OGH 5Ob143/11g

OGH5Ob143/11g25.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1.) Dr. Rudolf S*, 2.) Dr. Rudolf Johannes S*, vertreten durch Schöpf Maurer & Bitschnau, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1.) Herbert H*, 2.) Elfriede S*, 3.) Christian S*, ebendort, 4.) Marianne P*, vertreten durch Dr. Johannes Eckschlager, Rechtsanwalt in Salzburg, 5.) Wolfgang S*, 6.) Mag. Rizumu S*, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Dr. Robert Hubner, Dr. Robert Krivanec und Dr. Günther Ramsauer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 WEG, über die Revisionsrekurse der Viert‑ und Sechstantragsgegnerinnen gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. April 2011, GZ 22 R 105/11m‑39, womit infolge der Rekurse der Viert‑ und Sechstantragsgegnerinnen der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. Dezember 2010, GZ 18 Msch 10/09f‑29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:E98621

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Sämtliche Verfahrensbeteiligte sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 506 GB *, worauf das Wohnhaus * errichtet ist (zur Aktualisierungspflicht im Kopf der Entscheidung s 5 Ob 85/11b). Das Haus besteht aus einem Kellergeschoss, einem Erdgeschoss und zwei Obergeschossen sowie einem Dachgeschoss. Die Geschosse werden durch ein allgemeines Stiegenhaus verbunden. Bei dem Haus handelt es sich um ein architektonisch anspruchsloses Mehrparteienhaus mit einer beige gefärbelten Hausfassade.

Im Objekt Top 4, das als „Ordination“ gewidmet ist, wird vom Erstantragsteller eine Zahnarztpraxis betrieben. Ob dies auch in Top 5 der Fall ist, welche im Wohnungseigentum des Zweitantragstellers steht und ob auch der Zweitantragsteller eine Zahnarztpraxis betreibt, steht nicht eindeutig fest.

Von allen Verfahrensparteien leben nur die Viert‑ und Sechstantragsgegnerinnen auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft.

Im Oktober 2004 wurde im Rahmen einer Eigentümerversammlung ein Bauansuchen des Erstantragstellers erörtert, worin die Errichtung eines Liftanbaus an das Gebäude unmittelbar an der Hausfassade am linken Rand des Hauses geplant war, um einen ungehinderten barrierefreien Zugang zur betriebenen Zahnarztordination zu gewährleisten. Der Erstantragsteller erklärte, sämtliche Kosten der Errichtung und Erhaltung ausschließlich zu tragen. Über eine bestimmte Farbgebung des Anbaus wurde nicht gesprochen. Sämtliche damaligen Mit‑ und Wohnungseigentümer stimmten der Errichtung dieses Liftanbaus zu.

Ein im Umlaufverfahren gefasster Beschluss sämtlicher Wohnungseigentümer vom 19. 11. 2004, wonach auf Kosten des Erstantragstellers ein Lift, auf jeweils eigene Kosten der Wohnungseigentümer Balkone und auf Kosten der Eigentümergemeinschaft neun Abstellplätze errichtet werden sollten, wurde im Verfahren 16 Msch 28/04f in erster Instanz aufgehoben, im Rekursverfahren hingegen der Antrag, den Beschluss für rechtsunwirksam zu erklären, abgewiesen. In einem weiteren Verfahren 18 Msch 4/05t des Bezirksgerichts Salzburg wurde ein Antrag, denselben Beschluss für rechtswirksam zu erklären, rechtskräftig abgewiesen.

Mit baubehördlichem Bescheid wurde das Baubewilligungsansuchen vom November 2004 zur Errichtung des Aufzugsschachts und von vier Balkonen im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass diese beabsichtigten Baumaßnahmen über die Bauplatzgrenze hinaus führten und eine erforderliche Bauplatzabänderung nicht erwirkt worden sei.

Bei der ursprünglichen Planung, der alle Mit‑ und Wohnungseigentümer zustimmten, war die Belassung der im westlichen Grenzbereich befindlichen drei Bäume zur * hin vorgesehen.

