OGH 3Ob124/11y

OGH3Ob124/11y6.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang, Rechtsanwältin, Wien 1, Opernring 8, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der A***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 80.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2011, GZ 3 R 37/10y-16, womit über Berufung der klagenden Partei das (End-)Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Jänner 2010, GZ 32 Cg 39/09s-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass die spätere Gemeinschuldnerin, als sie längst insolvent war, an die beklagte Partei am 12. März 2007 80.000 EUR zur Abdeckung von Abgabenrückständen leistete, um einen (weiteren) Konkurseröffnungsantrag abzuwenden. Unstrittig ist ferner, dass der Geldbetrag entgegen einer Behauptung der Gemeinschuldnerin gegenüber Mitarbeitern des zuständigen Finanzamts nicht aus dem Vermögen eines namentlich genannten Dritten, sondern aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin stammte. Die beklagte Partei stellte weder bei dem Dritten noch bei der Gemeinschuldnerin selbst Nachforschungen darüber an, ob die Behauptung der Gemeinschuldnerin zutrifft.

Das Berufungsgericht gab dem Anfechtungsbegehren, das auf § 28 Z 2 KO (Konkurseröffnung 27. Mai 2008 - vgl § 273 Abs 1 IO) gestützt wurde, statt.

In ihrer außerordentlichen Revision zieht die beklagte Partei nur in Zweifel, dass ihr die Benachteiligungsabsicht des Schuldners hätte auffallen müssen. Es fehle Rechtsprechung zu der vom Berufungsgericht „völlig überraschend“ gelösten Rechtsfrage, wie weit Nachforschungspflichten des Gläubigers bestünden, wenn sein in der Krise befindlicher Schuldner eine Leistung von dritter Seite anbiete.

Rechtliche Beurteilung

Ob dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht des Schuldners hätte auffallen müssen, hängt jedoch ebenso wie die damit in Zusammenhang stehende Frage, wie weit die Nachforschungspflicht des Anfechtungsgegners reicht, von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher - ausgenommen den hier nicht vorliegenden Fall einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung - nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0101976; zur Nachforschungspflicht [T2]).

Die beklagte Partei hat in erster Instanz nicht vorgebracht, dass sie auch bei Nachfragen vom Dritten keine Auskunft erhalten hätte (vgl dazu 3 Ob 99/10w). Der Einwand wäre auch sachlich unberechtigt:

Bei der konkreten Sachlage (Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin; Gespräch mit der Schuldnerin unmittelbar vor der angefochtenen Zahlung, das der Abwendung eines Konkursantrags durch die beklagte Partei diente) hätte die beklagte Partei die Zahlung nur entgegen nehmen dürfen, wenn die Schuldnerin und/oder der Dritte ausreichend - etwa durch Vorlage von Urkunden, aus der die Zahlung des Dritten abzuleiten war - dargetan hätte, dass die Zahlung nicht aus dem Vermögen der Schuldnerin stammt. Allein der Umstand, dass sich die beklagte Partei mit der bloßen Erklärung der Schuldnerin zufrieden gab, einen Scheck über 70.000 EUR zu Lasten des Kontos der Schuldnerin und einen Bargeldbetrag von 10.000 EUR als Zahlung akzeptierte, ohne auch nur den Versuch zu machen, sich über die Herkunft des Geldes und den angeblichen Drittzahler zu informieren, führt dazu, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht nur vertretbar, sondern richtig ist.

Hätte - wie in der außerordentlichen Revision behauptet - der Dritte auch bei Nachfragen keine Auskunft erteilt und wären auch weitere Nachweise über die Herkunft des Geldes von der Schuldnerin nicht zu erlangen gewesen, wäre wegen der weiterbestehenden Zweifel daran, dass die Angaben der Schuldnerin der Wahrheit entsprechen, ebenfalls ein fahrlässiges Verhalten der beklagten Partei zu bejahen: Ergebnislose Nachforschungen können eine für den Gläubiger erkennbare Verdachtslage gerade nicht entkräften.

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