OGH 10ObS53/11h

OGH10ObS53/11h4.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Irene Kienzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. KR Michaela Puhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. L*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeits-pension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. März 2011, GZ 8 Rs 121/10p-38, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Juni 2010, GZ 22 Cgs 209/09z-35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 25. 5. 2009 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 9. 3. 2009 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage, in der der Kläger im Wesentlichen vorbringt, aufgrund der Folgen einer 1999 erlittenen Halswirbelfraktur seinen Beruf als Personenschützer („Bodyguard“) nicht mehr ausüben zu können. Seine Tätigkeit habe aus körperlichem Einsatz bestanden und habe in erster Linie Kraft, Stehvermögen und Reaktionsschnelligkeit verlangt. Arbeiten in einem Büro oder vor einer Computerüberwachungsanlage habe er nie ausgeübt; er verfüge weder über eine entsprechende Ausbildung noch Erfahrung (ON 1). Eine Verweisung auf eine Tätigkeit in diesem Bereich sei unzumutbar, weil es sich um eine völlig anders gelagerte Sparte handle. Er sei „qualifizierter Personenschützer“ und verfüge als solcher über eine in Israel absolvierte Ausbildung, die einer österreichischen Ausbildung gleichzuhalten sei und „lehrberufswertig“ sei.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und brachte vor, der Kläger sei trotz seiner medizinischen Einschränkungen in der Lage, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

„Der am 28. 7. 1954 geborene - somit am Stichtag 54 jährige - Kläger war von 1984 bis 1990 bei der Israelitischen Kultusgemeinde und von 1990 bis 1992 bei einer Aktiengesellschaft als Angestellter beschäftigt. Er war 1994 sowie von 1998 bis 1999 beim Jüdischen Museum der Stadt Wien GmbH, von 1994 bis 1997 bei der Maimonides Elternheim- und Krankenanstaltsverwaltung und von 2001 bis 2002 bei einer ManagmentberatungsGmbH tätig. Bei allen Dienstgebern übte er ausschließlich den Beruf eines Personenschützers ('Bodyguard') aus. Dabei war es notwendig, Faustfeuerwaffen zu tragen und zu verwenden. Er arbeitete ausschließlich im Personenschutz und schützte seine Klienten unter anderem vor terroristischen Angriffen. Objektschutz im Sinne von Einbruchsschutz gehörte nicht zu seinem Aufgabengebiet.

Der Kläger absolvierte von 1977 bis 1982 auf einer ausländischen Hochschule einen Lehrgang 'Sportfakultät-Abteilung für Fernstudium im Fach Körperkultur und Sport'. Diese Ausbildung wurde 1992 mit Bescheid des Dekanats der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien nostrifiziert, sodass der Kläger seither über den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie aus den Fächern Sportwissenschaften und der Fächerkombination aus Trainingswissenschaften verfügt. Er hat den israelischen Militärdienst abgeschlossen. Wenngleich er für die Ausübung seines Berufs als Personenschützer keine besondere Schul- oder Universitätsausbildung und auch keine (andere) spezifische Ausbildung benötigte, konnte er seine sportlichen und seine im Rahmen des Militärdiensts erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Personenschützer gut verwerten. Er musste als solcher die betriebsspezifischen Anforderungen des jeweiligen Dienstgebers erfüllen, so hatte z.B. die Israelitische Kultusgemeinde die Ableistung des israelischen Militärdiensts als Anstellungserfordernis verlangt.

Ein allgemeines Berufsbild für den Beruf Personenschützer/Bodyguard existiert in Österreich nicht. Jeder Betrieb schafft sich eigene Voraussetzungen, die er für den Personenschützer erforderlich hält. Ein Lehrberuf ist in diesem Bereich nicht vorgesehen.

Trotz seiner medizinischen Einschränkungen kann der Kläger noch portierähnliche Aufsichtsberufe in Form von Mischtätigkeiten mit Angestelltenberufen verrichten. Dabei steht die Beaufsichtigung der beim jeweiligen Betrieb ein- und ausgehenden Besucher und die Auskunftserteilung von einer Kundenrezeption aus im Vordergrund. Es sind Orientierungsauskünfte zu erteilen, gegebenenfalls erhalten die Kunden Informationsmaterial, es werden Passierscheine ausgestellt oder die Besucher den Mitarbeitern telefonisch angekündigt. Es handelt sich um eine Mischtätigkeit mit Telefondienst und einfachen administrativen Arbeiten und Geschäftsposterledigung, weiters werden Schlüssel verwaltet, gelegentlich werden auch personalcomputerunterstützte Informationsabfragetätigkeiten durchgeführt. Bei Notfällen und besonderen Vorfällen diverser Art sind Geschäftsführung und Notfalldienst prompt zu verständigen. Wertigkeitsmäßig erfolgt die kollektivvertragliche Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte.

Der Kläger könnte aber auch qualifiziertere Tätigkeiten, z.B. in Rezeptionsteams, oder qualifizierte Telefondiensttätigkeiten im Empfang gehobenerer Unternehmen ausüben. Derartige Tätigkeiten entsprechen der Beschäftigungsgruppe 3 des Handelskollektivvertrags. Im Rahmen von Empfangsdienstätigkeiten könnte der Kläger auch Sicherheitsbeauftragter von Unternehmen sein, entsprechend der Beschäftigunggruppe 3 des Kollektivvertrags.“

Rechtlich beurteilte das Erstgericht die geminderte Arbeitsfähigkeit des Klägers nach § 273 ASVG und ging davon aus, das Beweisverfahren habe ergeben, dass der Kläger verwandte Tätigkeiten kalkülsentsprechend ausüben könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auch das Berufungsgericht prüfte die Verweisbarkeit des Klägers nach § 273 ASVG und führte aus, dass der Beruf des Personenschützers als zuletzt ausgeübter Beruf das Verweisungsfeld bestimme. Bei der Beurteilung möglicher Verweisungsberufe sei auf eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten abzustellen. Der Versicherte müsse sich in diesem Rahmen auch auf andere, geringere Anforderungen stellende Berufe verweisen lassen, sofern damit nicht ein unzumutbarer sozialer Abstieg verbunden ist. Ein solcher Abstieg sei bei der Verweisung auf wertigkeitsmäßig in die Beschäftigungsgruppen 2 oder 3 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte eingestufte Aufsichtstätigkeiten auf gehobenem Niveau zu verneinen. Überdies könnte der Kläger auch als Sicherheitsbeauftragter arbeiten, bei welchem Beruf ihm seine Kenntnisse zugutekämen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Kläger ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

In seinem Rechtsmittel macht der Kläger im Wesentlichen weiterhin geltend, wenngleich es für seine Tätigkeit in der Terrorismusabwehr als Sicherheitsbeauftragter zentraler jüdischer Einrichtungen keinen festgelegten Ausbildungsweg gebe, bestehe für diese Tätigkeit sowohl in körperlicher als auch in geistiger Hinsicht ein hochspezifisches Anforderungsprofil. Als qualifizierter Arbeitnehmer müsse er sich aber nur auf Tätigkeiten in derselben Berufsgruppe verweisen lassen. Es sei deshalb eine Verweisung nur auf tatsächlich verwandte Tätigkeitsbereiche zulässig, wie zB auf die Ausbildung von Sicherheitspersonen zur Terrorismusbekämpfung. Der Beruf eines Portiers oder portierähnliche Tätigkeiten hätten mit den typischen Qualifikationen eines Personenschützers und den dabei benötigten Kenntnissen und Fähigkeiten wie geistige/psychische und körperliche Fitness, perfekter Umgang mit Waffen etc nichts gemeinsam.

Dazu wurde erwogen:

1. Es entspricht der seit SSV-NF 2/71 ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Eintritt des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit ausschließlich nach der tatsächlichen Tätigkeit des Versicherten zu beurteilen ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob er als Arbeiter oder Angestellter eingeordnet war, sondern ob er Arbeiter- oder Angestelltentätigkeiten verrichtet hat (SSV-NF 2/71; RIS-Justiz RS0083723). Für die Entscheidung über das Klagebegehren auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ist daher ausschlaggebend, ob der Kläger Angestelltentätigkeiten iSd § 1 Abs 1 AngG verrichtet hat (10 ObS 205/98i). In diesem Fall wäre seine Berufsunfähigkeit nach § 273 ASVG zu prüfen, andernfalls wäre sie nach dem Invaliditätsbegriff des § 255 ASVG zu beurteilen (SSV-NF 12/101).

2. Schon aus dem Vorbringen des Klägers zum Inhalt seiner Tätigkeit ergeben sich im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass eine der faktischen Versicherung als Angestellter nicht entsprechende Tätigkeit ausgeübt wurde. So bringt er vor, seine Tätigkeit habe in erster Linie aus körperlichem Einsatz bestanden und habe Kraft, Stehvermögen und Reaktionsschnelligkeit verlangt; ferner behauptet er die Gleichwertigkeit seiner in Israel absolvierten Ausbildung mit einem (österreichischen) Lehrberuf. Das Gericht hätte daher die Frage, ob der Kläger zuletzt nicht nur vorübergehend Angestelltentätigkeiten oder eine Arbeitertätigkeit nach § 255 ASVG verrichtet hat, von Amts wegen zu prüfen und mit den Parteien zu erörtern und darüber Feststellungen zu treffen gehabt. Dennoch gingen die Vorinstanzen ohne weitere Erörterung mit den Parteien und ohne Feststellungen zum konkreten Tätigkeitsinhalt davon aus, dass der Kläger inhaltlich eine Angestelltentätigkeit verrichtet hat und gelangten zu Verweisungstätigkeiten, die - nach dem Vorbringen des Revisionswerbers - nicht der selben Berufsgruppe zuzurechnen sind.

3.1. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der Kläger Angestellten- oder Arbeitertätigkeiten verrichtet hat; dabei ist die Definition des § 1 Abs 1 AngG heranzuziehen. Diese Regelung umschreibt Angestelltentätigkeiten als vorwiegend kaufmännische Dienste, höhere nicht kaufmännische Dienste oder Kanzleiarbeiten. Dass der Kläger keine kaufmännischen Tätigkeiten oder Kanzleiarbeiten verrichtet hat, bedarf keiner weiteren Begründung. Als höhere nicht kaufmännische Dienstleistung kommt nach der Rechtsprechung jede Arbeit in Betracht, die in Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, das Vertrautsein mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung derselben verlangen, also nicht rein mechanisch ausgeübt werden kann. Sie muss wesentlich über den Durchschnitt einer Arbeiter- oder gar Hilfsarbeitertätigkeit hinausgehen und ist in der Regel nicht rein manueller Natur (8 ObA 36/97w mwN; Drs in ZellKomm § 1 AngG Rz 22 mwN). Typischerweise leisten Akademiker zB Konzipienten, Turnusärzte, Apothekenaspiranten, weiters technische Zeichner oder Orchestermusiker höhere Dienste (Drs aaO Rz 25 mwN). Grundlage der Beurteilung, ob höhere nichtkaufmännische Tätigkeiten iSd § 1 Abs 1 AngG verrichtet werden, bilden Tatsachenfeststellungen über die Art der konkret ausgeübten Tätigkeit, deren Inhalt und den Umfang der verlangten Kenntnisse und Fähigkeiten. Die bisher getroffenen Feststellungen zum konkreten Tätigkeitsinhalt beschränken sich jedoch im Wesentlichen auf die abstrakte Berufsbezeichnung „Personenschützer“. Da der Kläger aber selbst vorgebracht hat, seine Tätigkeit habe überwiegend körperlichen Einsatz erfordert, ist im Sinne der oben dargelegten Grundsätze im derzeitigen Verfahrensstadium davon auszugehen, dass er keine höheren nichtkaufmännischen Dienste iSd § 1 Abs 1 AngG geleistet hat; dies selbst dann, wenn sein Aufgabengebiet neben der Bewachungstätigkeit auch das Erstellen einfacher vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen umfasst haben sollte, wie das Aufspüren von Gefahrenquellen, das Inspizieren von Fahrtstrecken oder die Zusammenstellung alternativer Fahrtrouten für tagtägliche Fahrten (siehe Berufslexikon des AMS-Bereich Sonstige Berufe Bodyguard: PersonenschützerIn, LeibwächterIn).

4. Sollte demnach § 255 ASVG zur Anwendung kommen, ist im Hinblick auf das bisher erstattete Vorbringen schon jetzt auszuführen:

4.1. Ob ein Versicherter Berufsschutz genießt, ist in allen Fällen, in denen ausgehend vom Bestehen eines Berufsschutzes die Verweisbarkeit in Frage steht, unbedingte Entscheidungsvoraussetzung. Wenn nach dem Inhalt des Vorbringens darüber keine Klarheit besteht und nach der Aktenlage nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden kann, dass der Versicherte als einfacher Hilfsarbeiter tätig war, hat das Gericht aufgrund der Bestimmung des § 87 Abs 1 ASGG diese Frage von Amts wegen zu prüfen und hierüber Feststellungen zu treffen (RIS-Justiz RS0084428).

4.2. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers er verfüge über eine einem (österreichischen) Lehrberuf gleichwertige im Ausland absolvierte Militärausbildung und sei seit 1984 (somit schon vor den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag) bei der Israelitischen Kultusgemeinde als „qualifizierter Personenschützer“ tätig gewesen, ist zu beurteilen, ob er einen erlernten (angelernten) Beruf iSd § 255 Abs 2 ASVG ausgeübt hat.

4.3. Grundsätzlich können nur österreichische Lehrabschlüsse die Voraussetzung des § 255 Abs 1 ASVG erfüllen. Da ein Lehrberuf „Personenschützer“ in Österreich nicht existiert, stellt sich auch die Frage einer Gleichstellung eines etwaigen ausländischen Lehrabschlusses gemäß § 27a BAG nicht.

4.4. Ein Berufsschutz käme daher nur über die Anlernqualifikation des § 255 Abs 2 ASVG in Betracht (RIS-Justiz RS0114289; Sonntag in Sonntag, ASVG2, § 255 Rz 72). Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf iSd Abs 1 vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Allein die mit einer Tätigkeit verbundene Verantwortung (hier: der Schutz zentraler jüdischer Einrichtungen vor terroristischen Angriffen) qualifiziert demnach eine Tätigkeit nicht zu einem angelernten Beruf, ebenso nicht eine dazu erforderliche - mit einer Lehrzeit nicht zu vergleichende - Einschulungszeit (RIS-Justiz RS0084506).

Ein angelernter Beruf kann aber auch dann vorliegen, wenn es - wie im vorliegenden Fall - keinen gleichartig gesetzlich geregelten Lehrberuf gibt, die vom Versicherten verrichtete Tätigkeit nach den für sie in Betracht kommenden Voraussetzungen im Allgemeinen jedoch eine ähnliche Summe besonderer Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, wie die Tätigkeiten in einem erlernten Beruf (RIS-Justiz RS0084433 [T8]). Im bisherigen Verfahren fehlen aber Feststellungen darüber, ob die konkrete Tätigkeit des Klägers in ihrer Gesamtheit Kenntnisse und Fähigkeiten erforderte, die in ihrem Umfang einem Lehrberuf entsprechen. Gegebenenfalls werden Feststellungen zu treffen sein, in welchem Umfang der Kläger über einschlägige Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt und ob und inwieweit diese hinter den in der Praxis verlangten Kenntnissen und Fähigkeiten zurückbleiben (10 ObS 267/02s).

4.5. Sollte der Kläger Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG genießen und wäre daher sein Anspruch auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen, so könnte er nach ständiger Rechtsprechung nur auf Berufstätigkeiten verwiesen werden, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie der von ihm ausgeübte Beruf erfordern, wobei der Berufsschutz hiedurch nicht verloren gehen darf (SSV-NF 5/40 mwN ua). Die Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen wird, muss daher eine Tätigkeit in dem angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 und 2 ASVG sein. Entscheidend für eine zulässige Verweisung ist nach ständiger Rechtsprechung, dass sich die Teiltätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden soll, qualitativ hervorhebt und nicht bloß untergeordnet ist. Die Teiltätigkeit muss noch als Ausübung des angelernten Berufs angesehen werden können, was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn ein Kernbereich der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei Ausübung der Teiltätigkeit verwertet wird. Auch der Wechsel eines qualifizierten Facharbeiters in eine Angestelltentätigkeit führt dann zu keinem Verlust des Berufsschutzes, wenn eine entsprechende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf besteht (SSV-NF 15/107 ua). Im Hinblick auf die ähnlichen Ausbildungs- sowie Berufsanforderungen in den Berufen „Bodyguard-PersonenschützerIn, LeibwächterIn“ einerseits und „Detektiv“ andererseits, wäre allenfalls zu prüfen, ob eine Verweisbarkeit auf (spezialisierte) Detektivberufe gegeben sein könnte.

5. Sollte die noch zu treffenden Tatsachenfeststellungen hingegen zu der Beurteilung führen, dass der Kläger keinen angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 und 2 ASVG ausgeübt hat, wäre das Verweisungsfeld mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt ident (SSV-NF 6/12 ua). Die in § 255 Abs 3 ASVG enthaltene „ Zumutbarkeitsformel“ soll nur in den Ausnahmefällen eine Verweisung verhindern, die bei Berücksichtigung der schon ausgeübten Tätigkeiten als unbillig bezeichnet werden müsste (SSV-NF 2/34, 6/12 ua). Sollte dem Kläger kein Berufsschutz zukommen, bestünde deshalb kein Hindernis, ihn auf Tätigkeiten zu verweisen, die den bisher ausgeübten unähnlich sind.

6. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren vor allem aber einmal eine ausdrückliche Feststellung darüber zu treffen haben, ob der Kläger aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit weiterhin ausüben kann, da sich ansonsten die Beantwortung der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 273 ASVG oder § 255 ASVG erübrigen würde. Weiters erweisen sich konkrete Tatsachenfeststellungen über die Art der von ihm ausgeübten Tätigkeit, deren Inhalt sowie über den Umfang der von den jeweiligen Dienstgebern verlangten Kenntnisse und Fähigkeiten als erforderlich. Sollte eine Arbeitertätigkeit gegeben sein, wären Feststellungen darüber nötig, ob die konkrete Tätigkeit in ihrer Gesamtheit Kenntnisse und Fähigkeiten erforderte, die in ihrem Umfang einem Lehrberuf entsprechen. Gegebenenfalls werden Feststellungen zu den einschlägigen Kenntnissen und Fähigkeiten zu treffen sein, über die der Kläger verfügt. In jedem Fall wäre zu prüfen, ob und welche adäquaten Verweisungstätigkeiten für den Kläger trotz seiner medizinischen Einschränkungen noch in Frage kommen.

Im Hinblick auf diese Feststellungsmängel erweist sich die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen als unumgänglich.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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