Spruch:
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag des Beklagten auf Aufhebung der Verfügung über die einstweilige Gewährung von Ehegattenunterhalt abgewiesen wird.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.584,91 EUR (darin 264,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreits in allen drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte vom Beklagten Unterhalt gemäß § 94 ABGB. Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten mit einstweiliger Verfügung vom 12. 7. 2007, an die Klägerin ab 18. 4. 2007 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Unterhaltsverfahrens einen einstweiligen monatlichen Unterhalt von 520 EUR zu leisten.
Der Beklagte beantragte in der Folge die Aufhebung der einstweiligen Verfügung, weil die Ehe der Streitteile vom zuständigen Gericht in Teheran geschieden worden sei. Im Übrigen bestehe kein gemeinsamer Haushalt mehr und die Klägerin lehne es beharrlich ab, trotz konkreter „Job-Angebote“ eine Arbeit in Österreich aufzunehmen. Es liege daher ein Missbrauch des Unterhaltsrechts vor.
Die Klägerin sprach sich dagegen aus, weil das Scheidungsverfahren im Iran und die Entscheidung selbst dem ordre public widerspreche, ihr rechtliches Gehör in diesem Verfahren verletzt worden sei und das iranische Recht eine Vielzahl von massiven Diskriminierungen für Ehefrauen aufweise. Für den Fall der Anerkennung des Scheidungsurteils aus dem Iran werde das Unterhaltsbegehren „in eventu auch auf § 66 EheG und die entsprechenden Bestimmungen des iranischen Rechts“ gestützt.
Das Erstgericht hob die einstweilige Verfügung auf. Gründe im Sinn von § 97 AußStrG, welche die Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils hindern würden, lägen nicht vor. Es sei daher von einer rechtskräftigen Scheidung auszugehen. Nachdem der Unterhalt gemäß § 94 ABGB festgelegt worden sei, lägen jetzt geänderte Verhältnisse vor.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe einer Ziffernberichtigung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung im Zusammenhang mit der Aufhebung einer während aufrechter Ehe erlassenen Provisorialmaßnahme gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Da aufgrund der Doppelstaatsbürgerschaft des Beklagten nie ein gemeinsames Personalstatut der Streitteile vorgelegen sei, sei aufgrund ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich für Unterhaltsansprüche gemäß § 18 IPRG österreichisches Recht anwendbar. Eine rechtskräftige Scheidung der Ehe habe zur Folge, dass die ehelichen Unterhaltsansprüche wegfielen. Damit sei auch das Erlöschen des mit der Unterhaltsklage geltend gemachten Anspruchs auf Unterhalt während aufrechter Ehe festgestellt, zu dessen Sicherung die einstweilige Verfügung erlassen worden sei. Die Klägerin habe kein konkretes auf § 66 EheG gestütztes Unterhaltsbegehren gestellt. Im Übrigen sei - soweit sich die Klägerin in eventu auch auf § 66 EheG stütze - über diese Klagsänderung noch nicht entschieden worden. Es sei auch noch kein Antrag gestellt worden, den nachehelichen Unterhalt zu sichern. Eine ipso iure-Änderung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Unterhalts nach § 94 ABGB auf eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines nachehelichen Unterhalts entbehre jeder gesetzlichen Grundlage.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
1. Kollisionsrechtliche Fragen wurden in dritter Instanz nicht thematisiert.
2. Die Klägerin macht zu Recht die mangelnde Anerkennungsfähigkeit der iranischen Scheidung (Urteil des Familiengerichts Teheran vom 20. 10. 2007) geltend.
In dem von der Klägerin angestrengten inländischen Scheidungsverfahren hat der Oberste Gerichtshof mit der jüngst ergangenen Entscheidung zu 6 Ob 69/11g die vorinstanzliche Klagszurückweisung mit folgender Begründung aufgehoben: Das iranische Scheidungsurteil spreche nicht konstitutiv die Scheidung aus, sondern es erlaube dem Ehemann, ein Amt für Eintragung für Scheidung aufzusuchen und nach der Bezahlung eines bestimmten Betrags seine Ehefrau zu scheiden. Diese Scheidung, auf die sich der Beklagte berufe, sei daher eine einseitige Verstoßung (talaq) nach iranischem Recht. Die Anerkennung einer islamrechtlichen Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann (talaq) ohne Einverständnis der Ehefrau widerspreche bei ausreichendem Inlandsbezug dem inländischen (materiellen) ordre public. Der iranischen Privatscheidung sei daher gemäß § 97 Abs 2 Z 1 AußStrG die Anerkennung zu verweigern.
Ist somit die Ehe der Streitteile noch aufrecht, dann fehlt es an einer Änderung der Verhältnisse im Sinn von § 399 Abs 1 Z 2 EO.
3. Soweit sich der Beklagte auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen Rechtsmissbrauchs beruft (Ablehnung der „Job-Angebote“), zeigt er mit diesem - seinem Vorbringen vor Erlassung der Sicherungsverfügung inhaltlich entsprechenden - Vorbringen keinen der einstweiligen Verfügung nachfolgenden Sachverhalt auf. Die Aufhebungsgründe nach § 399 EO müssen jedoch erst nach der Erlassung der einstweiligen Verfügung entstanden sein (König, Einstweilige Verfügungen3 Rz 8/2; RIS-Justiz RS0005594).
Der Aufhebungsantrag des Beklagten ist daher nicht gerechtfertigt. Dem Revisionsrekurs der Klägerin ist Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Sinne der Antragsabweisung abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte ist im Zwischenstreit über die Aufhebung der einstweiligen Verfügung unterlegen Bemessungsgrundlage ist der Betrag von 6.240 EUR (§ 9 Abs 3 RATG).
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