Als die Sechstantragsgegnerin ihre Mit‑ und Wohnungseigentumsanteile an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 20. 2. 2006 erwarb, wurde sie im Kaufvertrag auf die ursprünglich geplante Errichtung des Aufzugsanbaus hingewiesen. Sie nahm die von der Verkäuferin erteilte Zustimmung zu dieser Maßnahme als Rechtsnachfolgerin zustimmend zur Kenntnis.

Im August 2008 ließen die Antragsteller, ohne die Eigentümergemeinschaft nochmals zu befassen und deren Zustimmung einzuholen, ein Aufzugsgebäude an einer anderen Stelle und in einer anderen Ausführungsart errichten. Es wurde in einem Tiefenabstand zur Fassade von 1,60 m unmittelbar vor dem 90 cm breiten Hauseingang errichtet, ist 2,4 m lang und 2,20 m breit. Der Anbau weist eine Höhe bis zur Oberkante des ersten Obergeschosses auf. Die nach außen gerichteten Fassadenbereiche wurden dabei ‑ entsprechend der corporate identity der Zahnarztordination des Erstantragstellers - in einem auffälligen Blauton gefärbelt, während die übrigen Mauern des Hauses eine weiße Farbe aufweisen. Die Lifttür befindet sich vis‑a‑vis der Hauseingangstüre. Der Lift ist als Zugang zur Ordination beschildert und kann nur von dieser aus geöffnet und in Betrieb genommen werden. Auf Höhe des ersten Obergeschosses wurde ein Mauerdurchbruch in den allgemeinen Gangbereich vorgenommen, nämlich direkt oberhalb des Hauseingangs und ein Übergang von 1,60 m zum Liftausgang geschaffen. Durch diesen Lift ist nunmehr ein barrierefreier Zugang in die Zahnarztordination des Erstantragstellers gewährleistet.

Der Zutritt in das Wohnhaus durch die 90 cm breite Haustür wird durch die Situation und Ausgestaltung des Liftzubaus in Entfernung von 1,6 m davor nicht negativ beeinträchtigt, wenn man für größere Transporte (Kranken‑und Möbeltransporte) den vorhandenen Lift bis in das erste Obergeschoss heranzieht oder die Lifttür zur Vergrößerung des Abstands öffnet.

Die Kosten für die Errichtung dieses Anbaus samt Lift trug der Erstantragsteller. Er hat auch die Bereitschaft erklärt, sämtliche damit im Zusammenhang stehende Kosten wie Instandhaltung, Reparatur, Reinigung etc zu tragen.

Die Sechstantragsgegnerin erhob zu 11 C 1716/08h des Bezirksgerichts Salzburg gegen den Erstantragsteller eine Eigentumsfreiheitsklage, weil dieser nicht berechtigt sei, ihr (Mit‑)Eigentum durch die Errichtung der Aufzugsanlage zu stören. Er sei schuldig, die durch die eigenmächtige Bauführung herbeigeführten Änderungen zu beseitigen. Dieses Verfahren ist unterbrochen.

Aufgrund eines vom Erstantragsteller bzw dessen Architekten erwirkten Bescheids des Magistrats Salzburg wurden die auf der Liegenschaft im westlichen Eckbereich befindlichen zwei Kiefern und eine Fichte gefällt. Zur Begründung führte die Naturschutzbehörde aus, dass die Fällung der Bäume zur Errichtung geplanter Parkplätze und aufgrund unmittelbarer Beschädigung von Randstein und Asphalt erforderlich sei und trug eine Ersatzpflanzung auf.

Nunmehr befindet sich dort eine asphaltierte Fläche, auf der PKWs abgestellt werden können.

Es steht nicht fest, dass die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft an diesem (Naturschutz‑)Verfahren beteiligt waren.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag begehrte zunächst der Erstantragsteller und im Weiteren auch der Zweitantragsteller die Zustimmung der Antragsgegner zu den bereits durchgeführten Baumaßnahmen zu ersetzen. Primär vertraten die Antragsteller den Standpunkt, die Antragsgegner, insbesondere die widersprechenden Zweit‑ und Viertantragsgegnerinnen, hätten durch die im Jahr 2004 erteilte Zustimmung zur Errichtung eines Aufzugs auch der geänderten Ausführung zugestimmt. Unabhängig davon seien sie jedenfalls zur Zustimmung zum durchgeführten Bau verpflichtet. Sie hätten, weil die Antragsteller sämtliche Kosten der Erhaltung und Errichtung trügen, keinerlei Nachteile. Weder eine Schädigung des Hauses noch irgendeine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer sei mit dieser Maßnahme verbunden, wohingegen sie einem wichtigen Interesse des Erstantragstellers diene, weil er dadurch beträchtliche Vorteile ziehe. Er könne nun endlich auch Rollstuhlfahrer und behinderte und betagte Menschen behandeln. Die Ausgestaltung einer Zahnarztordination mit einem behindertengerechten Zugang entspreche dem heutigen Standard.

Viert‑ und Sechstantragsgegnerinnen beantragten die Abweisung des Begehrens. Der Realisierung des Aufzugs in der nun ausgeführten Form hätten sie nicht zugestimmt. Im Hinblick auf die Lage des Aufzugsschachts unmittelbar vor dem Hauseingang und die deutliche Vergrößerung der in Anspruch genommenen Bodenfläche hätte der Antragsteller neuerlich einer Zustimmung der restlichen Mit‑ und Wohnungseigentümer zu dieser geänderten Variante bedurft. Ihre Beeinträchtigung liege darin, dass das Betreten des Hauses für Transporte, eventuell Krankentransporte, nicht mehr ungehindert möglich sei, weil der Aufzugsschacht unmittelbar vor dem Hauseingang situiert sei. Auch seien sie durch die Beseitigung der an der Grundstücksgrenze zu einer befahrenen Straße hin vorhandenen Bäume beeinträchtigt. Erst durch die geänderte Bauführung der Antragsteller sei es erforderlich geworden, zur Errichtung weiterer fünf Parkplätze diese Freifläche in Anspruch zu nehmen. Der Antragsteller habe ohne Befragung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer und ohne deren Zustimmung die Bäume fällen lassen. Darüber hinaus sei die Färbelung des Aufzugsschachts in einem Signalblau der Fassade des Hauses nicht angepasst und störe das äußere Erscheinungsbild des Hauses erheblich.

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen ersetzte das Erstgericht die Zustimmung der Antragsgegner zur Duldung des von den Antragstellern errichteten Aufzugsgebäudes samt Lift. Das Erstgericht erkannte, dass die tatsächliche Ausgestaltung des Liftanbaus nicht von einer Zustimmung der Mit‑ und Wohnungseigentümer getragen sei, sodass es tatsächlich einer Ersetzung derer Zustimmung bedürfe. Allerdings würden schutzwürdige Interessen der Antragsgegner durch den Bau tatsächlich nicht beeinträchtigt. Der Zu‑ bzw Eingang in das Haus sei durch den Anbau nicht eingeschränkt, wohingegen es einem wichtigen Interesse der Antragsteller diene, die von ihnen betriebene Ordination auch für behinderte Menschen zugänglich zu machen. Das Erstgericht verneinte auch, dass durch die Art des Zubaus und dessen Farbgebung die äußere Erscheinung des Hauses beeinträchtigt worden sei. Infolge der anspruchslosen Fassade führe eine solche farbliche Gestaltung zu keinem Stilbruch. Solche Änderungen seien im Geschäftsverkehr allgemein üblich und entsprächen der Übung des Verkehrs.

Dem dagegen von den Viert‑ und Sechstantragsgegnerinnen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es verneinte zunächst eine von den Rekurswerberinnen gerügte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses, weil dort irrtümlicherweise nur der Erstantragsteller im Kopf der Entscheidung aufscheine; nur versehentlich sei die Nennung des Zweitantragstellers unterblieben, was das Rekursgericht im Rahmen einer Maßgabebestätigung berichtigte. Herbert H*, der während des Verfahrens die Liegenschaftsanteile der früheren Erstantragsgegnerin erworben habe, sei dem Verfahren beigezogen worden.

