OGH 2Ob87/11z

OGH2Ob87/11z20.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solé, die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Max V*****, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei Elmar M*****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, sowie der Nebenintervenienten auf Beklagtenseiten 1. Land V*****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch und 2. Gemeinde D*****, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Unterlassung (Streitwert 30.900 EUR) und Zahlung von 3.935,94 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. Februar 2011, GZ 4 R 4/11m-29 (35), womit der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 2. Dezember 2010, GZ 4 Cg 77/10m-22, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs gegen den aufhebenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Jener gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Aufhebungsentscheidung des Rekursgerichts:

Gemäß § 527 Abs 2 ZPO ist ein Rekurs gegen eine aufhebende Entscheidung der zweiten Instanz nur zulässig, wenn dies das Rekursgericht ausgesprochen hat. Ein solcher Ausspruch liegt hier nicht vor, weshalb der außerordentliche Revisionsrekurs insofern zurückzuweisen war.

II. Zur Abänderungsentscheidung des Rekursgerichts:

Der Kläger macht Unterlassungs- und Zahlungsansprüche mit der Behauptung geltend, er bzw seine Vorfahren hätten eine zu seinem Wohnhaus führende Privatstraße seit mehr als 40 Jahren benutzt und dieses Recht daher unabhängig von einer in den 80iger Jahren mit den Eigentümern nachfolgender Liegenschaften gegründenden Güterwegegenossenschaft ersessen. Im Rahmen dieser Güterwegegenossenschaft sei überdies nur die Benutzung des Genossenschaftswegs zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken erlaubt, wohingegen dem Kläger eine darüber hinausgehende Benutzung auch für andere Zwecke zustehe. Dies sei auch bei Gründung der Wegegenossenschaft so vereinbart worden, sodass auch ein vertraglicher Rechtsanspruch des Klägers bestehe. Der Beklagte greife in dieses Recht ein, indem er von einem am Beginn des Zufahrtswegs aufgestellten Fahrverbotsschild die Zusatztafel „ausgenommen Anrainer und Zubringer“ entfernt habe, sodass ein allgemeines Fahrverbot ausgewiesen sei. Überdies versuche der Beklagte durch Aufnahme, Behandlung und Beschlussfassung von Tagesordnungspunkten und Beteiligung an der Abstimmung diese Rechte des Klägers in die Tätigkeit der Wegegenossenschaft einzubeziehen, wodurch es zur Behinderung und Sperre des privaten Geh- und Fahrwegs zum Wohnobjekt des Klägers gekommen sei. Darüber hinaus benutze der Beklagte, obwohl ein solches Recht nur dem Kläger zustehe, den Weg nicht nur für land- und forstwirtschaftliche Zwecke sondern auch darüber hinaus. Durch die rechtswidrigen Handlungen des Beklagten sei dem Kläger ein Schaden in Höhe des Zahlungsbegehrens entstanden.

Der Beklagte wandte die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein.

Das Erstgericht schloss sich dieser Rechtsansicht an.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers insoweit Folge, als es hinsichtlich dreier Unterlassungsbegehren die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verwarf und hinsichtlich des vierten Unterlassungsbegehrens sowie des Zahlungsbegehrens die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Beklagte erhebt außerordentlichen Revisionsrekurs „in vollem Umfang“ mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Mit seinen Ausführungen legt er keine Rechtsfrage von über den Anlassfall hinausgehender Bedeutung und keine aufzugreifende Unrichtigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung dar:

1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist maßgeblich, ob nach dem Inhalt der Klage (Klagebegehren und Klagebehauptungen) ein zivilrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (7 Ob 277/05v; RIS-Justiz RS0045584).

Mit der Eigentumsfreiheitsklage wird stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat, wenn sich der Beklagte auf ein Recht beruft, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen sind (1 Ob 63/02z mwN).

2. Soll eine bürgerliche Rechtssache ausnahmsweise der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen werden, muss dies im Gesetz klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden; eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (4 Ob 524/93; RIS-Justiz RS0045474).

Bringt ein Kläger daher zB vor, dass dem Beklagten ein bestimmtes landwirtschaftliches Bringungsrecht zustehe, leitet er seinen Anspruch aber daraus ab, dass der Beklagte, ohne durch dieses Bringungsrecht dazu berechtigt zu sein, Maßnahmen auf der Liegenschaft des Klägers trifft, gründet sich sein Anspruch auf sein Eigentumsrecht. Es ist daher der Rechtsweg zulässig (RIS-Justiz RS0045639). Gründet ein Kläger hingegen seinen Anspruch gegen andere Bringungsberechtigte nicht auf seinen privatrechtlichen Titel, sondern auf ein ihm von der Agrarbehörde eingeräumtes Bringungsrecht, ist der Rechtsweg nicht zulässig (RIS-Justiz RS0115952).

3. Hier behauptet der Kläger aufgrund einer ersessenen Servitut bzw einer privatrechtlichen Vereinbarung zur Benutzung des Zufahrtswegs bis zu seinem Wohnhaus auch über die im Rahmen der Wegegenossenschaft zustehenden land- und forstwirtschaftlichen Zwecke hinaus berechtigt zu sein. Er stützt daher sein Begehren auf ein Privatrecht.

4. Dass der Beklagte dies mit dem Hinweis bestreitet, dass allen an der Wegegenossenschaft Beteiligten nur Rechte im Rahmen dieser Wegegenossenschaft zustünden, ändert daran nichts, weil es auf die Einwendungen des Beklagten nicht ankommt (RIS-Justiz RS0045584).

5. Da der Anspruch grundsätzlich auf ein bürgerliches Recht gestützt wird, könnte die Zuständigkeit der Gerichte nur dann entfallen, wenn Streitigkeiten darüber durch ein Gesetz zur Entscheidung an die Verwaltungsbehörden übertragen wären.

Nach § 13 Abs 4 des vbg Gesetzes über das land-und forstwirtschaftliche Bringungsrecht entscheiden über Streitigkeiten zwischen einer Güterwege- oder Seilwegegenossenschaft und ihren Mitgliedern oder den Mitgliedern einer solchen Genossenschaft untereinander aus dem Genossenschaftsverhältnis die Agrarbehörden.

Der Kläger macht aber hier gerade keinen Anspruch aus dem Genossenschaftsverhältnis, sondern ein davon unabhängiges bzw darüber hinausgehendes Privatrecht zur Grundlage seiner Ansprüche. Diese Rechtsstreitigkeit wurde mit der angeführten Rechtsvorschrift aber nicht zur Entscheidung an die Agrarbehörden verwiesen.

6. Insoweit sind auch die vom Rechtsmittel zitierten Entscheidungen 7 Ob 304/00g bzw 7 Ob 518/84 nicht einschlägig, weil es dort jeweils um Streitigkeiten aus dem Agrargemeinschaftsverhältnis ging.

7. Gegen dieses Ergebnis spricht auch die vom Revisionsrekurs zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs 2007/07/0164 nicht. Zwar wird in dieser ausgeführt, dass hinsichtlich des auch von der vorliegenden Klage betroffenen Güterwegs von einer „doppelten Rechtsnatur“ keine Rede sein könne. Diese Ausführungen stehen aber im Zusammenhang mit jenen, wonach aus der Gründungsgeschichte der Güterwegegenossenschaft und aus dem Gründungsbescheid kein Hinweis zu ersehen sei, dass dem dortigen Beschwerdeführer und nunmehrigen Kläger parallel zum wechselseitig eingeräumten Bringungsrecht ein privates Zufahrtsrecht für nicht land- und forstwirtschaftliche Fahrten eingeräumt oder ein derartiges bestehendes Recht aufrecht erhalten werden solle. Es ergebe sich vielmehr das Bild, dass mit dem Gründungsbescheid die Rechtsgrundlage für sämtliche notwendigen Zufahrten über den Güterweg geregelt habe werden sollen und dass auch das Zufahrtsrecht des Beschwerdeführers zu nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken seine Rechtsgrundlage im zitierten Gründungsbescheid finde.

Diese Erwägungen sprechen aber nicht für die Unzulässigkeit des Rechtswegs für das vom Kläger behauptete Privatrecht, sondern - wenn überhaupt - allenfalls gegen die tatsächliche Existenz eines solchen Privatrechts, über das aber erst mit der Sachentscheidung zu befinden sein wird.

8. Da zur Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs und zur Abgrenzung zur verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit ausreichend oberstgerichtliche Judikatur vorliegt, deren rekursgerichtliche Anwendung auf den konkreten Einzelfall jedenfalls vertretbar war, war der außerordentliche Revisionsrekurs insoweit zurückzuweisen.

9. Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers waren nicht zuzusprechen, weil die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung vom Obersten Gerichtshof nicht freigestellt wurde (§ 521a Abs 2 iVm § 508a Abs 2 Z 2 ZPO).

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