OGH 9Ob46/10w

OGH9Ob46/10w27.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Bauträger GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung des Nichtbestehens einer Servitut, Entfernung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 9.000 EUR), über die Revision (Revisionsstreitwert 6.000 EUR) der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 25. Februar 2010, GZ 53 R 341/09t-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. September 2009, GZ 16 C 1533/08h-11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** H*****, Bezirksgericht S*****, mit dem Grundstück Nr *****/59. Nördlich grenzen an dieses Grundstück, von Westen (S*****straße) beginnend, die Grundstücke Nr *****/25 und Nr *****/39, jeweils inneliegend in der EZ *****, Grundbuch ***** H*****, Bezirksgericht S*****. Eigentümerin dieser Liegenschaft ist die Beklagte. Auf dem Grundstück Nr *****/25 befindet sich eine befestigte Zufahrt, die auch in das Grundstück Nr *****/39, auf dem sich das Haus der Beklagten befindet, hineinreicht. Südlich, also in Richtung der Liegenschaft der Klägerin, grenzt an diese Zufahrt ein teilweise mit Fundamenten versehener Zaun bzw eine Hecke. Diese Anlagen wurden vor ungefähr 60 Jahren von den damaligen Eigentümern der Nachbarliegenschaften, somit den Rechtsvorgängern der Streitteile, einvernehmlich errichtet. Die Zufahrt wurde ausschließlich von der Klägerin und ihren Rechtsvorgängern als Zu- und Abfahrt bzw als Zu- und Abgang zum und vom Haus auf dem Grundstück Nr *****/39 benützt. Tatsächlich ragen die vorgenannten Weg- und Grenzanlagen, gemessen an der Mappengrenze, bis zu 80 cm in das Grundstück der Klägerin hinein.

Im Zuge der Vermessungsarbeiten für den geplanten Verkauf des Grundstücks Nr *****/59, welches mit einem weiteren, hier nicht relevanten Trennstück vereinigt werden sollte, stellte sich die Abweichung der Natur- von der Mappengrenze heraus. Die Beklagte wurde daher mit Schreiben vom 2. 5. 2006 von dem für die Rechtsvorgängerin der Klägerin einschreitenden Geometer aufgefordert, dem neu vermessenen Grenzverlauf zwecks Eintragung im Grenzkataster zuzustimmen, was jene aber ablehnte, sodass es zu einem Aufforderungsverfahren nach § 18a VermG kam und mangels rechtzeitiger Einwendungen durch die Beklagte (§ 18a Abs 2 VermG) der Grundsteuerkataster bescheidmäßig (§ 20 VermG) in einen Grenzkataster umgewandelt wurde. Diese Umwandlung kann, wie sich zwangsläufig aus der der Aufforderung folgenden Einwendungsfrist und dem Bescheid-Verfahren ergibt, erst erhebliche Zeit nach Abschluss des Kaufvertrags mit der Klägerin wirksam geworden und im Grundstücksverzeichnis eingetragen worden sein.

Mit Kaufvertrag vom 31. 5. 2006 erwarb die Klägerin das neu gebildete Grundstück Nr *****/59 im zugesagten Ausmaß von 1.169 m². Die Verkäuferin sicherte der Klägerin überdies die Freiheit des Kaufobjekts von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten zu.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin

1.) die Feststellung - mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger gegenüber der Beklagten und deren Rechtsnachfolgern als Eigentümern der streitgegenständlichen Grundstücke - dass die Beklagte nicht berechtigt ist, sich die Dienstbarkeit des Wegerechts an dem Grundstück Nr *****/59 anzumaßen und das Eigentum der Klägerin durch Benützung der strittigen Fläche als Garten, Zufahrt oder Wegfläche zu stören

2.) die Entfernung der auf dem Grundstück Nr *****/59 errichteten Weganlage und des Gartenzauns samt Fundamenten, sowie

3.) die Unterlassung der zu Punkt 1.) genannten Störungshandlungen.

Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, ihr Grundstück gutgläubig im Vertrauen auf Belastungsfreiheit erworben zu haben. Insbesondere sei nicht erkennbar gewesen, dass sich Wegeanlage und Zaun nicht an der Mappengrenze, sondern bis zu 80 cm auf dem von ihr erworbenen Grundstück befunden hätten. Es komme ihr daher die Rechtswohltat des lastenfreien Erwerbs nach § 1500 ABGB zugute.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe zumindest (- aus dem Gesamtvorbringen erschließbar -) eine Dienstbarkeit am strittigen Grundstücksteil ersessen, die in der Natur jedenfalls ersichtlich gewesen sei, sodass sich die Klägerin auf keinen lastenfreien Erwerb berufen könne.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und vertrat die Rechtsauffassung, dass die Klägerin im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher die Liegenschaft lastenfrei erworben habe (§ 1500 ABGB). Die von der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern ersessene Dienstbarkeit sei in der Natur nicht so auffällig gewesen, als dass die Klägerin zu weiteren Nachforschungen verpflichtet gewesen sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Die Klägerin hätte sich nicht auf die formularhaften Zusicherungen der Lastenfreiheit durch die Verkäuferin verlassen dürfen, zumal in dem der Klägerin bekannten Lageplan Buschwerk, welches der Grenzhecke zuzuordnen sei, eingezeichnet sei und die strittigen Anlagen in der Natur klar erkennbar seien. Diese Fahrlässigkeit stehe einer Anwendung des § 1500 ABGB entgegen, die Klägerin müsse daher die Servitut der Beklagten dulden. Ein Anspruch auf Entfernung der Zaunanlage (Punkt 2 des Klagebegehrens) bestehe schon deshalb nicht, weil diese einvernehmlich und gemeinsam durch die Rechtsvorgänger der Streitteile errichtet worden sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Aufgrund des gemäß § 508 Abs 1 ZPO gestellten Antrags der Klägerin änderte das Berufungsgericht seinen Zulassungsausspruch dahin ab, dass es die Revision zuließ. Entgegen dem der Vorentscheidung 2 Ob 48/97s zugrunde liegenden Sachverhalt seien hier die aus dem Lageplan ersichtlichen Abweichungen wesentlich weniger auffällig. Der Beurteilung der Sorgfaltspflicht eines Erwerbers im Rahmen des § 1500 ABGB komme erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren hinsichtlich der Punkte 1.) und 3.) stattgegeben werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.) Gemäß § 1500 ABGB kann das aus einer Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteil gereichen.

2.) Um den Liegenschaftserwerber des Schutzes des § 1500 ABGB teilhaftig werden zu lassen, ist erforderlich, dass diesem sowohl im Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts als auch des Ansuchens um Einverleibung die etwa vom Grundbuchstand abweichende wahre Sachlage unbekannt war. Der redliche Erwerber wird jedoch nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung auf Fahrlässigkeit beruht (RIS-Justiz RS0034776). Der Vertrauensgrundsatz kommt dem nicht zugute, der bei gehöriger Aufmerksamkeit die Abweichung des Buchstandes von der wahren Rechtslage erkennen musste (RIS-Justiz RS0034776 [T10]). Wann ein Anlass zur Überprüfung gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0034776 [T17]).

3.) Die Klägerin beruft sich gar nicht auf den Grenzkataster (s hiezu auch die eingangs dargelegte Chronologie der Katasterumwandlung). Der Mappendarstellung kommt aber nach der Rechtsprechung nicht die Bedeutung einer bücherlichen Eintragung zu, sie ist nur dazu bestimmt, die Lage der Liegenschaften zu veranschaulichen (RIS-Justiz RS0049554). Demzufolge ist auch das Vertrauen auf die Darstellung der Grenze nicht geschützt, maßgeblich ist vielmehr der in der Natur festzustellende Verlauf (RIS-Justiz RS0049554 [T1]).

4.) Nach den Feststellungen war in dem der Klägerin vorgelegten Lageplan - wenn auch nur im westlichen Teil der Grundstücksgrenze - Buschwerk eingezeichnet, welches bei einer Besichtigung in der Natur nur der Grenzhecke zugeordnet hätte werden können. Der im Einzelfall gezogene Schluss des Berufungsgerichts, dass demzufolge die teilweise über die Mappengrenze hinausgehende Weganlage auffallen hätte müssen, weshalb der Klägerin Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, ist zumindest vertretbar, ohne dass ein Widerspruch zur Entscheidung 2 Ob 48/97s vorliegt.

5.) Die Klägerin kann somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Dieser Schriftsatz diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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