OGH 5Ob103/90

OGH5Ob103/9022.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Univ.Prof.Dr.Gerhard F*****, Facharzt, und 2.) Mag. Isolde F*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wider die Antragsgegner 1.) Brigitte H*****, 2.) Rosa S*****,

3.) Lisbeth F*****, 4.) Albert S*****, 5.) Herta S*****, 6.) Anna G*****, 7.) Dr. Günther M*****, 8.) Edeltraud M*****, sämtliche wohnhaft in *****, 9.) Herbert Z*****, ***** 10) Alfred D*****, ***** 11.) Meinhard T*****, 12.) Ingrid T*****, beide *****,

13.) Leo P*****, ***** 14.) Gerald B*****, ***** 15.) Heiner F*****, ***** 16.) Ing. Friedrich T*****, 17.) Olga T*****, beide ***** *****, 18.) Aloisia G*****, 19.) Johann G*****, beide *****, 20.) Dipl.-Ing. Dr. Dietrich K*****, 21.) Dr. Helga Karin K*****, beide *****, 22.) Christine B*****, ***** 1. bis 8. sowie

10. und 16. Antragsgegner vertreten durch Mag. Otto Schmied, Pensionist, 8020 Graz, Fischergasse 37, 9., 15., 18. bis 22. Antragsgegner vertreten durch Albert S*****, Pensionist, ***** sowie der weiteren Miteigentümer a) W***** Gesellschaft mbH, b) C***** Gesellschaft mbH, c) Dr. Armin L*****, alle *****,

d) Dkfm. Helmut S***** Gesellschaft mbH, ***** e) Dr. Reinhard H*****, Rechtsanwalt, ***** f) Mag. Erwin H*****, *****

g) Elisabeth H*****, ebendort, die 4. und 5. Antragsgegner überdies vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen § 26 Abs 1 Z 2 WEG, infolge Revisionsrekurses der

4. und 5. Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 17. August 1990, GZ 3 R 238/90-36, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 1. Juni 1990, GZ 7 Msch 36/89-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind zu 145/1118-Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, mit denen das Wohnungseigentum an den im 2. Stock des Hauses Graz, ***** gelegenen Wohnungen 9, 10 und 14 (Erstantragsteller) sowie 11 (Zweitantragstellerin) verbunden ist.

Die Antragsteller begehren, die Zustimmung der Antragsgegner zur Verwendung der Wohnungen top.Nr. 9, 10 und 11 als ärztliche Ordination in der Rechtsform einer selbständigen Einrichtung (Institut) nach dem Krankenanstaltengesetz (Institut für Nuklearmedizin) gerichtlich zu ersetzen. Der Antrag war zunächst gegen alle anderen Miteigentümer gerichtet, wurde aber in der Folge nur gegen diejenigen aufrechterhalten, die ihre Zustimmung verweigerten. Der verfahrenseinleitende Antrag wurde allen Miteigentümern individuell zugestellt; die weiteren Zustellungen erfolgten an die verbliebenen Antragsgegner individuell, an die übrigen Miteigentümer durch Anschlag.

Die Antragsteller begründeten ihr Begehren damit, in dem von ihnen betriebenen Institut für Nuklearmedizin würden keine Therapien mit offenen radioaktiven Stoffen betrieben. Es würde daher weder die Gesundheit der Mitbewohner des Hauses gefährdet noch würden sonstige schutzwürdige Interessen der Miteigentümer beeinträchtigt.

Die Antragsgegner wendeten ein, der Umfang der Isotopenstation gehe über den einer ärztlichen Ordination hinaus, es würden allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen und eine Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen sei schon wegen der Verwendung radioaktiver Stoffe gegeben.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die von der Ordinationstätigkeit betroffenen, durch eine gemeinsame Eingangstüre betretbaren Wohnungen top.Nr. 9, 10 und 11 bilden eine Einheit und weisen insgesamt eine Nutzfläche von 135 m2 auf. Sie liegen ebenso wie die Wohnung top.Nr. 14 und die im Wohnungseigentum von Antragsgegnern stehenden Wohnungen top.Nr. 12 und 13 im zweiten Stockwerk des als Wohn- und Geschäftsgebäude gewidmeten Hauses Graz*****. Die Wohnung top.Nr. 14 wird in die Ordinationstätigkeit nicht einbezogen. Sie dient dem Erstantragsteller lediglich zur Befunderstellung, da sich dort ein Computer und eine Schreibmaschine befinden. Ein Parteienverkehr findet in diesen Räumen nicht statt. Die Wohneinheiten sind voneinander durch einen Flur getrennt, der zum Stiegenhaus durch eine Glastür abgeschlossen ist. In den Flur mündet ein Lift. Das erste Stockwerk des Hauses wird zur Gänze von drei Gesellschaften belegt, von denen eine eine Steuerberatungsgesellschaft ist. Im Parterre befindet sich ein Cafe.

Die Ordination ist bereits in Betrieb und wird durch mehrere Hinweisschilder in der Nähe der Eingangstüre und des Liftes sowie im zweiten Stockwerk des Hauses gekennzeichnet. Eine Therapie mit offenen radioaktiven Stoffen wird nicht betrieben und darf auf Grund des Strahlenschutzgesetzes auch gar nicht betrieben werden. Von der Steiermärkischen Landesregierung wurden Errichtungs- und Betriebsbewilligungen nach dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz und dem Strahlenschutzgesetz mit zahlreichen Auflagen erteilt. Eine Gesundheitsbeeinträchtigung der Mitbewohner ist durch den Betrieb der Ordination bei Einhaltung der in den Bewilligungen enthaltenen Auflagen nicht zu befürchten.

Im Institut sind außer dem Erstantragsteller noch eine praktische Ärztin, eine medizinisch-technische Assistentin und eine Schreibkraft beschäftigt. Bei diesem Angestelltenstand ist derzeit von einer maximalen Kapazität von 2.000 Patienten pro Jahr, das sind 10 Patienten pro Tag, auszugehen. Mit maximal etwa 15 Patienten pro Arbeitstag kann gerechnet werden. Im Jahre 1989 betrug die tatsächliche Patientenzahl rund 1.000. Eine stationäre Aufnahme von Patienten ist auf Grund des Ordinationszweckes nicht notwendig. Die Patienten sind grundsätzlich gehfähig und kommen nur nach Voranmeldung. Es kommt vor, daß zwei oder drei Patienten zur gleichen Zeit kommen. Einmal pro Woche kommt es vor, daß Patienten mit der Rettung in die Ordination gebracht werden, wobei die Rettungsfahrer die Patienten vornehmlich deshalb begleiten, weil sie sich in der Ordination eine Bestätigung abholen. Manchmal parken Rettungsfahrzeuge vor dem Haus.

Die Ordination ist mit einer ausreichenden Belüftungsanlage versehen; es werden keinesfalls mehr Desinfektionsmittel verwendet als üblicherweise in irgendeiner anderen ärztlichen Ordination. Im Flur vor der Ordination herrscht ein leichter, kaum wahrnehmbarer Geruch nach Desinfektionsmitteln.

Auf Grund dieses Sachverhaltes erachtete das Erstgericht die Antragsteller zur begehrten Widmungsänderung für berechtigt, weil die in § 13 Abs 2 Z 1 WEG angeführten Voraussetzungen für die Unzulässigkeit der begehrten Widmungsänderung nicht erfüllt seien.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die erstgerichtliche Rechtsansicht. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen sei weder eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zu erwarten noch eine Beeinträchtigung sonstiger schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer gegeben. Weder der Betrieb der ärztlichen Ordination - für deren außergewöhnlichen Umfang keine Anhaltspunkte vorlägen - für sich allein noch die zu erwartende Steigerung der Besucherfrequenz im Haus seien hinreichende Gründe dafür, daß das grundsätzlich gegebene Recht der Antragsteller auf Widmungsänderung zurückzustehen habe. Das Schuldverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern sei sowohl durch die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf schutzwürdige Interessen der anderen als auch durch ein zumutbares Maß an wechselseitiger Toleranz geprägt. Wenn es auch in Teilbereichen - etwa erhöhte Inanspruchnahme des Personenaufzuges - zu Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer kommen möge, so werde dadurch noch nicht jenes Maß an Duldungspflicht überschritten, die von den anderen Miteigentümern wegen der ihnen obliegenden Rücksichtnahme und Tolerenz erwartet werden könne. Die von den Antragstellern vorgenommene Widmungsänderung sei daher von allen Miteigentümern zu dulden. Demgemäß könnten diese auch nicht die Zustimmung zur behördlichen Bewilligung im Sinne des § 13 Abs 2 Z 4 WEG verweigern.

