Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere
Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Am 25. April 1987 entzündete der am 6. November 1978 geborene Beklagte in Annenheim beim Spielen auf der an das Anwesen des Klägers angrenzenden Wiese dürres Gras. Auf Grund starken Windes breitete sich das Feuer aus und erfaßte eine trockene Rasenfläche im Ausmaß von 10 bis 15 m Länge und 1 bis 2 m Breite. Das Feuer griff auch auf acht entlang der östlichen Einfriedung des Grundstückes des Klägers gepflanzte serbische Fichtenbäume über, die dadurch zerstört wurden.
Die Mutter des Beklagten hat eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, durch die der vom Beklagten verursachte Schaden gedeckt wäre. Der Versicherer überwies dem Kläger zur Abgeltung seines Schadens vor Prozeßbeginn S 40.000,--.
Der Kläger begehrt den Zuspruch weiterer S 50.596,-- sA. Der vom Beklagten verschuldete tatsächliche Schaden durch die Zerstörung der serbischen Fichten betrage S 90.596,--.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Dem Grunde nach stehe zwar sein Alleinverschulden in einer leichten Fahrlässigkeit fest. Durch die Zerstörung der serbischen Fichten sei es aber (nur) zu einer Wertminderung des Grundstückes des Klägers gekommen, die nach dem "Sachwertverfahren" zu ermitteln sei. Selbst wenn der Schaden des Klägers nicht nur in einer Wertminderung seines Grundstückes bestehe, sei das Klagebegehren nicht berechtigt. Der in dem vom Kläger eingeholten Kostenvoranschlag angeführte Preis einer serbischen Fichte sei nicht angemessen. Die zerstörten Fichten seien keine Solitärpflanzen gewesen, es habe sich um heckenbildende, praktisch unverkäufliche Fichten gehandelt. Gehe man davon aus, daß die Hecke einen gewissen Sichtschutz für den Kläger habe bilden sollen, sei als Schadensabgeltung für acht Fichten in einer Höhe von 1,5 bis 2 Meter a S 1.900,-- und die für das Umpflanzen der Bäume erforderlichen Kosten ein Betrag von S 17.780,-- angemessen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:
Die an der Ostseite des Grundstückes des Klägers entlang der Einfriedung in einem Abstand von 1,5 m bis 2 m stehenden serbischen Fichten wurden ungefähr vor 8 Jahren mit einer Größe von 2,0 m bis 2,5 m angepflanzt. Sie hatten am 25. April 1987 eine Höhe zwischen 4,5 m und 5 m erreicht und bildeten gegenüber dem Nachbargrundstück einen völligen Sichtschutz. Diese Fichten waren Solitärbäume; sie waren nicht beschnitten.
Durch den vom Beklagten herbeigeführten Brand wurden sieben Bäume zur Gänze vernichtet; beim achten Baum verbrannte eine Seite. Dadurch ist der bestehende Sichtschutz vom Nachbargrundstück auf das Grundstück des Klägers nicht mehr gegeben.
Die durch das Feuer zerstörten Bäume müssen entfernt werden. Auch die nur an einer Seite angebrannte serbische Fichte wird sich nicht mehr erholen und in Kürze eingehen; sie muß daher ebenfalls entfernt werden.
Der vor dem Brand bestandene Zustand kann durch Einsetzen von 4,5 m bis 5 m hohen serbischen Fichten in Ballen zu den Pflanzzeiten im Frühjahr oder Herbst wiederhergestellt werden. Wenn auch die im Ballen neu eingesetzten Bäume in den ersten zwei Jahren in ihrem Wachstum gegenüber den unbeschädigten Bäumen zurückbleiben werden, so werden diese Bäume doch sogleich wieder einen Sichtschutz bilden und es wird auch in den ersten Jahren das Gesamtbild gegenüber den unbeschädigten Bäumen nicht allzusehr beeinträchtigt. Der Kläger hat bisher den Schaden durch Wiederherstellung des alten Zustandes noch nicht beheben lassen, er wird aber im Frühjahr 1988 die Schadensbehebung durch Entfernung der beschädigten serbischen Fichten und durch Neuanpflanzung von acht 4,5 m bis 5 m hohen serbischen Fichten durchführen lassen. Die Entfernung der beschädigten Bäume, ihre Abfuhr, das Liefern und Einsetzen von acht serbischen Solitärfichten 450 cm/500 cm, acht Baumpfählen und die Zufuhr von Düngererde erfordert insgesamt S 90.596,--. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, den Beklagten treffe ein Verschulden an der Beschädigung der Bäume. Die nach § 1323 ABGB vorgesehene Naturalherstellung sei möglich und tunlich. Der Kläger habe daher Anspruch auf Ersatz der durch die Pflanzung von acht 4,5 m bis 5 m hohen serbischen Solitärfichten entstehenden Kosten. Der vorhanden gewesene vollständige Sichtschutz gegenüber dem Nachbargrundstück werde hiedurch wiederhergestellt; dies wäre bei Anpflanzung von 2 m bis 2,5 m hohen Bäumen anstelle der zerstörten Bäume nicht der Fall. Das "Sachwertverfahren" sei im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die Verpflichtung des Schädigers zur Naturalrestitution, die der Kläger durch Schaffung einer Ersatzlage anstrebe, finde dort ihre Grenze, wo Naturalersatz als untunlich anzusehen sei, weil die Wiederherstellung zwar möglich, aber mit so hohen Kosten verbunden wäre, daß sie unwirtschaftlich erscheine. Naturalrestitution sei im vorliegenden Fall nur zu leisten, wenn Art, Standort und Funktion der Bäume (als Sichtschutz) den Ersatz durch gleichhohe Bäume rechtfertigten. Der Kläger habe hiezu nichts vorgebracht. Es werde seine Sache sein, allenfalls ergänzende Behauptungen in dieser Richtung aufzustellen. Die Richtigkeit dieser Behauptungen werde zu prüfen sein. Bestehe danach ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer Naturalrestitution unter Bedachtnahme auf die Beurteilung durch einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen, seien die Aufwendungen für eine Neupflanzung zuzuerkennen. Andernfalls aber müsse sich der Kläger mit dem Zuspruch von Kosten für die Anschaffung und Anpflanzung von 2 m bis 2,5 m hohen Fichten, wie sie acht Jahre vor dem Schadensereignis von ihm selbst vorgenommen worden sei, begnügen. Die Kosten einer derartigen Anschaffung und Anpflanzung stünden nicht fest. Der Rechtskraftvorbehalt sei gerechtfertigt, weil es an einer Rechtsprechung zu einem Fall der vorliegenden Art fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe Naturalrestitution zu leisten, weil durch die Pflanzung kleinerer Bäume eine Beeinträchtigung der Funktion der gepflanzten serbischen Fichten als Sicht- und Lärmschutz verbunden wäre. Naturalrestitution sei vom gärtnerischen Standpunkt aus möglich. Hinsichtlich der Frage der Unwirtschaftlichkeit einer Naturalrestitution sei kein strenger Maßstab anzulegen, weil ein Geschädigter grundsätzlich so zu stellen sei wie vor Eintritt eines Schadensfalles.
Nach § 1323 ABGB ist ein Schaden in erster Linie durch Zurückversetzung in den vorigen Stand auszugleichen. Nur wenn dies nicht möglich oder untunlich ist, soll der Schätzungswert vergütet werden. Nach dem ABGB ist demnach primär die Naturalherstellung und nur subsidiär der Geldersatz vorgesehen. Der Vorrang der Wiederherstellung des vorigen Standes beruht auf dem Gedanken, daß die Naturalrestitution den besten und vollständigen Ersatz darstellt. Sie wahrt das Integritätsinteresse und ist am besten geeignet, den Ausgleichsgedanken zu verwirklichen. Während Geldersatz dem Geschädigten nur das "Wertinteresse" in Geld ersetzt, wird durch die Naturalherstellung jener tatsächliche Zustand hergestellt, wie er ohne schädigendes Ereignis bestanden hätte. Die Naturalherstellung ist selbst dann durchzuführen, wenn sie teurer kommt als Geldersatz. Sie scheidet wegen Untunlichkeit nur dann aus, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand an Kosten und Mühe erfordert (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 173 f, 177, und 182 f).
Im vorliegenden Fall ist Naturalrestitution durch Schaffung einer im wesentlichen gleichartigen Lage ("Ersatzlage"; Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 311; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1323) möglich. Der Sachverhalt unterscheidet sich damit wesentlich von jenem, der der Entscheidung ZVR 1988/104 zugrundelag, weil dort die Naturalrestitution des zerstörten Teils einer Fichtenhecke nicht in Betracht kam - die Neupflanzung von Fichten in der Höhe, die die beschädigten Bäume aufwiesen (8 bis 12 m), wurde als nicht möglich festgestellt -, so daß die Ansicht vertreten wurde, die Kosten der Wiederherstellung des beschädigten Teils der Fichtenhecke erschöpften sich in den Kosten der Anschaffung und Pflanzung möglichst großer, aber noch pflanzfähiger Bäume in einer Wuchshöhe von 4 bis 4,5 m und ihrer Pflege bis zur Erreichung der Wuchshöhe der beschädigten Bäume; die bloße Beeinträchtigung des optischen Erscheinungsbildes und der Funktion der Hecke als Sicht- und Lärmschutz begründe für sich allein keinen positiven Schaden, sie könnte nur im Rahmen des Wertes der besonderen Vorliebe von Bedeutung sein.
Eine den positiven Schaden übersteigende Ersatzleistung iS des § 1331 ABGB ist nicht Verfahrensgegenstand.
