OGH 15Os111/11d

OGH15Os111/11d21.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen ***** W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung der Privatbeteiligten ***** M***** gegen das Urteil des Landesgerichts ***** als Schöffengericht vom 4. März 2011, GZ 40 Hv 17/10y-61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung werden zurückgewiesen.

Der Privatbeteiligten fallen die durch ihr Rechtsmittel erwachsenen Kosten des Verfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** W***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 7. November 2009 in ***** M***** mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich des Oralverkehrs an ihm und der digitalen Analpenetration, genötigt, indem er ihre Oberschenkel mit Körperkraft auseinander und sie am Oberkörper rückwärts auf das Bett drückte, sie an der nackten Scheide anfasste, sie anschließend am Nacken packte, ihr Gesicht mit Körperkraft zu seinem Penis drückte, diesen in ihren Mund einführte und ihren Kopf auf und ab bewegte, sich anschließend hinter sie kniete und sie an ihren Hüften packte, diese hochzog, mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang und den Beischlaf vollzog sowie zumindest einen Finger in ihren After einführte, wobei er sie weiterhin an der Hüfte festhielt, und hiedurch das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB begangen (zum verfehlten Anführen der rechtlichen Kategorie vgl RIS-Justiz RS0120128; Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1; Danek, WK-StPO § 270 Rz 19), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Privatbeteiligte ***** M***** wurde gemäß § 366 Abs 1 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch mit einer auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, während die Privatbeteiligte gegen diesen aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO Nichtigkeitsbeschwerde sowie eine (ersichtlich gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche bloß angemeldete) Berufung (S 3 in ON 60) erhebt.

Das zuletzt bezeichnete Rechtsmittel war als unzulässig zurückzuweisen, weil es im Falle der Verweisung auf den Zivilrechtsweg gemäß § 366 Abs 1 StPO zufolge § 283 Abs 4 letzter Satz iVm § 366 Abs 3 StPO von der Prozessordnung nicht eingeräumt wird (vgl Spenling, WK-StPO § 366 Rz 17).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Nach tatrichterlicher Überzeugung war nicht feststellbar, ob dem Angeklagten bei den sexuellen Handlungen „der entgegenstehende Wille“ der ***** M*****, „insbesondere ein Wegdrücken und Wegrutschen, als Gegenwehr“ erkennbar war (US 6 f, s auch S 13 zweiter Absatz, 24 zweiter Absatz). In diesem Zusammenhang ging das Erstgericht auch davon aus, dass er ein von ihr geäußertes „nein“ nicht vernahm. Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider blieben diese schöffengerichtlichen Annahmen nicht unbegründet, sondern wurden - im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen - vor allem aus folgenden Überlegungen abgeleitet:

Der Zeugin M***** wurde zwar insoweit Glauben geschenkt, dass sie die sexuellen Handlungen als erzwungen erlebte, als nicht nachvollziehbar erachtete das Erstgericht jedoch ihre Behauptung, der Grund für das nächtliche Aufsuchen des Zimmers des Angeklagten sei in der einzigen Möglichkeit für ein klärendes Gespräch gelegen, zumal es seit März 2009 vermehrt Kontakte gegeben habe, die jedoch allesamt nicht zur Klärung beigetragen hätten, und M***** bekannt gewesen sei, dass der Angeklagte nach wie vor auf einer Entschuldigung beharrt hätte (US 13 f). Ihre Annahmen gründeten die Tatrichter weiters auf die im Einzelnen geschilderte, im Lauf der Zeit erfolgte Steigerung der gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe (US 14), die Angaben der Privatbeteiligten zu der früheren, mit dem Angeklagten unterhaltenen sexuellen Beziehung, den gepflogenen Sexualpraktiken, ihre Aussage, anlässlich der in Rede stehenden Übergriffe wie gelähmt gewesen zu sein, und den Umstand, dass sie die Frage, ob ihrer Meinung nach für den Angeklagten ihre Ablehnung ersichtlich gewesen sei, nicht beantwortete, sondern ausführte, dass es sich in dieser Nacht nicht um Sex, sondern um totale Unterwerfung gehandelt habe (US 15).

In der Hauptverhandlung wurde ein von M***** anlässlich eines Gesprächs mit dem Angeklagten am 22. Jänner 2010, bei dem sie ihn mit den von ihr erhobenen Vorwürfen konfrontierte, aufgenommenes Tonband über Antrag des Privatbeteiligtenvertreters abgespielt, aufgrund der schweren Verständlichkeit aber „nicht bis ganz zum Ende“, wobei eine Konkretisierung im Protokoll unterblieb. Daraufhin legte der Privatbeteiligtenvertreter eine Abschrift der Tonbandaufnahme vor, die als Beilage ./N zum Akt genommen wurde (S 107 in ON 59).

