OGH 4Ob101/11y

OGH4Ob101/11y9.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** G*****, vertreten durch Mag. Peter Blaschke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Pilgerstorfer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Entfernung und 12.000 EUR angemessenes Entgelt, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. März 2011, GZ 15 R 30/11h-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. November 2010, GZ 22 Cg 114/08w-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 838,44 EUR (darin 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der hilfsweise erhobene Kostenrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im Sicherungsverfahren ergangene Entscheidung des Senats wurde mehrfach veröffentlicht und besprochen (4 Ob 208/09f = MR 2010, 206 [Walter] = jusIT 2010/41, S 96 [Handig] = ÖBl-LS 2010/124 [Büchele] = ecolex 2010/215 S 584 [Horak] = wbl 2010, 316/124 = RdW 2010, 346 = EvBl-LS 2010/101 = GRUR Int 2011, 77 - Mozart Symphonie No 41; Reis, Zur Rechtfertigung 'geringfügiger' Eingriffe in das Urheberrecht, MR 2011, 22). Hinsichtlich Vorbringen und Sachverhalt im Sicherungsverfahren ist zunächst auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Hauptverfahren begehrt die Klägerin die Unterlassung der Verwertung, insbesondere der Vervielfältigung oder Verbreitung, ihres Bildes „Mozart Symphonie No 41“, insbesondere durch Einstellung von Bildern des Werks auf der Homepage der Beklagten, sowie die Entfernung sämtlicher das Werk der Klägerin zeigender Lichtbilder von dieser Homepage und die Zahlung eines angemessenen Entgelts. Sie bringt dazu - ergänzend zum Sicherungsverfahren - vor, die Beklagte habe jene Bilder von Hotelzimmern, die den Anlass zur Klage gegeben haben, mittlerweile von ihrer Homepage entfernt. Wie die Klägerin aber an Hand von - in einem Internetarchiv aufgefundenen - früheren Versionen der Website der Beklagten festgestellt habe, sei eine Vergrößerung der auf der Homepage der Beklagten früher eingestellten (beanstandeten) Bilder von Hotelzimmern durch Anklicken mit der „Maus“ möglich gewesen; diesfalls seien die Bilder in einem sich neu öffnenden Fenster vergrößert dargestellt worden. Dieser Vorgang habe dazu geführt, dass auch das an der Wand eines der abgebildeten Hotelzimmer aufgehängte Gemälde der Klägerin bei einem Ausdruck der Seite im Format A 4 in einer Größe von etwa 11 cm x 10 cm erkennbar gewesen sei.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es ging von der - vom Berufungsgericht nicht übernommenen - Feststellung aus, dass bei Aufruf der Website das Gemälde der Klägerin (bei einer Wiedergabe des Bildschirminhalts im Format A 4) höchstens in einer Größe von 1,1 cm x 1,5 cm zu erkennen sei, und führte in rechtlicher Hinsicht - der Entscheidung 4 Ob 208/09f folgend - aus, dass unter diesen Umständen keine an die Zustimmung des Urhebers geknüpfte Werkverwertung in Form der Vervielfältigung, Verbreitung oder Zurverfügungstellung vorliege; es fehle nämlich an der Voraussetzung, dass das Werk in der verwerteten Form annähernd den sinnlichen Eindruck des Originalwerks in seinen wesentlichen schöpferischen Zügen vermittle.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu urheberrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit veröffentlichten Fotos, die die Einrichtung allgemein zugänglicher Räume wiedergeben und auf denen bildnerische Werke im Hintergrund mitabgebildet sind, fehle. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Klägerin im Hauptverfahren seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, weil es durch Urkunden belegt und von der Beklagten nicht substanziiert bestritten worden sei und damit als zugestanden gemäß § 267 ZPO anzusehen sei. Habe man die Lichtbilder auf der Homepage der Beklagten nach Vergrößerung durch Anklicken betrachtet, sei das Gemälde der Klägerin im Hintergrund der Hotelräumlichkeiten deutlich erkennbar gewesen. Dennoch könne von einer mangels Zustimmung der Klägerin unzulässigen Vervielfältigung ihres Werks schon deshalb keine Rede sein, weil mit den Fotos keine wirtschaftlich verwertbare Kopie des Originalbildes hergestellt, sondern das Originalgemälde nur als Wandschmuck der fotografierten Hotelräumlichkeiten mitabgebildet worden sei. Bei Auslegung des Begriffs der Vervielfältigung sei nicht ausschließlich auf die mechanischen Zusammenhänge abzustellen, sondern stets auch auf Sinn und Zweck des Vervielfältigungsrechts Bedacht zu nehmen. Relevant seien deshalb nur Vervielfältigungen, die die Verwertungsmöglichkeit des Urhebers in irgendeiner Form beeinträchtigten. Dem Vorbringen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, inwieweit sie die Verwertungsmöglichkeit ihres Bildes durch die von der Beklagten verwendeten Fotos beeinträchtigt sehe. Auch das Zurverfügungstellungsrecht der Klägerin nach § 18a UrhG sei im vorliegenden Fall nicht verletzt, weil die Beklagte in ihrem Internetauftritt kein Werk der Klägerin für sich allein, also als Hauptgegenstand der Abbildung, zum interaktiven Abruf eingegliedert habe, sondern das Werk der Klägerin auf den veröffentlichten Fotos, die in erster Linie die Räumlichkeiten des Hotels zeigten, lediglich im Hintergrund zu sehen sei.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der hilfsweise erhobene Kostenrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Auch in dritter Instanz ist von jenen Feststellungen auszugehen, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Damit hat sich der Sachverhalt gegenüber dem Sicherungsverfahren in jenem Punkt geändert, der dort noch für die Entscheidung maßgeblich war (fehlende Erkennbarkeit des Gemäldes der Klägerin auf den in die Homepage eingegliederten Fotos).

2. Eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung eines Werks liegt schon dann vor, wenn eine sinnliche Werkwiedergabe - wie hier - dadurch möglich ist, dass ein auf eine Website eingestelltes Lichtbild, auf dem das mitabgebildete Werk infolge seiner geringen Größe zunächst nicht zu erkennen ist, mittels „Mausklick“ vergrößert dargestellt werden kann (so auch Walter, Entscheidungsbesprechung MR 2010, 206).

3.1. Zwar wurde in der Entscheidung 4 Ob 208/09f bei der Frage nach Sinn und Zweck der dem Urheber eingeräumten exklusiven Nutzungsrechte der wirtschaftliche Aspekt in den Vordergrund gestellt und ausgeführt, dass dem Urheber ein Entgelt für solche Nutzungshandlungen zufließen soll, die einen Werkgenuss ermöglichen. Es ist aber in Anschluss an die Kritik von Walter (aaO) und Reis (Zur Rechtfertigung 'geringfügiger' Eingriffe in das Urheberrecht, MR 2011, 22) klarzustellen, dass auch die Kontrolle über die Nutzung seines Werks durch den Urheber in den Schutzbereich der dem Urheber eingeräumten Verwertungsrechte fällt. Das Gesetz will dem Urheber die Möglichkeit einräumen, die Art und Weise der Werknutzung unter Berücksichtigung unter Umständen auch persönlichkeitsrechtlicher Anliegen steuern zu können. Es greift daher zu kurz, wenn das Berufungsgericht eine unzulässige Vervielfältigungshandlung allein deshalb verneint, weil mit den in die Website eingestellten Fotos keine wirtschaftlich verwertbare Kopie des Originalbildes hergestellt worden sei. Vielmehr ist der festgestellte Sachverhalt als Eingriff in urheberrechtliche Verwertungsrechte zu beurteilen.

4. Angesichts der von der Beklagten somit zu verantwortenden Vervielfältigungshandlung gewinnt die in der Klagebeantwortung erhobene rechtfertigende Einrede des Beklagten an Bedeutung, der Klägerin sei vor und auch während der Ausstellung ihrer Bilder im Hotel der Beklagten bekannt gewesen, dass immer wieder Aufnahmen von den Hotelräumlichkeiten auch zum Zweck der Bewerbung des Hotels gemacht würden; derartige Aufnahmen seien auch in Anwesenheit der Klägerin, etwa am Beginn der Ausstellung ihrer Bilder, nicht nur mit schlüssiger, sondern mit ausdrücklicher Akzeptanz der Klägerin gemacht worden. Diesem Vorbringen der Beklagten hat die Klägerin nicht widersprochen, weshalb dieser Sachverhalt der Entscheidung gemäß § 267 Abs 1 ZPO zugrunde zu legen ist (vgl RIS-Justiz RS0039927, RS0083785, RS0039941 [T2]).