Das Rekursgericht sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses mit der Begründung aus, es liege eine erhebliche und bedeutende Rechtsfrage vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der 4.- und 5.-Antragsgegner mit dem Antrag, das Begehren der Antragsteller abzuweisen; in eventu möge der angefochtene Beschluß aufgehoben und einer der Vorinstanzen eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften:

Richtig ist, daß in Verfahren über einen Antrag nach § 26 Abs 1 Z 2 WEG (§ 13 Abs 2 WEG) gemäß § 26 Abs 2 Z 3 WEG allen Miteigentümern der Liegenschaft Parteistellung zukommt, es sei denn, daß durch die Stattgebung des Antrages nur die Interessen einzelner, im Antrag bestimmt bezeichneter Miteigentümer unmittelbar berührt werden. Zweifellos werden durch den hier zu beurteilenden Antrag die Interessen aller Miteigentümer berührt, sodaß auch allen Miteigentümern Parteistellung zukommt. Der Vorschrift des § 26 Abs 2 Z 3 WEG wurde von den Vorinstanzen dadurch Genüge getan, daß allen Miteigentümern durch Beachtung der Zustellvorschriften des § 26 Abs 2 Z 6 und 7 WEG Gelegenheit geboten wurde, ihre materiellrechtliche Parteistellung auch als Partei im formellen Sinne auszuüben. Die Entscheidung in dieser Rechtssache bindet daher alle Miteigentümer ohne Rücksicht darauf, ob sie im Kopf der Entscheidung als Partei angeführt sind. Zur Klarstellung hat der Oberste Gerichtshof die zunächst als Antragsgegner bezeichneten Miteigentümer, gegen die der Antrag in der Folge nicht aufrecht erhalten wurde, als weitere Beteiligte angeführt.

b) Zur Sachentscheidung:

Nach § 13 Abs. 2 Einleitungssatz WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich einer Widmungsänderung) an der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit berechtigt, sofern damit nicht - nach der hier allein maßgebenden Bestimmung des § 13 Abs 2 Z 1 WEG - eine Schädigung des Hauses oder eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer verbunden ist, besonders keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und keine Gefahr für die Sicherheit von Personen.

Eine Gefahr für die Sicherheit von Personen ist nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben, vor allem auch nicht in der Richtung, daß die Gesundheit der anderen Hausbewohner wegen der Verwendung radioaktiver Stoffe gefährdet wäre.

Zur sonstigen Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Miteigentümer ist folgendes zu sagen:

Ärztliche Berufstätigkeit wird üblicherweise in Wohnhäusern ausgeübt. Die von den Antragstellern beabsichtigte ärztliche Tätigkeit, nämlich der Betrieb eines Institutes für Nuklearmedizin, muß zwar auch den Vorschriften des Krankenanstaltengesetzes entsprechen, geht aber nach den von den Tatsacheninstanzen getroffenen und für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen nicht über den Umfang einer schlichten ärztlichen Ordination hinaus, sieht man vom gelegentlichen Transport von Patienten mit Tragbahren ab. Diese Tatsache allein macht aber den Betrieb des Institutes durch die Antragsteller für die anderen Miteigentümer nicht unzumutbar.

Dazu kommt, daß in diesem Haus bereits ein Cafe und eine Steuerberatungskanzlei betrieben werden, womit gleichfalls erheblicher Kundenverkehr verbunden ist, und zwar bezüglich der Steuerberatungskanzlei im Stiegenhaus selbst. Es handelt sich eben um ein von vornherein zu Wohn- und Geschäftszwecken gewidmetes Gebäude, sodaß in der von den Antragstellern geplanten Ausübung ärztlicher Tätigkeit in Form des Institutes für Nuklearmedizin keine von den Rechtsmittelwerbern nicht zu erwartende und allenfalls unter diesem Gesichtspunkt ihre schutzwürdigen Interessen unzumutbar beeinträchtigende Änderung der Verhältnisse gelegen ist.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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