OGH 8ObA36/11v

OGH8ObA36/11v25.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Franz Kisling als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** F*****, vertreten durch Schmidberger-Kassmannhuber-Schwager Rechtsanwaltspartnerschaft in Steyr, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Eduard Aschauer und Mag. Irene Pumberger, Rechtsanwälte in Steyr, wegen 639,44 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. März 2011, GZ 11 Ra 11/11h-14, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Dezember 2010, GZ 9 Cga 127/10g-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der klagenden Partei die mit 225,07 EUR (darin 37,51 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 2. Juni 2008 bis 31. Mai 2010 als Reinigungsarbeiterin beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger anzuwenden. In den letzten Monaten des Dienstverhältnisses erhoben zwei Kunden der Beklagten, bei denen die Klägerin eingesetzt war, Beschwerden über mangelhafte Qualität der Reinigungsleistungen; weil die Beklagte auf diese Beschwerden überhaupt nicht reagierte, kündigte eine Kundin am 31. Mai 2010 das Auftragsverhältnis. Diese Mitteilung nahm der Geschäftsführer der Beklagten zum Anlass, die Klägerin am selben Tag zu entlassen. Die Klägerin ist während ihrer Arbeitszeit den aufgetragenen Reinigungsarbeiten nachgekommen, es war nicht so, dass sie nichts getan hätte. Die Beklagte wollte die Klägerin zwar wegen Kundenbeschwerden bereits früher kündigen, hatte aber wegen Personalmangels davon Abstand genommen.

Die Klägerin brachte vor, ihre Entlassung sei ungerechtfertigt gewesen und begehrte die Zahlung restlicher Lohnbestandteile einschließlich anteiliger Sonderzahlungen, weiters gemäß § 6 des Kollektivvertrags den aliquoten (restlichen) Ersatz der Kosten dreier Jahresfahrkarten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, mit Ausnahme eines Teilzuspruchs für Fahrtkosten in Höhe von 65 EUR sA. In diesem Punkt habe das Erstgericht ein festgestelltes Akonto übersehen. Ein Entlassungsgrund sei nach den Feststellungen nicht vorgelegen. Der kollektivvertragliche Anspruch auf Ersatz der tarifgünstigsten Kosten eines Massenbeförderungsmittels bestehe unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme. Angesichts dreier verschiedener Einsatzorte der Klägerin sei ihr auch der Beweis gelungen, dass eine Jahreskarte die tarifgünstigste Variante gewesen sei. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Auslegung des § 6 des anzuwendenden Kollektivvertrags keine oberstgerichtliche Rechtsprechung aufzufinden gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Die Revision wendet sich gegen einen Teilzuspruch von 180,74 EUR an Fahrtkosten. Der Klägerin wäre nur ein Tagesfahrschein pro Woche zuzugestehen gewesen, woraus sich unter Berücksichtigung der bezahlten Akontobeträge die bekämpfte Differenz zum Zuspruch des Berufungsgerichts ergebe. Dieses Vorbringen zeigt allerdings keine über den Einzelfall hinaus erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Die Auslegung des § 6 des Kollektivvertrags für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger war entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bereits Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 54 Abs 2 ASGG (8 ObA 173/00z). In dieser Entscheidung hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass Kosten einer Zeitfahrkarte (dort: Monatskarte der Wiener Linien) unabhängig vom Nachweis der tatsächlich aufgewendeten Fahrtkosten zu ersetzen sind, sofern diese Kosten im betroffenen Monat tatsächlich die „tarifgünstigsten Kosten“ sind. Eine Aliquotierung im Verhältnis der Kalendertage des jeweiligen Monats zu den tatsächlich in diesem Monat geleisteten Arbeitstagen hat nicht stattzufinden; dies gilt auch dann, wenn aufgrund unvorhergesehener und unverschuldeter Dienstverhinderungen weniger Arbeitstage geleistet wurden, als vorgesehen, die Kosten der Monatskarte aber dessen ungeachtet die „tarifgünstigsten Kosten“ bleiben. Diese und vergleichbare Kollektivvertragsbestimmungen sind dahin auszulegen, dass sie einen Anspruch des Arbeitnehmers auf (pauschalierten) Ersatz regelmäßig entstehender Barauslagen begründen (vgl auch 9 ObA 2049/96f). Der Ersatz des günstigsten Tarifs steht dem Arbeitnehmer in typisierender Betrachtung unabhängig davon zu, ob er den Weg zur Arbeitsstätte tatsächlich mit einem öffentlichen Verkehrsmittel, mit einem eigenen Fahrzeug oder zu Fuß zurücklegt (8 ObA 160/98g), oder ob er von einem Dritten kostenlos befördert wird (9 ObA 2049/96f). Die Entscheidungen der Vorinstanzen bewegen sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und sind daher nicht korrekturbedürftig. Die von den Vorinstanzen bejahte Frage, ob für die Klägerin in Anbetracht ihrer konkreten Diensteinteilung eine Jahreskarte insgesamt tarifgünstiger als einzelne Tagesfahrscheine war, gehört zum vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbaren Tatsachenbereich.

Das in der Revision ins Treffen geführte Problem, wie ein solcher Pauschalkostenersatz in sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht korrekt abzurechnen ist, wenn keine Belege für die Ausgaben vorgelegt werden, hat auf das Entstehen des Anspruchs keinen Einfluss.

Ob ein Entlassungsgrund verwirklicht und rechtzeitig geltend gemacht wurde, bestimmt sich immer nach den Umständen des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0031571; RS0031799 [T28]). Die Revision zeigt in diesem Punkt auch keine ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit wahrzunehmende krasse Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf. Die Ausführungen über eine länger dauernde beharrliche Pflichtenverletzung, die rechtzeitig geltend gemacht worden sei, setzen sich über den festgestellten Sachverhalt hinweg. Weder wurde eine (einschlägige) Verwarnung der Klägerin ausgesprochen (RIS-Justiz RS0107592; RS0029746 [T28]; RS0104131; RS0029095 [T8]), noch hat sie am Tag der Entlassung einen konkreten Anlass für die Beendigung gesetzt.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41 und 50 ZPO, die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung zwar sehr knapp, aber im Ergebnis zutreffend auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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