Im Gegensatz zur Entscheidung ZVR 1988/104, in der die Ersatzlage durch Pflanzung (nur) "möglichst großer" Bäume als bewirkt angesehen wurde, weil die Wiederherstellung des beschädigten Teils der Fichtenhecke durch Neupflanzung von Fichten in der Höhe, wie sie die beschädigten Bäume aufwiesen, nicht möglich war, ist im vorliegenden Fall die Neupflanzung von serbischen Fichten in jener Höhe, wie sie die durch Feuer zerstörten Bäume aufwiesen, technisch möglich. Der Umstand allein, daß das Einpflanzen serbischer Fichten in einer Höhe von 4,5 m bis 5 m beträchtlich höhere Kosten erfordert als das von 2 m bis 2,5 m hohen Bäumen bildet noch keinen Grund, eine Ersatzlage bereits durch die Anschaffung und das Einsetzen kleinerer Bäume als hergestellt anzusehen.
Ob eine Ersatzlage durch die Anpflanzung von serbischen Fichten in einer Höhe von nur 2 bis 2,5 m nicht geschaffen wäre, weil dadurch die Funktion der die Einfriedung des Grundstückes bildenden Bäume, einen Sichtschutz gegenüber dem Nachbargrundstück zu bilden, nicht erreicht würde, kann aber derzeit nicht gesagt werden. Der Kläger hat im Verfahren vor dem Erstgericht nicht behauptet, daß die Bäume einen Sichtschutz bilden sollten - die Angaben des Klägers bei seiner Vernehmung als Partei vermögen eine entsprechende Behauptung nicht zu ersetzen -, und auch die beklagte Partei hat in der Klagebeantwortung lediglich bei ihren Einwendungen zur Höhe des Klagebegehrens ausgeführt, es sei ein bestimmter (von ihr bereits geleisteter) Ersatzbetrag angemessen, wenn man davon ausgehe, "daß die Hecke auch einen gewissen Sichtschutz für (den Kläger) bieten soll", hat also keineswegs ihrerseits eine Behauptung dahingehend, daß die Bäume einen (vollen) Sichtschutz bilden sollten, aufgestellt. Das Erstgericht hat dementsprechend auch nicht eine derartige Funktion der Bäume festgestellt, sondern nur, daß die Bäume (zum Zeitpunkt der Schadensereignisses) tatsächlich einen Sichtschutz gebildet haben. Sollte der Kläger im fortgesetzten Verfahren behaupten, daß die Bäume einen Sichtschutz bilden sollten, wird dies durch geeignete Erhebungen - wie im angefochtenen Beschluß näher ausgeführt - zu prüfen sein. Zu prüfen wird dabei auch sein, ob und aus welchen Gründen (Höhe der Nachbarhäuser?) ein angemessener Sichtschutz nur durch Anpflanzung 4,5 bis 5 m hoher Bäume erreicht werden kann.
Die Frage des Sichtschutzes aber ist von wesentlicher Bedeutung bei Beurteilung der Frage, ob die Wiederherstellung wegen unverhältnismäßig hohen Kostenaufwandes untunlich ist (Koziol aaO 174). Der Schädiger hat (nur) für die Schadensbehebung zweckmäßigen Mittel aufzukommen, dh für jene Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch, der den Schaden selbst zu tragen hätte, ebenfalls machen würde (MietSlg 25.175). Sollten die zerstörten Bäume nicht auch einen Sichtschutz gegen Nachbarliegenschaften bieten, so kann nicht angenommen werden, daß der Kläger, hätte er selbst den Aufwand zu tragen, die sehr hohen Kosten für die Anschaffung von 4,5 bis 5 m hohen Bäumen auf sich nehmen würde; er würde dann kleinere Bäume einsetzen und den vor allem während der ersten Jahre bestehenden Größenunterschied gegenüber den noch vorhandenen Bäumen in Kauf nehmen. Die Tunlichkeit des Ersatzes durch gleich hohe Bäume wäre zwar eher gegeben, wenn die zerstörten Bäume (auch) den Zweck hatten, einen Sichtschutz zu bieten, und ein derartiger Sichtschutz für den Kläger zweckmäßig oder sogar notwendig war. Auch in diesem Fall dürfte aber nicht unbeachtet bleiben, daß zwar schweres Verschulden das Ausmaß der Tunlichkeit erweitert, weil die Interessen des Schädigers weniger Berücksichtigung verdienen (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1323), daß aber dem zur Zeit des Schadensereignisses etwa 8 1/2 Jahre alten Beklagten ein grob fahrlässiges Verhalten schon wegen seines Alters keinesfalls vorgeworfen werden kann. Daß die Liegenschaft des Klägers durch die Beschädigung der Bäume eine Minderung ihres Verkehrswertes erlitten hätte, wurde nicht behauptet (vgl. hiezu BGH 13. Mai 1975, VersR 1975, 1074, sowie ZVR 1988/104). Die vom Beklagten bereits in der Klagebeantwortung vergleichsweise herangezogene Entscheidung VersR 1975, 1074, betrifft im übrigen einen mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt, nämlich die Beschädigung eines Alleebaumes. Auch der Bundesgerichtshof hob in der genannten Entscheidung hervor, daß die Zubilligung der vollen Wiederherstellungskosten bei Beschädigung eines Baumes gerechtfertigt sei, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichwertigen Baum wenigsten nahelegten. Dies entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu § 1323 ABGB. Die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung erweist sich aus den dargelegten Gründen als gerechtfertigt. Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.
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