OGH 1Ob119/11y

OGH1Ob119/11y21.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Renate K*****, und 2. Dr. Heinz K*****, beide ***** und vertreten durch Kerschbaum Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter, Dr. Friedrich Trappel und Mag. Klaus Ainedter, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.)154.282,28 EUR sA und 2.) 8.850 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2011, GZ 36 R 278/10i‑26, mit dem das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. August 2010, GZ 24 C 280/09w‑21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00119.11Y.0721.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.534,18 EUR (darin enthalten 422,36 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Die Erstklägerin begehrte 154.000 EUR und der Zweitkläger 8.850 EUR als Ersatz für Wertgegenstände, die aus dem Safe ihres Hotelzimmers gestohlen wurden. Die beklagte Partei betreibt das in Wien gelegene 4‑Sterne‑Hotel.

Das Erstgericht bejahte mit Zwischenurteil die Haftung der beklagten Partei („zu 100 %“) dem Grunde nach.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ (hinsichtlich des Zweitklägers nachträglich) die Revision zu.

Die Revision der beklagten Partei ist entgegen den nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Aussprüchen des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei bezweifelt nicht, dass sie grundsätzlich als Gastwirtin im Sinn des § 970 Satz 1 ABGB für den Verlust der im Zimmersafe deponierten (und damit eingebrachten) Wertgegenstände ohne die Beschränkung des § 970a Satz 2 ABGB (Haftungshöchstbetrag von 550 EUR) haftet, wenn einer der für sie tätigen Personen ein Verschulden anzulasten ist. Letzteres bestreitet sie allerdings.

Die Vorinstanzen haben aber die von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängige (RIS‑Justiz RS0078150) Frage, welche Sicherungsmaßnahmen einem Gastwirt zumutbar und erforderlich sind, auf eine Weise beantwortet, die nicht zu korrigieren ist:

Die Erstklägerin erkundigte sich bei der Rezeptionistin des Hotels, wo Wertgegenstände aufbewahrt werden könnten. Die Rezeptionistin verwies auf die Aufbewahrung im Zimmersafe. Die Erstklägerin deponierte den Schmuck der Kläger in diesem Zimmersafe, den sie mit dem von ihr gewählten vierstelligen Zahlencode verschloss. Der Safe wurde von unbekannten Tätern mit dem Hotelmastercode, der dazu dient, den Safe unabhängig vom Gästecode, insbesondere in Notfällen, öffnen zu können, geöffnet. Dieser, seit 1. 7. 2007 unveränderte Hotelmastercode war zum Zeitpunkt des Diebstahls am 2. 1. 2009 neun Abteilungsleitern, drei Stellvertretern, zwei Rezeptionisten, einem Haustechniker, einem Lohndiener und einer nicht feststellbaren Anzahl von ausgeschiedenen Mitarbeitern bekannt. Aufgrund vergangener Vorfälle in diesem Hotel (Diebstahl von Laptops, Einbruch in ein Hotelzimmer) war der Hoteldirektor von der Polizei schon aufgefordert worden, die Sicherheitsstandards zu verbessern.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der beklagten Partei in dieser Situation den sorglosen Umgang mit dem Hotelmastercode als Verschulden vorzuwerfen, ist zumindest vertretbar. Ein Gast, der sich ausdrücklich nach der möglichen Verwahrung seiner Wertgegenstände erkundigt und auf den Zimmersafe verwiesen wird, darf sich darauf verlassen, dass ein derartiger, nur in Notfällen zum Öffnen des Safes zu verwendender Code keiner nahezu unüberschaubaren Anzahl von (früheren) Mitarbeitern bekannt ist. Der Hoteldirektion musste das erhöhte Diebstahlsrisiko bei einer derartigen Verbreitung des Hotelmastercodes bewusst sein. Diesen Code in regelmäßigen, jedenfalls im Vergleich zu rund eineinhalb Jahren kürzeren Abständen zu ändern und ihn nur einer eingeschränkten Zahl von Mitarbeitern bekannt zu geben oder für den Notfall an einem sicheren Aufbewahrungsort zu verwahren, überspannt die Sorgfaltspflichten eines Hoteliers nicht, sondern stellt eine einleuchtende und keinen unzumutbaren Aufwand bedeutende Sicherheitsmaßnahme dar.

Die den Zulassungsaussprüchen zugrunde gelegte Frage eines (Mit‑)Verschuldens des deutschen Ehepaars, das nicht auf den, die Haftungshöchstgrenze des § 970a um das ca 280‑fache übersteigenden Gesamtwert der im Safe verwahrten Gegenstände hingewiesen hätte, muss hier nicht beantwortet werden. Die für das Vorliegen des (Mit‑)Verschuldens ihrer Gäste grundsätzlich behauptungs‑ und beweispflichtige (RIS‑Justiz RS0027129 [T6]; vgl RS0022560) beklagte Partei zeigt in ihrer Revision nämlich nicht im Ansatz auf, wie auf eine derartige Aufklärung über den hohen Wert reagiert und welche das Diebstahlsrisiko ausschließende oder minimierende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden wären. Damit legt sie nicht dar, inwieweit der behauptete Sorgfaltsverstoß, den sie in einer Verletzung der den Gast treffenden Aufklärungspflicht zur Höhe des Werts sieht und der ihrer Auffassung nach ein zumindest mit ¾ zu bewertendes Mitverschulden rechtfertige, für den eingetretenen Schaden kausal gewesen wäre.

In der Revisionsbeantwortung wurde auf die Unzulässigkeit der Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts, mit dem das Zwischenurteil des Erstgerichts bestätigt wurde, hingewiesen. In einem solchen Fall findet kein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO statt (1 Ob 20/10p; 1 Ob 182/10m; 2 Ob 91/10m).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte