OGH 8Ob98/11m

OGH8Ob98/11m24.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** B*****, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen die beklagten Parteien 1) R***** H*****, und 2) A***** H*****, ebendort, beide vertreten durch die Dr. Heinrich Oppitz Rechtsanwalt KG in Wels, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 1. Juni 2011, GZ 23 R 78/11a-12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Lambach vom 24. März 2011, GZ 2 C 1192/10b-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 445,82 EUR (darin enthalten 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger errichtete im Jahr 2007 auf seinem Anwesen eine Hackschnitzelheizanlage. Nach seinen Planungen sollte auch das Einfamilienhaus der Beklagten von dieser Anlage mitversorgt werden. Im Sommer 2007 erstellte er einen Vertragsentwurf, der in der Folge von den Streitteilen unterfertigt wurde. Der Wärmeliefervertrag wurde mit Wirkung ab 1. 11. 2007 abgeschlossen und sollte eine Laufzeit von 20 Jahren aufweisen. Im November 2007 wurde die Heizanlage vom Kläger auch in Betrieb genommen. Mit Schreiben vom 27. 9. 2010 kündigten die Beklagten den Vertrag mit Ende November 2010 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 15 KSchG auf.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Aufkündigung der Beklagten nicht wirksam sei. Die Bestimmungen des KSchG seien nicht anwendbar, weil er zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch kein Wärmelieferungsunternehmen betrieben habe. Außerdem handle es sich bei der Heizanlage um ein gemeinsames Projekt der Streitteile.

Die Beklagten entgegneten, dass der Kläger die Anlage als Unternehmer errichtet und dementsprechend auch von Anfang an steuerlich genutzt habe. Ihnen gegenüber seien die Wärmelieferungen im Verhältnis der Anschlussgröße abgerechnet worden. Außer nach § 15 KSchG sei die Kündigung des Vertragsverhältnisses auch wegen der über zwei Jahre erfolgten unrichtigen Abrechnungen zulässig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch wenn die Betriebsorganisation zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung möglicherweise noch nicht fertig aufgebaut gewesen sei, habe der Kläger das Geschäft mit den Beklagten doch im Hinblick auf seine spätere Tätigkeit als Unternehmer abgeschlossen. Die Beklagten seien daher nach § 15 KSchG zur Kündigung des Wärmeliefervertrags berechtigt. Erhebliche Aufwendungen iSd § 15 Abs 3 KSchG zur Vereinbarung abweichender Kündigungstermine und Kündigungsfristen habe der Kläger nicht dargelegt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Voraussetzungen für die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 KSchG seien nicht erfüllt. Nach dem Telos dieser Bestimmung solle der werdende Unternehmer wegen seiner Unerfahrenheit (noch) als Verbraucher geschützt werden. Sie gelange dann nicht zur Anwendung, wenn ein Vertrag abgeschlossen werde, der unmittelbar den Unternehmensgegenstand betreffe, und der spätere Unternehmer gegenüber dem Kunden bereits als Dienstleister auftrete. Wolle der Unternehmer iSd § 15 Abs 3 KSchG eine längere vertragliche Bindung herbeiführen, so müsse er den Verbraucher vor Abgabe der Vertragserklärung über die erheblichen Aufwendungen informieren. Der Kläger hätte daher mitteilen müssen, worin die besonderen Mehrkosten durch den Anschluss der Beklagten an das Wärmeversorgungsnetz bestünden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob ein werdender Unternehmer, der vor Aufnahme seines Geschäftsbetriebs mit einem Kunden unmittelbar den Unternehmenszweck betreffende Geschäfte abschließe, noch unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 KSchG falle, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 87/11v). Dass zu einer Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet unter anderem dann keine erhebliche Rechtsfrage, wenn die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind oder die anzuwendende Norm selbst eine eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0102181; RS0042656).

2.1 Der Kläger geht selbst davon aus, dass er im Zusammenhang mit dem Betrieb der von ihm errichteten Heizanlage Unternehmer im Sinn des KSchG ist. Der Anwendung des § 15 KSchG auf den Anlassfall tritt er nur mit dem Argument entgegen, dass es sich bei dem mit den Beklagten abgeschlossenen Wärmeliefervertrag um ein Gründungsgeschäft iSd § 1 Abs 3 KSchG gehandelt habe.

