OGH 12Os165/10x

OGH12Os165/10x29.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen Ravinder P***** ***** ***** und Mohammad S***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 2, 130 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mohammad S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 30. April 2010, GZ 39 Hv 10/10g-202a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten Mohammad S***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Mohammad S***** fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen - auch rechtskräftige Schuldsprüche und einen Freispruch des Mitangeklagten Ravinder P***** ***** ***** enthaltenden - Urteil wurde Mohammad S***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 und Abs 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „zwischen Mai 2009 und November 2009 in Wien Sachen, die der Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen durch sie erlangt hat, gekauft, und zwar in oftmals wiederholten Angriffen durch Erwerb eines Teils der von Ravinder P***** ***** *****, Thoheed A*****, Amar Sa***** - auch durch Einbruch - und uT gestohlenen Zeitschriften in nicht mehr feststellbarem Wert zu einem 50 % unter dem Verkaufswert liegenden Kaufpreis, wobei er die Hehlerei gewerbsmäßig beging“.

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mohammad S*****, der teilweise Berechtigung zukommt.

Das Wissen des Angeklagten Mohammad S***** um die Herkunft der angekauften Zeitschriften aus Vermögensdelinquenz, in concreto seine Annahme, sie stammten aus Veruntreuungen (US 24 letzter Absatz), erschlossen die Tatrichter im Einklang mit den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nur aus den Bekundungen der ehemaligen Mitangeklagten Thoheed A*****, Amar Sa***** und Kamaljeet Si***** sowie des Erstangeklagten ***** und der Zeugen Reinhard K*****, Gurdial B***** und Awad E***** *****, wonach in der Branche jedermann von der unredlichen Erlangung der Druckwerke wusste (US 22), sondern auch aus einer Gesamtbetrachtung seiner ursprünglichen Verantwortung vor der Kriminalpolizei (US 24). Gleichzeitig verwarfen sie seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, nichts von der tatsächlichen Herkunft der Druckwerke gewusst, sondern angenommen zu haben, es handle sich um Retourware, auch mit der - unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ebenfalls nicht zu beanstandenden - Überlegung, dass Zeitungen und Zeitschriften einerseits nach Ablauf ihrer Verkaufsperiode in der Regel nicht mehr verkäuflich wären und es andererseits nicht verständlich wäre, dass Retourware vor dem Ablauf dieses Zeitraums zurückgeschickt werden sollte (US 23 f).

Nicht auf Aktenbasis argumentiert die Mängelrüge, Amur Sa***** habe „in der Hauptverhandlung vom 29. März 2010“ (S 33 in ON 169) klargestellt, dass in Wahrheit nicht er, sondern Kamaljeet Si***** die Zeitungen an Mohammad S***** verkaufte. Der darauf gegründete Einwand unvollständiger Erörterung (Z 5 zweiter Fall) seiner Aussage geht daher schon im Ansatz fehl. Im Übrigen ging das Gericht ohnedies davon aus, dass Amar Sa***** den Beschwerdeführer nicht ausdrücklich von der Herkunft der Zeitungen informiert hatte (US 22).

Weshalb es einen entscheidenden oder erheblichen Umstand (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399 ff, 409 ff) betreffen sollte, ob Amur Sa***** dabei war, als Kamaljeet Si***** Zeitungen an Mohammad S***** verkaufte, und ob der Beschwerdeführer auch unmittelbar von Thoheed A***** Zeitschriften, die aus einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen stammten, bezog, deren Angaben hiezu also erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) gewesen wären, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar. Vielmehr ging das Erstgericht - der Rüge zuwider - keineswegs davon aus, Thoheed A***** habe gerade aufgrund einer Geschäftsbeziehung mit Mohammad S***** über dessen subjektive Tatseite Bescheid gewusst, sondern seine Verantwortung lediglich als Bestätigung dafür gesehen, dass die Kolporteure wussten, Zeitungen würden gestohlen und über sie weiterverkauft (US 22).

Mit der Einlassung des Beschwerdeführers zu dessen Vermutung über die Herkunft der Zeitschriften nicht nur aus Retourware sondern auch aus überschüssiger Lieferung hat sich das Gericht ohnedies befasst, sie aber als unglaubwürdig verworfen (US 23 f).

Eingangs der Vernehmung des Rechtsmittelwerbers durch die Polizeiinspektion Baden am 18. November 2009 findet sich dessen Aussage „Mir ist bewusst, dass ich festgenommen wurde, weil der Verdacht besteht, dass ich gestohlene Magazine weiterverkauft haben soll“. Im Zuge der daran anschließenden eingehenden Befragung wurde er mit der Herkunft der Zeitschriften aus Diebstählen jedoch nicht mehr ausdrücklich konfrontiert (S 173 ff in ON 144). Eben dies wird vom Erstgericht auf US 24 aktenkonform dargestellt, sodass der vom Nichtigkeitswerber behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) auf der Begründungsebene nicht vorliegt.

Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die subjektive Tatseite im Wege der oben angeführten Erwägungen mängelfrei erschlossen.

Keine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) im Sinne der unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe wesentlicher Teile des Inhalts einer Aussage (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467) liegt in der Zitierung der zuletzt getätigten Angaben des Kamaljeet Si***** („Ich habe ihm gesagt, das ist zurückbehaltene Ware oder Retourware. Am Paket steht ein Datum, das hat er gesehen“; US 22 unten in Bezug auf S 47 in ON 169). Hingegen antwortete Kamaljeet Si***** - wie im Rechtsmittel zitiert - („ich habe ihm vielleicht gesagt, dass es Retourware ist oder die ich weniger geliefert habe, aber genau erinnere ich mich nicht“) auf eine zuvor gestellte Frage des Verteidigers des Beschwerdeführers (S 47 in ON 169).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) macht nicht klar (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO), an welchen konkreten Feststellungen sie erhebliche Bedenken aufzuzeigen trachtet, indem sie sich gegen die Rechtsauffassung des Erstgerichts wendet, wonach vom Angeklagten erworbene Zeitschriften aus Diebstählen stammen. Zudem fehlt ihr (demgemäß auch) die gebotene Bezugnahme auf konkrete Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446).

Mit dem Vorwurf fehlender Feststellungen zu einem eine vermögensdeliktische Sacherlangung umfassenden Vorsatz vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die - wenngleich disloziert getroffenen - Urteilsannahmen, wonach der Beschwerdeführer geglaubt habe, die Zeitschriften stammten aus Veruntreuungen (US 24).

Dem Vorbringen, wonach die dem Verteidiger zugestellte Urteilsabschrift die Seiten 17 und 18 nicht enthalten habe und demgemäß Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten fehlten, ist zu entgegnen, dass Bezugspunkt für die Überprüfung einer Entscheidung nicht die Urteilsausfertigung, sondern deren Urschrift ist (Danek, WK-StPO § 270 Rz 53) und sich in dieser die vermissten Feststellungen auf US 18 (teilweise iVm US 24) finden. Im Übrigen zitiert der Beschwerdeführer selbst mehrfach (Punkte I./6./ und I./7./ des Rechtsmittels) aus den als fehlend behaupteten Seiten. Schließlich hat er im Rahmen der Strafberufung (Beschwerdeschrift S 11) selbst zugestanden, am 13. September 2010 eine vollständige Urteilsabschrift erhalten zu haben.

Der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), die Feststellung, „durch die wiederkehrende Begehung der Tat wollte er sich eine fortlaufende Einnahme verschaffen“ (US 18), vermöge die Annahme gewerbsmäßigen Handelns nicht zu begründen, übergeht die Konkretisierung, wonach der Angeklagte mit gewerbsmäßiger Absicht handelte (US 24).

Mit der Behauptung, eine Sache könne nicht gewerbsmäßig gekauft werden, hält die weitere Subsumtionsrüge nicht an den getroffenen Konstatierungen fest, wonach der Angeklagte für die Zeitschriften nur 50 % des vorgesehenen Kaufpreises bezahlte (US 17), und leitet demgemäß nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb das Tätervermögen in Höhe des Differenzbetrags zum redlichen Kaufpreis nicht vermehrt wäre (vgl Jerabek in WK² § 70 Rz 10).

Zutreffend weist jedoch die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) darauf hin, dass die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung mangelnder Einsicht des Zweitangeklagten für das von ihm verwirklichte Unrecht als eine für die Strafzumessung entscheidende Tatsache (US 26) eine unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; RIS-Justiz RS0090897). Daher wird das Erstgericht (vgl § 43 Abs 2 StPO; Lässig in WK-StPO § 43 Rz 23) die Strafe neu zu bemessen haben (14 Os 49, 50/01; Ratz, WK-StPO § 285i Rz 4).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch - insoweit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Mohammad S***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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