Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Mieterin in dem von der Antragsgegnerin als gemeinnütziger Bauvereinigung errichteten Haus ***** in *****.
Der Antragsgegnerin wurde mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 3. 9. 2009, GZ MA 50-Schli-II/265/2009, gemäß § 14c Abs 1 WGG iVm § 14a WGG aufgetragen, an allgemeinen Teilen der Liegenschaft bestimmte Erhaltungsarbeiten durchzuführen.
Die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist in Rechtskraft erwachsen.
Am 30. 9. 2010 beantragte die Mieterin beim Erstgericht gemäß § 14c Abs 2 WGG (entspricht § 6 Abs 2 MRG) die Bewilligung der Exekution zur Durchsetzung dieses Titels durch Bestellung eines Zwangsverwalters.
Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück. Nach herrschender Judikatur sei das nach der Vorschrift des § 14c Abs 2 WGG zur Durchsetzung eines Auftrags zur Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten vorgesehene Verfahren als Fortsetzung des Titelverfahrens anzusehen. Deshalb sei ein Vollstreckungsantrag grundsätzlich bei jener Stelle (Schlichtungsstelle oder Gericht) einzubringen, von der der Titel stamme.
Dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Seit der Entscheidung 41 R 295, 296/93 = MietSlg 45.235 vertrete der Rekurssenat die Ansicht, dass alle Exekutionsmaßnahmen im Rahmen des § 6 Abs 2 MRG dem Außerstreitrichter im Verfahren nach § 37 MRG obliegen, wenn für das Haus noch kein Zwangsverwaltungsverfahren nach §§ 97 ff EO anhängig sei. Selbst wenn also der Exekutionstitel von der Schlichtungsstelle stamme, komme die Entscheidungskompetenz über einen Exekutionsantrag nicht dieser, sondern dem zuständigen Bezirksgericht zu. Die Zurückweisung durch das Erstgericht erweise sich damit als verfehlt.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Zur hier zu lösenden Rechtsfrage, ob ein von der Schlichtungsstelle stammender Exekutionstitel zur Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten direkt bei Gericht durchgesetzt werden könne, lägen in Lehre und Rechtsprechung seit Jahren unterschiedliche Ansichten vor, die durch höchstgerichtliche Rechtsprechung zu klären seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses. Hilfsweise wird eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Rekursgericht beantragt.
Die Antragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs erweist sich aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen als zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.
Tatsächlich wurde die Frage, ob für ein Vollstreckungsverfahren nach § 6 Abs 2 MRG (in der Folge hier synonym verwendet für § 14c Abs 2 WGG) das Gericht unabhängig davon zuständig ist, ob der Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG vom Gericht oder von der Gemeinde stammt, jedenfalls in älterer Rechtsprechung und Lehre uneinheitlich gelöst (vgl 5 Ob 220/08a = wobl 2010/2 mit ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der Judikatur zweitinstanzlicher Gerichte und des Meinungsstands in der Lehre).
In zweitinstanzlicher Rechtsprechung wird seit der Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien 41 R 295, 296/93 (= MietSlg 45.235) - soweit überblickbar - einhellig die Ansicht vertreten, der Verweis in § 6 Abs 2 MRG, wonach über den Exekutionsantrag „das im § 37 Abs 1 bestimmte Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen“ zu entscheiden habe, sei so zu verstehen, dass damit eine umfassende Entscheidungskompetenz des Außerstreitrichters für sämtliche im Zusammenhang mit der Zwangsverwaltung auftretende Fragen bewirkt werden solle (vgl MietSlg 54.237 ua). In höchstgerichtlicher Rechtsprechung wurde in den Entscheidungen 5 Ob 286/97b und 5 Ob 287/97k (= MietSlg 48.223) diese Auffassung bestätigt. Weitere höchstgerichtiche Entscheidungen ließen die Frage offen (vgl etwa 5 Ob 2241/96m = MietSlg 48.222 = WoBl 1997/62; 5 Ob 120/98b = MietSlg 50.272; zuletzt 5 Ob 220/08a = wobl 2010/2).
Einhelliger Rechtsprechung entspricht es, dass ein gerichtlicher Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG jedenfalls ohne neuerliche Befassung der Schlichtungsstelle im gerichtlichen Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG durchzusetzen ist (vgl RIS-Justiz RS0069286).
Der in Lehre und Rechtsprechung einheitlich vertretene Grundsatz, dass das Verfahren zur Erwirkung eines Auftrags zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten und die Auftragsdurchsetzung nach § 6 Abs 2 MRG ein einheitliches Verfahren bilden (vgl OGH 5 Ob 91/84 = MietSlg 37.256; LGZ Wien MietSlg 38.281; RIS-Justiz RS0069286), könnte als Argument dafür herangezogen werden, dass - weil das vor der Schlichtungsstelle durchgeführte Titelverfahren mit dem zugehörigen Exekutionsverfahren eine Einheit bildet - der Antrag auf Durchsetzung ebenfalls im Schlichtungsstellenverfahren zu stellen sei (vgl Haybäck/Heindl in Schwimann 2 § 6 MRG Rz 11).
Dagegen spricht allerdings zunächst schon der Wortlaut des § 6 Abs 2 vorletzter Satz MRG. Dieser lautet wie folgt:
Über den Exekutionsantrag entscheidet das in § 37 Abs. 1 bestimmte Bezirksgericht im Verfahren Außerstreitsachen, es sei denn, daß für das Haus bereits eine Zwangsverwaltung nach §§ 97 ff. der Exekutionsordnung anhängig ist.
Mit dem Wortlaut des § 37 Abs 1 MRG, der die Zuständigkeit der Bezirksgerichte regelt, lässt sich dagegen nicht argumentieren, sieht doch § 6 Abs 1 MRG ausdrücklich für den Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten die Zuständigkeit des Gerichts oder der Gemeinde vor, § 6 Abs 2 hingegen nur die Zuständigkeit des Gerichts. Der Gesetzgeber hat also in § 6 Abs 1 und § 6 Abs 2 MRG die Zuständigkeiten insofern unterschiedlich geregelt, als für das Titelverfahren das Gericht oder die Gemeinde, für das Exekutionsverfahren hingegen ausdrücklich nur das Gericht als zuständig normiert wurde.
Dass es sich dabei nicht um ein (redaktionelles) Versehen des Gesetzgebers handelt, der es unterlassen hätte, in § 6 Abs 2 MRG in Parenthese auch die Gemeinde gemäß § 39 MRG anzuführen, ergibt sich aus den das Verfahren selbst regelnden Vorschriften: Zum Antrag auf Vollstreckung eines in Rechtskraft erwachsenen Auftrags ist nicht nur jeder Mieter des Hauses, sondern auch die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als betreibende Partei antragsberechtigt (§ 6 Abs 1 Satz 1 MRG). Die Gemeinde kann auch, wenn sie sich dazu bereit erklärt, zum Verwalter bestellt werden. Diese der Gemeinde vom Gesetzgeber zuerkannte besondere Verfahrensposition macht es nach rechtsstaatlichen Grundsätzen unmöglich, ihr gleichzeitig auch die Zuständigkeit für die Führung des kontradiktorischen Vollstreckungsverfahrens und gleichzeitig die Entscheidungsbefugnis hierüber zuzuerkennen, was der Gesetzgeber ohnedies nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung des § 6 Abs 2 MRG nicht getan hat.
Es ist daher die vom Rekursgericht zutreffend als erheblich aufgeworfene Frage dahin zu beantworten, dass die Vollstreckung eines von der Gemeinde stammenden Exekutionstitels nach § 6 Abs 1 MRG ausschließlich den nach § 37 Abs 1 MRG zuständigen Gerichten obliegt.
Zur Rechtsqualität der bisher von Gemeindeschlichtungsstellen getroffenen, rechtskräftigen Entscheidungen über Anträge auf Zwangsvollstreckung hat der erkennende Senat bereits Stellung bezogen (5 Ob 220/08a = wobl 2010/2).
Das vorstehend Ausgeführte gilt gleichermaßen zufolge der identen Regelungsinhalte für die Erledigung eines Antrags nach § 14c Abs 2 WGG zur Durchsetzung eines Auftrags nach § 14c Abs 1 WGG, der von der Schlichtungsstelle erlassen wurde.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können die gebotenen Billigkeitserwägungen angestellt werden (vgl RIS-Justiz RS0123011 [T1]).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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