In rechtlicher Hinsicht hielt es das Rekursgericht für unbeachtlich, ob nur der Erstantragsteller oder auch der Zweitantragsteller eine Zahnarztordination betrieben und ob diese nur in Top Nr 4 oder auch ‑ entgegen der Widmung - in Top Nr 5 betrieben werde. Schließlich sei auch die Wohnung des Zweitantragstellers mit dem Lift erreichbar, weshalb ihm ein Interesse an der Antragsstattgebung zuzuerkennen sei. Überdies bedürfe die Nutzung einer Wohnung als Arztpraxis keiner Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und stelle insofern keine Beeinträchtigung iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG dar (5 Ob 103/90 = MietSlg 43.385).

Rechtlich spiele es auch keine Rolle, ob ein Gangfenster im Zuge der Maßnahmen versetzt oder nur verkleinert worden sei. Die Versetzung des Fensters sei nämlich schon im ersten Projekt vorgesehen worden und falle als Änderung weder für das äußere Erscheinungsbild des Hauses noch für die Beleuchtungsverhältnisse gravierend ins Gewicht.

Insgesamt vertrat das Rekursgericht die Ansicht, dass das Zustimmungserfordernis der Viert‑ und Sechstantragsgegnerinnen im Hinblick auf die bereits im Jahr 2004 erteilte Zustimmung zur Errichtung eines Liftanbaus eingeschränkt sei. Wenn eine Projektänderung wegen baubehördlicher Auflagen oder Einwendungen erforderlich werde und in angemessener Zeit in Angriff genommen werde, habe sich die Prüfung des Außerstreitrichters bei der rechtsgestaltenden Entscheidung nach § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG auf diejenigen Änderungen zu beschränken, für die noch keine Zustimmung sämtlicher Miteigentümer erlangt worden sei.

Unter diesem Aspekt stelle die Errichtung des Aufzugs gegenüber der Eingangstür keine Verschlechterung dar, weil auch bei der ursprünglichen Planung zwischen der Haustür und der gegenüberliegenden Mauer nur ein Abstand von 1,60 m bestanden hätte. Das Aufzugsgebäude hätte bei der ursprünglichen Planung sogar eine größere Grundfläche in Anspruch genommen. Bei Öffnung der Lifttüre sei ein Möbel‑ oder Krankentransport in das Haus oder aus dem Haus gegenüber dem ursprünglichen Projekt sogar erleichtert. Die kräftige blaue Färbelung sei weder beim ursprünglich geplanten Zubau noch bei dem nun hergestellten Baukörper als Nachteil anzusehen, weil eine optische Hervorhebung von Anbauten durchaus üblich und hier auch architektonisch ansprechend sei.

Da andererseits die Änderung einem wichtigen Interesse der Antragsteller diene, weil nun auch Gehbehinderte ihre Wohnung bzw Ordination erreichen und nutzen könnten, stehe dies auch durchaus in Relation zum Ausmaß der Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft.

Ob im Zuge der Vergrößerung des Parkplatzes Bäume gefällt worden seien, sei rechtlich bedeutungslos, weil diese Maßnahme nicht unmittelbar mit der Errichtung des Lifts zusammenhing und daher auch keine unmittelbar dadurch ausgelöste Beeinträchtigung darstelle. Sie habe sich vielmehr erst mit der durch den Anbau erforderlichen Vergrößerung des Parkplatzes ergeben. Gegen die Beseitigung der Grünfläche und der Errichtung von neuen Autoabstellplätzen habe sich die Viertantragsgegnerin im Verfahren 18 Msch 4/05t vergeblich zur Wehr gesetzt.

Insgesamt sei daher keine Verletzung schutzwürdiger Interessen der Antragsgegnerinnen zu erkennen. Das Erstgericht habe den ihm zustehenden Wertungs‑ und Ermessensspielraum im Zusammenhang mit der Frage der Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses nicht überschritten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, in welchem Umfang Wohnungseigentümer, die einem Änderungsvorhaben bereits zugestimmt hätten, bei Projektänderungen noch die Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen geltend machen könnten.

Gegen diesen Sachbeschluss richten sich die Revisionsrekurse der Viert‑ und Sechsantragsgegnerinnen jeweils mit den Anträgen auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Abweisung des Duldungsbegehrens, in eventu auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Rückverweisung an das Erstgericht.