Nicht zuletzt diese Aufzeichnung weckte beim Schöffensenat Zweifel, ob dem Angeklagten der entgegenstehende Wille M*****s erkennbar war, wobei sich die Tatrichter auch auf Passagen der Aufnahme stützten, die in der Abschrift fehlten oder falsch wiedergegeben waren (US 22 f).

Der in der Mängelrüge erhobene Einwand, das Erstgericht habe sich in seiner Beweiswürdigung pauschal auf die gesamte Tonaufnahme gestützt und damit ein Beweismittel berücksichtigt, das in der Hauptverhandlung nicht (zur Gänze) vorgekommen sei, scheitert bereits an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung (§ 285a Z 2 StPO) einer nicht in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO), dessen ungeachtet aber verwerteten Passage des vorgeführten Beweismittels. Es wäre überdies Sache der Beschwerdeführerin gewesen, von ihrem Recht, nach § 271 Abs 1 zweiter Satz StPO auf Klarstellung des Protokollsinhalts anzutragen, Gebrauch zu machen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 462).

Zu einer Protokollierung des Inhalts der vorgeführten Aufnahme oder der zum Transkript bestehenden Abweichungen war das Gericht der Beschwerde zuwider nicht verhalten (Danek, WK-StPO § 271 Rz 18).

Der Vorwurf der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Urteil enthalte keine Feststellungen, ob der Angeklagte - neben dem Versuch der Privatbeteiligten, ihn wegzudrücken bzw von ihm wegzurutschen - den Umstand, dass sie ihre Beine zusammenpresste, als Gegenwehr erkannte, orientiert sich nicht am gesamten Urteilssachverhalt, wonach für den Angeklagten der entgegenstehende Wille M*****s, „insbesondere“ (gemeint: zum Ausdruck gebracht durch) ein Wegdrücken und Wegrutschen als Gegenwehr, nicht erkennbar gewesen sei (US 6 letzter Absatz). Damit wird - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - unmissverständlich deutlich, dass trotz aller im vorhergehenden Absatz (US 6 erster Absatz) erwähnter ablehnender Gesten, also auch des Zusammenpressens der Beine, das Erkennen von Gegenwehr nicht festgestellt werden konnte.

Der Einwand, bei zusammengepressten Beinen hätte der Angeklagte nicht an die nackte Scheide der Privatbeteiligten greifen können, verfehlt neuerlich den Urteilsbezug, weil die erwähnte Berührung vor dem Zusammenpressen der Beine erfolgte (US 6 erster Absatz).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Privatbeteiligten ***** M*****:

Dem Antrag der Privatbeteiligten, ein Tonband über ein Gespräch zwischen ihr und dem Angeklagten vom 22. Jänner 2010 im Wesentlichen als Beweis dafür zuzulassen, dass sie ihn mit den Vorgängen in der Klausur konfrontiert und er sich für die Vergewaltigung entschuldigt habe (S 104 f in ON 59), wurde vom Schöffensenat stattgegeben, worauf sie ihr Begehren dahin ergänzte, dass das vorgelegte Tonband abgespielt werde (S 107 in ON 59).

Anschließend kam es - dem Zwischenerkenntnis entsprechend - zur Wiedergabe der Tonaufzeichnung, aufgrund der schweren Verständlichkeit aber „nicht bis ganz zum Ende“. Sodann legte der Privatbeteiligtenvertreter eine Abschrift der Aufnahme vor, die als Beilage ./N zum Akt genommen wurde (S 107 in ON 59). In Bezug auf den nicht abgespielten Teil des Tonbands wurden keine weiteren Anträge gestellt (vgl S 113 in ON 59).

Die Verfahrenrüge (Z 4) scheitert mit ihrem Einwand, dem stattgegebenen Beweisantrag sei nicht vollständig entsprochen worden, an dem für Antragsteller geltenden Erfordernis, im Falle fehlender oder unvollständiger Effektuierung einer schon beschlossenen Beweisaufnahme deren Umsetzung zu verlangen, um in Hinsicht auf die Entscheidung über dieses Begehren zur Anfechtung berechtigt zu sein (vgl Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 36a; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 317; RIS-Justiz RS0117404).

Soweit die Privatbeteiligte die Verwertung nicht in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweismittel rügt, bringt sie der Sache nach eine Mängelrüge zur Darstellung; zu einer solchen ist sie jedoch gemäß § 282 Abs 2 StPO nicht legitimiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte