OGH 7Ob174/11f

OGH7Ob174/11f28.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** KG, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in Melk, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel, Dr. Ernst Eypeltauer und MMag. Arnold Gigleitner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 68.118,22 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Juli 2011, GZ 6 R 227/11m-12, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin führte im Auftrag der Beklagten Starkstrominstallationen bei einem Bauvorhaben durch. Zwischen den Parteien wurde die Anwendung der ÖNORM B 2110 vereinbart, deren Punkt 5.30.2 lautet:

„Annahme der Zahlung, Vorbehalt

Die Annahme der Schlusszahlung auf Grund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist, oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von drei Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages.“

Die Klägerin begehrte mit der am 4. 11. 2010 eingebrachten Klage 68.118,22 EUR an Mehrkosten, die ihr durch eine der Beklagten zuzurechnende Bauverzögerung für die längere Baustelleneinrichtung und die damit verbundenen höheren Kosten für Geräte und Personal entstanden seien. Die Klägerin hatte in der am 8. 7. 2010 bei der Beklagten eingelangten Schlussrechnung diese Kosten ganz bewusst noch nicht geltend (und diesbezüglich auch keinen Vorbehalt) gemacht, weil die Beklagte die Bezahlung dieser Kosten zuvor wiederholt abgelehnt hatte und die Klägerin den unstrittigen Werklohn sofort erhalten wollte.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, mangels eines Vorbehalts in der Schlussrechnung im Sinn des Punktes 5.30.2 der ÖNORM B 2110 sei die Geltendmachung einer nachträglichen Forderung ausgeschlossen.

Das Erstgericht teilte diese Rechtsansicht und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Der Oberste Gerichtshof habe zu mit der strittigen Klausel im Wesentlichen übereinstimmenden ÖNORM-Bestimmungen bereits wiederholt dargelegt, dass die Klausel zwei verschiedene Tatbestände erfasse: 1. den Fall, dass der Auftragsnehmer - bewusst oder unbewusst - in der Schlussrechnung nicht alle Forderungen geltend gemacht habe, wobei der Vorbehalt dann schon in die Schlussrechnung aufgenommen werden müsse, und 2. jenen Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornehme und entsprechend weniger bezahle. Die sachliche Rechtfertigung dafür liege im Zweck der Bestimmung, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit zu klären. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich an der beispielhaft zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren habe können und keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen sei.

Die Klägerin vertritt in der außerordentlichen Revision weiterhin die Ansicht, dass ihr zur Geltendmachung der Klagsforderung nach der betreffenden Klausel der ÖNORM B 2110 eine Frist von 3 Monaten nach Erhalt der Zahlung zur Verfügung gestanden sei; durch Einbringung der Klage sei diese Frist gewahrt worden. In der Zulassungsbeschwerde macht die Klägerin vor allem geltend, die hier zu beurteilende Klausel unterscheide sich von den vom Obersten Gerichtshof beurteilten Klauseln durch die Beifügung des letzten Satzes. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Klausel so interpretiert werden könne wie die Bestimmungen in den vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fällen. Dies sei nicht der Fall, da dann der Zusatz sinnentleert wäre. Einen weiteren Grund für die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision stelle die Weigerung des Berufungsgerichts dar, die geltend gemachten Ansprüche auch unter dem Titel des Schadenersatzes zu prüfen.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf: Die zu beurteilende Klausel unterscheidet sich von der vom Obersten Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 7 Ob 68/98w und 8 Ob 141/07d interpretierten, sonst völlig wortgleichen Klausel Punkt 2.13.2 der ÖNORM A 2060 nur durch den beigefügten letzten Satz. Dass sich dieser - wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt - nur auf den (zweiten) Fall bezieht, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornimmt und entsprechend weniger bezahlt, liegt auf der Hand. Hätte der Normgeber, dem die Kenntnis der einschlägigen oberstgerichtlichen Judikatur zu den genannten Bestimmungen zu unterstellen ist, durch die Beifügung dieses Satzes eine Änderung dahingehend beabsichtigt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden der Vorbehalt nicht schon in die Schlussrechnung aufgenommen werden müsste, hätte er dies zweifellos spätestens bei den letzten neuen Ausgaben der ÖNORM B 2110 vom 1. 3. 2000 und 1. 1. 2009 (nunmehr Punkt 8.4.2) klar zum Ausdruck gebracht. Es besteht daher kein Anlass, von der bisherigen, gesicherten Judikatur abzugehen. Auch in der Entscheidung 7 Ob 208/07z, in der ebenfalls Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 auszulegen war, wurde die erwähnte Bestimmung der ÖNORM B 2060 als vergleichbar bezeichnet und an die daher weiter einschlägige oberstgerichtliche Judikatur zu dieser Bestimmung angeknüpft. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist in diesem Zusammenhang daher nicht zu beantworten.

Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich aber entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch nicht insoweit, als diese den zwischen den Streitteilen mit der betreffenden Klausel vereinbarten Ausschluss der nachträglichen Geltendmachung der klagsgegenständlichen Ansprüche dadurch zu vermeiden versucht, dass sie sich - ungeachtet des Umstands, dass die Klagsforderung Umsatzsteuer beinhaltet - (auch) auf Schadenersatz stützen will. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Forderung nach § 1168 ABGB (die darauf beruht, dass hindernde Umstände auf Seiten des Bestellers den Unternehmer zu höheren Aufwendungen zwingen) ein Entgeltsanspruch und kein Schadenersatzanspruch ist (RIS-Justiz RS0021875; vgl auch RS0021825). Nach herrschender Meinung sind allgemeine schuldrechtliche Grundsätze auf den Werkvertrag nur anzuwenden, soweit nicht werkvertragliche Sonderbestimmungen eine abschließende Regelung treffen (1 Ob 642/90 SZ 64/71 mwN ua). Auch in diesem Punkt folgt die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts demnach oberstgerichtlicher Judikatur. Für zusätzliche Aufwendungen wäre der Klägerin nach § 1168 ABGB ein entsprechendes Entgelt zugestanden. Da sie einen diesen Entgeltsanspruch wahrenden Vorbehalt in der Schlussrechnung unterließ, ist sie für einen ihr dadurch allenfalls entstandenen Schaden selbst verantwortlich.

Die mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes unzulässige außerordentliche Revision ist zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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