitation erfließenden Rechte der Lehrbefugnis im Zusammenhang mit einer Feststellungsklage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bzw einer Kündigungsanfechtung durch einstweilige Verfügung gesichert werden könnten nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Klägerin gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§§ 526 Abs 2, 528 Abs 1 ZPO und § 78 EO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Zufolge der Regelung des letzten Satzes des § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführungen der Zurückweisungsgründe beschränken.
Der Revisionsrekurs erachtete es als erhebliche Rechtsfrage, inwieweit eine Nichtigkeit des Verfahrens deshalb vorliege, weil das Erstgericht die Replik der Klägerin auf die aufgetragene Stellungnahme der Beklagten ohne Durchführung einer mündlichen Tagsatzung oder einer weiteren Anhörung der Klägerin zurückgewiesen und die einstweilige Verfügung abgewiesen habe. Das Oberlandesgericht habe als Rekursgericht diese erstinstanzliche Entscheidung vollinhaltlich bestätigt. Damit sei eine Nichtigkeit wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens gegeben.
Nach ständiger Rechtsprechung kann eine vom Rekursgericht verneinte Mangelhaftigkeit oder Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden (vgl zuletzt ausführlich 2 Ob 140/10t mzwN etwa Kodek in Rechberger ZPO3 § 528 Rz 6 uva). Daher kann auch nicht darauf eingegangen werden, wenn die Klägerin nunmehr ausführt, dass das Rekursgericht die Nichtigkeit hätte bejahen müssen. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Micallef (15. 10. 2009 BSW 17056/06), auf die sich die Klägerin beruft, auch ausdrücklich festhält, dass die Effektivität der angestrebten Provisorialmaßnahmen von einer raschen Entscheidung abhängt und damit eine Erfüllung aller Anforderungen des Art 6 MRK unmöglich sein kann. Hier hat das Erstgericht gerade aus den Überlegungen der effektiven Verfahrensgestaltung jegliche weitere Anträge beider Parteien zurückgewiesen.
Die weiteren Ausführungen der Klägerin im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vermögen ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage darzustellen. Sie konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Frage, inwieweit die Lehrbefugnis als Grundlage der Ansprüche mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt sowie auf ein Recht auf Beschäftigung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Die Vorinstanzen haben zutreffend zwischen den Rechten aus der venia docendi und den Rechten aus deren Dienstvertrag - die Gegenstand des Hauptverfahrens sind - differenziert. Einem Anspruch der Klägerin aus dem Dienstvertrag ist aber schon im Ansatz entgegenzuhalten, dass Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit oder für verpönte Motive der Kündigung nicht bescheinigt werden konnten. Eine allfällige Anfechtung der Kündigung nach § 105 ArbVG ändert im Übrigen nichts an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigung wird im Falle der Berechtigung der Anfechtung erst durch das Urteil rückwirkend aufgehoben (Wolliger in ZellKomm § 105 ArbVG Rz 251; RIS-Justiz RS0028417 [T1] mwN). Die Klägerin kann sich daher auch nicht auf einen allfälligen Beschäftigungsanspruch im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses oder des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Erlassung der einstweiligen Verfügung stützen.
Letztlich ist auch noch darauf zu verweisen, dass die Klägerin zwar weiter abstrakt ausführt, wie ihr die mangelnde Forschungsmöglichkeit schade, aber keine konkreten Forschungsvorhaben oder Lehrveranstaltung nennt. Die Beklagte hat außerdem den Anspruch der Klägerin im Rahmen ihrer Lehrbefugnis ohnehin anerkannt.
Insgesamt vermag der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw § 402 EO darzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Als Ansatz war von der Bewertung durch die Klägerin auszugehen (RIS-Justiz RS0042434).
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