OGH 5Ob56/11p

OGH5Ob56/11p7.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. J***** T*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Grohs Hofer Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen 49.920 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2010, GZ 5 R 215/10i-22, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6. August 2010, GZ 34 Cg 106/09h-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.998,31 EUR (darin enthalten 333,05 EUR an USt) an bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend (RIS-Justiz RS0112921; RS0112769). Der Oberste Gerichtshof hat sich zwischenzeitig in mehreren Entscheidungen mit dem auch im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlichen Werbefolder der Beklagten und dem damit beworbenen Zertifikat auseinandergesetzt und dabei zu den auch hier maßgeblichen Fragen Stellung genommen.

2. Zur Beratungs- bzw Aufklärungspflicht im Vorfeld von Effektengeschäften führte der Oberste Gerichtshof in 4 Ob 20/11m (dieser folgend 7 Ob 29/11g und 8 Ob 148/10p) unter eingehender Darlegung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sowie der einschlägigen Literaturmeinungen aus, die in dieser Werbebroschüre in Form des Ratings enthaltene Information über die Bonität der Emittentin sei ausreichend gewesen. Die Beklagte habe im Hinblick auf die Einschätzung durch die Fachkreise im November 2006 davon ausgehen dürfen, dass das Emittentenrisiko (Bonitäts- und Insolvenzrisiko) bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur sei. Im Hinblick darauf habe keine generelle Pflicht bestanden, über den Inhalt dieser Werbebroschüre hinaus auf das allgemeine Bonitätsrisiko des Emittenten hinzuweisen. Mangels Verletzung von Aufklärungspflichten sei das auf Irrtum und Schadenersatz gestützte Begehren unberechtigt.

3. Zum angeblichen Irrtum über die Person des Garanten, wie er auch vom Kläger geltend gemacht wird, gelangte der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 4 Ob 176/10a (dieser folgend 4 Ob 20/11m) zum Ergebnis, dass aus dem von der Beklagten zu vertretenden Werbefolder nicht zu schließen gewesen sei, dass die Beklagte selbst Garantin des beworbenen Produkts wäre. Mangels jeglicher Anhaltspunkte habe der Kläger nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte für die Kapitalgarantie einstehe.

4. Der Hinweis des Berufungsgerichts, wonach die Broschüre nicht so verstanden werden habe können, dass mit dem veranlagten Geld tatsächlich Fremdwährung gekauft werde, ist jedenfalls vertretbar. Die vom Kläger behauptete Irreführung bzw angebliche Verletzung der Aufklärungspflicht steht insgesamt im Zusammenhang mit den erörterten Angaben im Werbefolder, die - wie dargelegt - keine Haftung der Beklagten begründen. Damit kommt der Überlegung, inwieweit die Beklagte dem Kläger gegenüber ungeachtet der von diesem beigezogenen Vermittlerin zu einer (umfassenden) Beratung verpflichtet gewesen wäre und der in der Revision angesprochenen Frage nach der Zurechenbarkeit des Verhaltens der Vertriebspartnerin der Klägerin bzw von dessen Mitarbeitern nur noch theoretische Bedeutung zu. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, über bloß theoretische Fragen abzusprechen (RIS-Justiz RS0002495). Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich daher nicht.

5.1 Nach § 5 Abs 1 KMG können Verbraucher von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurücktreten, wenn ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach § 6 KMG (wesentliche ändernde oder ergänzende Angaben) erfolgt. Das Rücktrittsrecht erlischt mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem der Prospekt oder die Angaben nach § 6 KMG veröffentlicht wurden (§ 5 Abs 4 KMG).

5.2 Zum Rücktrittsrecht nach dieser Gesetzesstelle hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 8 Ob 38/11p, der ebenfalls der hier gegenständliche Prospekt zu Grunde lag, Stellung genommen. Darin wurde unter Verweis auf die einschlägigen Literaturmeinungen festgehalten, dass die Nichtveröffentlichung bloß der endgültigen Bedingungen kein Rücktrittsrecht auslöst. Enthält ein zweiter Nachtrag sämtliche relevanten Angaben und wird dieser ordnungsgemäß veröffentlicht, besteht ebenfalls kein Rücktrittsrecht. Wurde ein Prospekt erstellt und veröffentlicht, ist aber sein Inhalt fehlerhaft, so ist der Anleger nicht zum Rücktritt berechtigt (Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I § 10 Rz 102; Zib in Zib/Russ/Lorenz aaO § 5 Rz 6; vgl auch 8 Ob 38/11p).

5.3 Der Basisprospekt, der Nachtrag und die endgültigen Bedingungen wurden nach den Feststellungen von der Irischen Finanzdienstleistungsaufsicht (IFSRA) gebilligt und der FMA notifiziert, was im Amtsblatt zur Wiener Zeitung mit dem Hinweis, wo die Prospekte in elektronischer Form - spätestens ab 20. 9. 2006 - abrufbar gewesen sind, bekanntgegeben worden war. Jedenfalls mit Rücksicht auf die festgestellten Bekanntmachungen hätte der Kläger, der erst im Jänner 2010 den Rücktritt erklärte, im Verfahren erster Instanz klar darlegen müssen, woraus er ableitet, dass die Prospektveröffentlichung nicht mehr als eine Woche vor seiner Rücktrittserklärung (ON 8) erfolgte (vgl 8 Ob 38/11p), bestätigt doch auch das von ihm vorgelegte Schreiben der Irischen Börse vom 19. 2. 2010 (Beilage ./O) die Verfügbarkeit der hier maßgeblichen Dokumente mit Ausnahme der endgültigen Bedingungen auf deren Website. Eine allenfalls unterbliebene Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen begründet - wie bereits dargelegt - kein Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen eines Rücktritts nicht vorliegen würden, ist damit jedenfalls vertretbar. Die vom Kläger erstmals im Revisionsverfahren vorgelegten Urkunden sind im Hinblick auf das Neuerungsverbot nicht zu berücksichtigen.

6. Insgesamt vermag der Kläger mit seinen Ausführungen daher keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sie Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten für die Revisionsbeantwortung hat.

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