Die Antragsteller beantragten in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, die Revisionsrekurse zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse der Viert‑ und Sechstantragsgegnerinnen sind zulässig und im Sinn der in ihnen gestellten Aufhebungsanträge auch berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei Änderungen nach § 16 Abs 2 WEG stets alle in Betracht kommenden Umstände der Interessenbeeinträchtigung zu berücksichtigen sind und eine Änderung stets in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist (vgl RIS‑Justiz RS0083309; RS0109643). Nur wenn voneinander trennbare bauliche Änderungen vorliegen, ist eine getrennte Beurteilung einzelner Maßnahmen möglich (vgl RIS‑Justiz RS0083040). Daraus ergibt sich bereits, dass ‑ von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - eine Teilung von Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung von Teilzustimmungen mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbart werden kann.

Es kann dahingestellt bleiben, ob nach Versagung der baubehördlichen Genehmigung hinsichtlich des gesamten ursprünglichen Bauvorhabens, das schließlich auch von den übrigen Wohnungseigentümern angestrebte Änderungen (Balkonanbauten) enthielt, überhaupt noch vom aufrechten Bestand isolierter Zustimmungserklärungen ausgegangen werden kann, weil jedenfalls die dann tatsächlich durchgeführte Maßnahme schon durch die neue Positionierung des Zubaus unmittelbar vor der Hauseingangstür eine derart erhebliche Abweichung aufwies, dass sie keine Identität mit der vereinbarten Bauführung mehr aufwies. Eine Bindung der Wohnungseigentümer an seinerzeitige Zustimmungserklärungen wurde damit obsolet. Mit Fällen geringfügiger Modifizierungen infolge baubehördlicher Aufträge ist der vorliegende Sachverhalt nicht zu vergleichen. Die Versetzung des zu errichtenden Gebäudes an eine völlig andere Stelle, nämlich unmittelbar vor den Eingang des Wohnhauses, stellt insbesondere mit der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, eine vorhandene Grünanlage zur Herstellung der erforderlichen Parkplätze zu entfernen, eine derart gravierende Änderung der Baumaßnahme dar, dass sie als Gesamtheit einer neuerlichen Willensbildung der Wohnungseigentümer zu unterziehen gewesen wäre.

Die vom Rekursgericht vertretene Ansicht, die sich im Übrigen auch den zu ihrem Beleg zitierten Entscheidungen nicht entnehmen lässt, ist daher abzulehnen. Kommt es zu einer derart umfassenden Änderung, dass ein geplantes Bauwerk an anderer Stelle situiert wird und sich daraus negative Folgerungen für weitere allgemeine Teile der Liegenschaft ergeben, wie hier die Notwendigkeit der Fällung von Bäumen, bedarf die Änderung als gesamte einer neuerlichen Zustimmung aller Mit‑ und Wohnungseigentümer und daher einer Prüfung der Gesamtbeeinträchtigung der Interessen der Mit‑ und Wohnungseigentümer. Nur so kann die Änderung in ihrer Gesamtheit an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG gemessen werden. Ausgehend von seiner Rechtsansicht hat es das Rekursgericht unterlassen, die geltendgemachten Beeinträchtigungen der Revisionsrekurswerberinnen in ihrer Gesamtheit und Bedeutung ungeachtet der früheren Zustimmungen und möglicherweise die Tatsache, dass der Bau bereits errichtet war, zu prüfen. Auch das Erstgericht hat die Umstände des erschwerten Zugangs zum Eingang des Hauses nur kursorisch behandelt und eine gar nicht feststehende Berechtigung der übrigen Miteigentümer zur Liftbenützung zugrundegelegt. Auch die Errichtung oder Verkleinerung oder Verlegung eines Fensters blieb offen. Es sind aber auch alle durch die geänderte Bauführung „notwendig“ gewordenen Veränderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft beachtlich, wobei die Beseitigung der Grünfläche samt Fällung von drei Bäumen besonders ins Gewicht fällt, wenn sie etwa zur Abschirmung gegen eine befahrene Straße als Lärm‑ und Sichtschutz dienten (vgl 5 Ob 59/83 = EvBl 1985/35 = MietSlg 36.612). Es blieb auch durchaus offen, ob und wo überhaupt Ersatzpflanzungen von Bäumen vorgenommen werden können. Dieser Nachteil ist, was offenkundig verkannt wurde, nicht eine logische Notwendigkeit, sondern eine unmittelbare Folge der geänderten Bauführung und daher ein Teil des Änderungsbegehrens.

