OGH 4Ob174/10g

OGH4Ob174/10g10.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Julius Meinl, *****, vertreten durch Gheneff‑Rami‑Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2010, GZ 4 R 74/10x‑9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Jänner 2010, GZ 10 Cg 90/09d‑5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00174.10G.0510.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.919,70 EUR (darin 780,95 EUR USt und 1.234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Medieninhaberin der Zeitschrift „Format“. Die Ausgabe vom 15. 5. 2009 enthielt einen Artikel, der auf der Titelseite ‑ neben einem Foto, das den Kläger zeigt ‑ in folgender Weise ankündigt worden ist:

 

Das für die Gestaltung dieses Titelblatts verwendete Foto ist ein nicht weiter bearbeitetes Originalfoto.

Der Kläger begehrte, die Beklagte dazu zu verpflichten es zu unterlassen, Abbildungen des Klägers zu veröffentlichen, wenn durch die Gestaltung der Abbildung und/oder durch den Bildbegleittext der Eindruck erweckt werde, es bestünde ein Zusammenhang zwischen dem Kläger und Adolf Hitler und/oder Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“. Das Titelblatt sei nach seinem Gesamteindruck zu beurteilen. Durch das Wortspiel „Meinls Kampf“ in Zusammenhang mit dem Lichtbild werde beim Publikum eine gedankliche Verbindung zwischen dem Kläger, dem genannten Buch und dessen Autor hergestellt, was noch durch die Wahl des Fotos des Klägers (Abbildung im Halbprofil, starrer Blick, Schatteneffekte) unterstrichen werde, weil auch Adolf Hitler regelmäßig in einer vergleichbaren Pose abgebildet worden sei. Durch die verbale und bildliche Gleichsetzung des Klägers mit einem der schlimmsten Massenmörder der Weltgeschichte und dessen Buch „Mein Kampf“, das antisemitische Hasstiraden enthalte, werde der Kläger beleidigt und der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das beanstandete Titelblatt erwecke beim Leser nicht den Eindruck, es bestünde zwischen dem Kläger und Adolf Hitler und/oder dessen Buch „Mein Kampf“ ein Zusammenhang. Das Foto zeige den Kläger in Verbindung mit dem Wort „Kampf“, das sich auf die Gegenoffensive des Klägers gegen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn beziehe, in „kämpferischer Pose“. Die Idee für diese Titelzeile sei der Beklagten aufgrund von Äußerungen des Klägers selbst gekommen, der in einer englischen Zeitung wie folgt zitiert worden sei: „I am the most hated man in Austria, but I am fighting back. It's more like war than anything else.“ Das Bildnis des Klägers erinnere nicht an Adolf Hitler. Das Publikum erkenne auf den ersten Blick, dass mit „Meinls Kampf“ die Offensive des Klägers in Hinblick auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gemeint sei. Diese Bedeutung des Textes werde durch den im Inneren der Ausgabe enthaltenen Artikel noch unterstrichen. Dass der Name des Klägers ein „mein“ enthalte, sei Zufall. Die Titelseite sei in keiner Weise herabwürdigend für den Kläger, dieser werde nicht bloßgestellt oder herabgesetzt und nicht im Entferntesten mit rechtsextremen Machenschaften in Zusammenhang gebracht. Dem Leser sei vielmehr sofort klar, dass es um die Gegenoffensive des Klägers in Hinblick auf die gegen ihn geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gehe.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt. Ob die Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers auf dem Titelblatt berechtigte Interessen des Abgebildeten verletze, sei unter Berücksichtigung von dessen Bekanntheitsgrad nach dem Gesamteindruck von Abbildung und Begleittext zu beurteilen. Das für das Titelblatt verwendete Foto zeige den Kläger mit Seitenscheitel, Halbprofil, einem etwas gespannten, beinahe starren Blick und zwei Stirnfalten über der Nasenwurzel; damit werde der Kläger nicht per se in einer unvorteilhaften Position dargestellt oder der Lächerlichkeit preisgegeben. Zwar sei bekannt, dass auch Adolf Hitler, der eine ähnliche Frisur getragen habe und gleichartig markante Stirnfalten hatte, oft in ähnlicher Pose abgebildet worden sei. Allein beim Betrachten des beanstandeten Bildes des Klägers dränge sich aber eine Assoziation mit Adolf Hitler noch nicht auf. Mit dem Begleittext jedoch führe der Gesamteindruck des Titelblatts unweigerlich in diese Richtung. Der Buchtitel „Mein Kampf“ sei weithin bekannt und werde regelmäßig mit dessen Autor in Verbindung gebracht. Gerade diesen Titel für die beanstandete Titelseite zu wählen, sei nicht notwendig gewesen und könne kein Zufall gewesen sein. Die mit dem Titelblatt bewirkte Verbindung zwischen dem Kläger und Adolf Hitler verletze berechtigte Interessen des Klägers, der im Zusammenhang mit einer Gesinnung und politischen Einstellung gebracht werde, die nicht nur verpönt, sondern in manchen Rechtsordnungen auch gesetzlich verboten sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die beanstandete unbearbeitete und für sich allein unverdächtige Abbildung des Klägers stelle in Verbindung mit dem Text „Meinls Kampf“ eine Assoziation zu dem von Adolf Hitler verfassten Buch her. Damit sei aber nicht zwingend der Eindruck einer Nähe des Abgebildeten zu nationalsozialistischem Gedankengut verbunden. Der Text auf der Titelseite lasse klar erkennen, dass es ausschließlich um die gegen den Kläger laufenden behördlichen Ermittlungen und seine Abwehr, nicht aber im Entferntesten um seine politische Gesinnung gehe. Dass der Kläger rechtes oder rechtsextremes Gedankengut bewundere, teile oder auch nur billige, werde ihm mit der Titelseite nicht unterstellt. Es handle sich vielmehr nur um ein allein von der Ähnlichkeit zwischen „Mein Kampf“ und „Meinls Kampf“ getragenes Wortspiel sowie ‑ berücksichtige man den gesamten Text der Titelseite mit den dem Kriegswesen entlehnten Worten „Offensive“ und „Attacke“ - um eine auf Aufmerksamkeit abzielende, reißerische und satirische Bewertung des Verhaltens des Klägers, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe abzuwehren. Solches verletze keine berechtigten Interessen des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

1.1. Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Durch diese persönlichkeitsrechtliche Bestimmung soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also insbesondere auch dagegen, dass er durch Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (vgl RIS‑Justiz RS0078161).

1.2. Das Gesetz legt den Begriff der „berechtigten Interessen“ nicht näher fest, weil es bewusst einen weiten Spielraum offen lassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalls gerecht zu werden (RIS‑Justiz RS0077827). Bei der Prüfung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, ist darauf abzustellen, ob die von ihm geltend gemachten Interessen bei objektiver Prüfung des Einzelfalls als schutzwürdig anzusehen sind (RIS‑Justiz RS0078088).

1.3. Da die Beurteilung, ob eine Bildnisveröffentlichung berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt, nach objektiven Kriterien und unter Würdigung des Gesamtzusammenhangs erfolgt, kommt es nicht darauf an, was mit der Bildnisveröffentlichung beabsichtigt war oder wie sie vom Betroffenen subjektiv aufgefasst wurde. Maßgebend ist vielmehr, wie die Art der Veröffentlichung vom Publikum verstanden wird (4 Ob 100/94; vgl RIS‑Justiz RS0031883[T3]).

1.4. Es ist nicht nur das Bild für sich allein zu beurteilen, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in den es gestellt wird (RIS‑Justiz RS0078077). Dabei ist insbesondere der Begleittext zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0043508, RS0078077 [T8, T9], RS0078088 [T5]). Dies gilt auch bei der Veröffentlichung von Bildern allgemein bekannter Personen (RIS‑Justiz RS0078074, RS0077782 [T3, T4, T5]) sowie von Personen, die durch die öffentliche Berichterstattung (hier: über strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kläger) auch nur vorübergehend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten sind.

1.5. Wird ein Bild auf der Titelseite einer Publikation veröffentlicht, dann ist auch nur die Gestaltung dieser Titelseite maßgebend, nicht aber der sonstige Inhalt der Publikation, der in aller Regel nicht die gleiche Publizität wie die zumeist auch öffentlich ausgestellte Titelseite erreicht (vgl 4 Ob 100/94).

2.1. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass die Veröffentlichung des unveränderten Originalbilds des Klägers, das ihn in keiner unvorteilhaften oder lächerlichen Pose zeigt, für sich allein keine berechtigten Interessen des Klägers verletzt. Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass die Titelseite in ihrer Gesamtheit nicht den Eindruck hervorruft, der Kläger bewundere, teile oder billige rechtes oder rechtsextremes Gedankengut. Ob durch die Gestaltung des Titelblatts berechtigte Interessen des Klägers verletzt werden, ist damit aber nicht abschließend beantwortet.

2.2. Für den unvoreingenommenen Betrachter des Zeitgeschehens sind der Nationalsozialismus und seine Führungsgestalten ausschließlich negativ und diskreditierend besetzt, weil sie untrennbar mit dem Gedanken an die Verfolgung und Vernichtung politischer Gegner, an rassisch begründete Massenmorde, an die Führung von Angriffskriegen und an Kriegsverbrechen verbunden sind. Es ist daher herabwürdigend, ehrenrührig und verletzt das Persönlichkeitsrecht und damit auch berechtigte Interessen iSd § 78 UrhG, wenn der Kläger, der sich an keiner öffentlichen politischen Diskussion beteiligt hat, ohne jeden sachlichen Anknüpfungspunkt in einen assoziativen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus bzw einer seiner Führungsgestalten gestellt wird.

2.3. Ein solcher verpönter gedanklicher Zusammenhang wird durch die beanstandete Gestaltung des Titelblatts (berücksichtigt man den Gesamteindruck von Wort- und Bildteil) bewirkt, indem ein Wortspiel, das auf der klanglichen Ähnlichkeit zwischen dem Titel des ideologischen Hauptwerks des Nationalsozialismus „Mein Kampf“ und der Verbindung des Nachnamens des Klägers mit dem Wort „Kampf“ beruht, sowie ein der Kriegsführung entnommenes Vokabular („Offensive“, „Attacke“, „Konter“) mit der Abbildung des Klägers in einer Pose kombiniert wird, die Adolf Hitler in ähnlicher Form häufig eingenommen hat.

2.4. Zweifellos steht es Medien frei, die Aufmerksamkeit ihrer Leser durch „reißerische und satirische“ Gestaltung (so die Beurteilung des Berufungsgerichts) auf ihre Produkte zu lenken, doch sind auch diesen Stilmitteln Grenzen gesetzt (vgl etwa jüngst zur Satire 4 Ob 119/10v mwN), die die Beklagte im Anlassfall deutlich überschritten hat.

2.5. Dass die Beklagte einen redaktionellen Beitrag darüber, wie der Kläger auf die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe reagiert, auch in einer Form auf dem Titelblatt ankündigen hätte können, die keine Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzt, liegt auf der Hand. Die Rechtsverletzung ist deshalb auch nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt, auf das sich die Beklagte im Übrigen gar nicht berufen hat.

3. Der Revision ist Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

4. Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.

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