OGH 10Ob21/11b

OGH10Ob21/11b29.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****, 2. I*****, beide *****, 3. T*****, alle vertreten durch Dr. Markus Singer und Dr. Edith Gagern, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. E*****, 2. M*****, beide *****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Räumung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 16. September 2010, GZ 21 R 252/10g-30, womit das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 28. Juli 2010, GZ 11 C 1661/08z-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zu gleichen Teilen schuldig, den klagenden Parteien die mit 445,82 EUR (davon 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Miteigentümer eines Seegrundstücks (Teich mit einer Halbinsel). Die Halbinsel grenzt unmittelbar an die Liegenschaft der Beklagten. Die Beklagten haben ihre Liegenschaft, ihre Miteigentumsanteile am Seegrundstück und die angeblich zu einer anderen Liegenschaft gehörende, streitverfangene Teilfläche (200 m²) der Halbinsel am 23. 6. 2006 von S***** mit allen Rechten und Befugnissen gekauft, wie sie die Verkäuferin besessen hatte. Diese hatte am 6. 8. 1993 die Liegenschaft und den Miteigentumsanteil am Seegrundstück von der Alleineigentümerin gekauft, die ihr im noch 1993 grundbücherlich durchgeführten Kaufvertrag das ausschließliche Benützungsrecht am umstrittenen Teil der Halbinsel eingeräumt hatte. Am 20. 6. 1996 hatten die beiden einen weiteren Kaufvertrag über diesen Teil der Halbinsel geschlossen, der grundbücherlich bislang nicht durchgeführt wurde. Die Vertragsparteien waren davon ausgegangen, dass der Kaufgegenstand nicht Teil des Seegrundstücks ist, sondern zu einer anderen Liegenschaft gehört.

Der Erstkläger und die Zweitklägerin haben ihre Miteigentumsanteile am Seegrundstück 1994, die Drittklägerin ihren Miteigentumsanteil 2003 erworben.

Die Kläger begehren - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - von den Beklagten, dass sie den Miteigentümern des Seegrundstücks den ungehinderten Zutritt zur - näher beschriebenen - Halbinsel im Ausmaß von 200 m² ermöglichen und alles unterlassen, was die Benützung dieser Halbinsel durch die Miteigentümer des Seegrundstücks behindern könnte.

Die Beklagten hielten dem Klagebegehren das ihnen von ihrer Rechtsvorgängerin übertragene ausschließliche Benützungsrecht entgegen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klageabweisenden Sinn ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil - soweit überblickbar -oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob im Fall einer Einzelrechtsnachfolge die übrigen Miteigentümer, die einer Benutzungsregelung schon einmal schlüssig zugestimmt haben, dieser neuerlich zustimmen müssten. Es vertrat zusammengefasst die Auffassung, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe zwar die zu ihren Gunsten bestehende Gebrauchsordnung (Benützungsvereinbarung) den Beklagten vertraglich überbunden, es fehle jedoch die notwendige Zustimmung der übrigen Miteigentümer als Vertragspartner einer derartigen, nur obligatorisch wirkenden Vereinbarung. Die Kläger hätten auch schlüssig durch mehrjährige Duldung zugestimmt. Die Benützungsvereinbarung sei daher nicht auf die Beklagten übergegangen.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist in gesicherter Judikatur des Obersten Gerichtshofs beantwortet. Andere Rechtsfragen, die eine Zulässigkeit der Revision begründen könnten, zeigen die Rechtsmittelwerber nicht auf.

In der Entscheidung 3 Ob 86/64 MietSlg 16.041/34 hat der Oberste Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass selbst nicht verdinglichte Benützungsregelungen bei Fehlen einer ausdrücklichen Einschränkung auf die Person an die Miteigentumsanteile geknüpft sind und daher nach der Übung des redlichen Verkehrs auch die verbleibenden Miteigentümer binden.

Diese Ansicht hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 727/81 SZ 54/163 mit ausführlicher Begründung abgelehnt. Er hat darin ausgesprochen, dass die verbleibenden Miteigentümer bei Veräußerung eines Miteigentumsanteils an eine bisherige Gebrauchsregelung nur dann gebunden sind, wenn sie im Weg einer Vertragsübernahme dem Eintritt eines neuen Miteigentümers ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt haben. Begründet wurde diese in der späteren Judikatur (RIS-Justiz RS0013600; 4 Ob 62/97i) aufrechterhaltene Auffassung mit dem im Schrifttum (Gamerith in Rummel³ ABGB § 834 Rz 4; Egglmeier-Schmolke in Schwimann, ABGB-TaKomm, § 834 Rz 9; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ ABGB § 834 Rz 23) gebilligten Argument, dass bei Benützungsvereinbarungen unter Miteigentümern als obligatorischen Dauerschuldverhältnissen die Fortsetzung des Rechtsverhältnisses mit einem Neueintretenden nur mit Zustimmung der verbliebenen früheren Partner möglich ist. Auch in anderen Entscheidungen (RIS-Justiz RS0013614; 1 Ob 2108/96y) wurde ausgesprochen, dass das durch ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung über den Gebrauch von Miteigentum begründete Dauerrechtsverhältnis zwischen den Miteigentümern nicht auch für oder gegen den Einzelrechtsnachfolger eines Miteigentümers wirkt. Damit steht nicht in Widerspruch (4 Ob 62/97i), dass der Erwerber eines Liegenschaftsanteils in eine bestehende Benützungsregelung eintritt, wenn ihm diese (als belasteter Teil) im Kaufvertrag überbunden wurde (RIS-Justiz RS0013608; 5 Ob 11/85 SZ 58/84).

Dass nach der Rechtsprechung (5 Ob 1592/93 wobl 1994/12, 69 [Call]; RIS-Justiz RS0013630) die mangelnde Bindung der Miteigentümer an eine Benützungsvereinbarung (Benützungsregelung) im Fall der zur Einzelrechtsnachfolge eines neuen Gemeinschafters führenden Veräußerung eines Miteigentumsanteils noch nicht bedeutet, dass die Titel für eine Beibehaltung der bisherigen Benützungsverhältnisse verloren gehen, derartige Dauerrechtsverhältnisse erst mit Abschluss einer neuen Benützungsregelung, mit einer gemeinsamen Auflösungserklärung oder mit einer (neuen) Entscheidung des Außerstreitrichters über die Benützung enden, kann für die Beklagten zu keinem günstigeren Ergebnis führen, geht es dabei doch nur um Regelungen, sämtlichen Miteigentümern das Benützen allgemeiner Teile der gemeinsamen Sache zu ermöglichen, nicht aber um besondere Vorrechte, die einem Miteigentümer an der gemeinsamen Sache gewährt werden (4 Ob 62/97i). Diese Rechtsprechung sagt zudem aus, dass die nicht wechselnden bisherigen Miteigentümer untereinander an die Benützungsregelung gebunden bleiben, die durch die Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einen nicht gebundenen Einzelrechtsnachfolger noch nicht verloren geht, und diese nur in der beschriebenen Weise auflösen können (Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ ABGB § 834 Rz 23; Call, Anm zu wobl 1994/12; Gamerith in Rummel³ ABGB § 834 Rz 4).

Dass nicht festgestellt wurde, „ob die Kläger in ihren Kaufverträgen sämtliche Rechte und Pflichten der Verkäuferin übernommen haben“, begründet keinen Feststellungsmangel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung, nahm doch das Berufungsgericht ohnehin den Bestand der Benützungsregelung zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und den übrigen Miteigentümern, darunter eben auch die Kläger, an.

Die Entscheidung konnte sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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