2.2 Nach § 1 Abs 3 KSchG sind Geschäfte, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebs ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür vornimmt, (noch) als Verbrauchergeschäfte zu qualifizieren, weil diese noch nicht als zum Betrieb eines Unternehmens iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG gehörig angesehen werden (RIS-Justiz RS0065176; 8 Ob 40/06z). Diese Ausnahmebestimmung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass dem erst werdenden Unternehmer typischerweise die unternehmerische Erfahrung und die nötige Branchenkenntnis fehlt („Branchenneuling“). Aus diesem Grund werden sogenannte Vorbereitungsgeschäfte bzw Gründungsgeschäfte des künftigen Unternehmers für seine unternehmerische Tätigkeit noch nicht als Unternehmensgeschäfte betrachtet (vgl Krejci in Rummel³ § 1 KSchG Rz 48; Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang-Komm³ § 1 KSchG Rz 58).

Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs 3 KSchG gilt nicht nur für das erste Gründungsgeschäft, das der zukünftige Unternehmer vornimmt, sondern für alle Geschäfte, die zur Aufnahme des Betriebs zur Schaffung der Voraussetzungen dafür erforderlich sind (RIS-Justiz RS0117660 [T1]; 5 Ob 155/10w). Dabei entspricht es der einheitlichen Lehre und Rechtsprechung, dass auch Dauerschuldverhältnisse als Gründungsgeschäfte anzusehen sind und damit ebenso Sachverhalte erfasst werden, die sich nach dem Vertragsabschluss ereignen, aber vom Vertrag erfasst werden (8 Ob 40/06z; Krejci aaO Rz 56 mwN). Das Vorliegen eines Gründungsgeschäfts ist aber etwa dann zu verneinen, wenn dadurch ein bereits bestehendes Unternehmen erweitert werden soll (RIS-Justiz RS0065402).

2.3 Die in Rede stehende Ausnahmeregelung enthält sowohl eine zeitliche als auch eine inhaltliche Komponente (Mayrhofer/Nemeth aaO Rz 58). Nach der inhaltlichen Komponente dienen Gründungsgeschäfte der Schaffung der Voraussetzungen für die Erbringung der betrieblichen Leistung. Sie ermöglichen erst die Ingangsetzung des Unternehmensbetriebs. Dafür kommen etwa Verträge mit Lieferanten oder mit dem Vermieter von Geschäftsräumlichkeiten in Betracht (vgl Mayrhofer/Nemeth aaO Rz 58; Kramer/Rauter in Straube 4 §§ 343, 344 UGB Rz 53). Nach der Aufnahme des Betriebs können aber keine Gründungsgeschäfte mehr geschlossen werden. Der Betrieb des Unternehmens ist aufgenommen, sobald der Unternehmer beginnt, die eigentlichen Unternehmensgeschäfte zu schließen und abzuwickeln, die unmittelbar der laufenden Verfolgung des Unternehmenszwecks dienen (Krejci aaO Rz 59 und 60; Kramer/Rauter aaO Rz 54). Dazu zählen regelmäßig die Verträge mit Kunden über die Erbringung der unternehmerischen Leistung.

Wirksam geschlossene Geschäfte, die unmittelbar den Unternehmenszweck umsetzen und die Erbringung der unternehmerischen Leistung zum Gegenstand haben, sind somit Geschäfte, die sich auf den laufenden Unternehmensbetrieb beziehen, und damit nicht mehr Vorbereitungsgeschäfte.

2.4 Die rechtlichen Grundsätze zur Beurteilung der hier strittigen Reichweite der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 3 KSchG sind in der Rechtsprechung im Einklang mit der Literatur bereits in ausreichendem Maß geklärt. Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen, deren Anwendung auf den Anlassfalls typisch von den Umständen des Einzelfalls geprägt ist, nicht abgewichen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Aufnahme des Betriebs eines Unternehmens schon insoweit zu bejahen sei, als der Unternehmer wie hier schon vor Inbetriebnahme der Anlage gegenüber Kunden als Dienstleister bzw Anbieter auftrete, erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

4. In der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dargelegt. Da der Kläger in der Revision keine weiteren Rechtsfragen anspricht, war sein Rechtsmittel zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979; RS0035962).

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