Unter diesem Aspekt bedarf es aber noch ergänzender Feststellungen durch das Erstgericht, das sich hinsichtlich der Interessenbeeinträchtigungen zu Unrecht nur mit der neuen Situierung des Aufzugsbaus auseinandergesetzt hat. Alle in diesem Zusammenhang entstandenen weiteren Veränderungen, insbesondere die Vergrößerung des Parkplatzes und die Beseitigung der Grünfläche samt Bäumen, sind im Gesamtzusammenhang mit der von den Antragstellern durchgeführten Änderung als den Interessen der die Änderung widersprechenden Miteigentümer zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Kostentragungsfrage einzugehen, die durch die veränderte Gestaltung der Parkplatzsituation entstanden ist. Die Antragsteller haben sich ja nur bereit erklärt, die Kosten der Errichtung und Erhaltung des Anbaus samt Lift zu übernehmen. Hinsichtlich der Kostentragungsfrage der Errichtung einer neuen Parkfläche fehlt es an nachvollziehbaren Feststellungen.

Im Besonderen haben die Vorinstanzen in der Frage, ob durch die durchgeführte Änderung eine Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses bewirkt wurde, den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten. Auch wenn das in Frage stehende Gebäude „architektonisch anspruchslos“ ist, so muss von den Antragsgegnern doch nicht hingenommen werden, dass es durch einen grellblauen, jegliche Symmetrie erheblich störenden Block vor dem Hauseingang geradezu verunziert wird (s Fotobeilage zum Augenschein ON 17). Es trifft keineswegs zu, dass architektonisch wenig ansprechende Gebäude per se keine Verschlechterung ihres Erscheinungszustands erfahren könnten, wie der vorliegende Fall zeigt. Solche Umstände werden ausdrücklich vom Gesetzgeber als Interessenbeeinträchtigung anerkannt. In diesem Zusammenhang erweist sich der von den Vorinstanzen offensichtlich als Positivum hervorgehobene grelle Blauton, der der corporate identity der Zahnarztordination des Erstantragstellers entspricht, als schwere Verletzung der den Miteigentümern geschuldeten Rücksichtnahme auf deren Interessen.

Weil aber die Antragsteller im Zuge von Vergleichsgesprächen bereits mehrfach ihre Bereitschaft bekundet haben, eine den Bedürfnissen der Antragsgegnerinnen angepasste Farbgebung herstellen zu lassen, wird auch dieser Umstand im ergänzenden Verfahren mit den Parteien zu erörtern sein.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass verbleibende Interessenbeeinträchtigungen der Antragsgegner einer Genehmigung der durchgeführten Änderungen nicht von vornherein entgegenstehen, wird im Zusammenhang mit dem nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG zu klärenden wichtigen Interesse der die Änderung anstrebenden Wohnungseigentümer noch die schon im Rekursverfahren (ON 31 und 34) aufgeworfene Frage zu klären sein, ob beide Antragsteller in beiden Objekten eine Zahnarztpraxis betreiben oder dies nicht der Fall ist. Ein wichtiges Interesse im Sinn dieser Gesetzesstelle wäre für den Zweitantragsteller dann zu verneinen, wenn er das in seinem Eigentum stehende Wohnungseigentumsobjekt lediglich bewohnt oder zu Wohnzwecken vermietet hat. Eine im ersten Stock eines Hauses gelegene Wohnung weist selbst bei Zugrundelegung eines modernen Wohnstandards nicht notwendigerweise einen eigenen Aufzug auf.

Schließlich wird auch eine Präzisierung des Duldungsbegehrens, das sämtliche Eingriffe in allgemeine Teile der Liegenschaft umfasst, erforderlich sein, um bereits klagsanhängige oder noch drohende Eigentumsfreiheitsansprüche zu erfassen.

Zur Klärung der dargestellten Fragen erweist sich eine Aufhebung sohin als unumgänglich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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