5.1. Der Urheber kann zwar auf sein Urheberrecht in seiner Gesamtheit nicht verzichten, er kann aber durch Erklärung seine Zustimmung zu bestimmten Nutzungshandlungen erteilen (Walter, Österreichisches Urheberrecht I, 770).

5.2. Letzteres entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats zum Verzicht auf die Geltendmachung des Schutzrechts nach § 78 UrhG (RIS-Justiz RS0078179), wobei der Schutz nur soweit entfällt, wie die Zustimmung reicht. Es ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, für welchen Zweck und in welchem Zusammenhang die Zustimmung erteilt wurde (vgl 4 Ob 211/03p = SZ 2003/169 mwN; RIS-Justiz RS0078128).

5.3. Anders als bei der rechtsgeschäftlichen Einräumung eines entsprechenden Nutzungsrechts genügt es für eine (schlichte) Einwilligung des Berechtigten in eine Nutzungshandlung, dass seinem (auch nur schlüssigen) Verhalten die objektive Erklärung entnommen werden kann, er sei mit der Nutzung seines Werks einverstanden (vgl BGH 29. 4. 2010, I ZR 69/08 - Vorschaubilder Rn 33; zur schlüssigen Annahme eines Nutzungsangebots des Rechteinhabers durch dessen Ausübung vgl Walter aaO 770 f). Die Einwilligung bewirkt, dass die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ein ausschließliches Verwertungsrecht wegen Vorliegens einer schlichten Einwilligung des Berechtigten ausgeschlossen ist.

6.1. Auf der Grundlage des in Punkt 4. näher beschriebenen Sachverhalts liegen die Voraussetzungen einer solchen (schlichten) Einwilligung der Klägerin in die später mit ihrer Klageführung beanstandete Rechtsverletzung vor.

6.2. War der Klägerin nämlich bekannt, dass die Beklagte immer wieder Aufnahmen ihrer Hotelräumlichkeiten auch zum Zweck der Bewerbung des Hotels macht und hat sie solche Aufnahmen in ihrer Anwesenheit auch am Beginn der Ausstellung ihrer Gemälde ohne Widerspruch geduldet, hat sie dadurch bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend geweckt, es könne erwartet werden, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten ein „Werbeverbot“ mit solchen Fotos von Hotelräumlichkeiten ausspricht, auf dem auch ihre Gemälde erkennbar sind, falls sie mit einer Veröffentlichung solcher Fotos nicht einverstanden ist.

6.3. Daraus ergibt sich, dass das Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der Herstellung von Fotos der Hotelräumlichkeiten anlässlich der Ausstellungseröffnung aus Sicht der Beklagten objektiv als stillschweigendes Einverständnis damit verstanden werden konnte, dass Abbildungen der Werke der Klägerin im Zuge von Werbemaßnahmen üblichen Umfangs für Zwecke der Hotelwerbung genutzt werden dürfen. Die Einstellung der beanstandeten Fotos auf die Homepage der Beklagten hält sich im Rahmen dieser Zustimmung, weshalb die Beklagte insoweit nicht rechtswidrig gehandelt hat. Das Klagebegehren erweist sich damit aus diesem Grund als unberechtigt.

6.4. Diesem Ergebnis steht die Feststellung des Erstgerichts nicht entgegen, wonach die Klägerin niemals ihre Zustimmung zur Veröffentlichung ihrer Bilder auf der Homepage des Hotels erteilt hat, weil das Erstgericht damit erkennbar nur eine Aussage über eine ausdrückliche Zustimmung der Klägerin getroffen hat.

6.5. Nur ergänzend ist zu bemerken, dass die Einbringung der Klage wohl als Widerruf der Einwilligung der Klägerin in die nunmehr beanstandete Werknutzung zu deuten ist. Dies ändert aber nichts am Verfahrensergebnis, hat doch die Beklagte auf die Klage mit dem Entfernen der beanstandeten Fotos von ihrer Homepage reagiert.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

8. Die (angebliche) Unrichtigkeit der berufungsgerichtlichen Kostenentscheidung kann in dritter Instanz grundsätzlich nicht geltend gemacht werden (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO; 4 Ob 16/11y). Dieser Rechtsmittelausschluss gilt nach ständiger Rechtsprechung für alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form - sei es materiell oder formell - über Kosten abgesprochen wurde (RIS-Justiz RS0007695), insbesondere auch für jede Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens (RIS-Justiz RS0044233; Kodek in Rechberger, ZPO³ § 528 Rz 37).

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