OGH 8ObA5/11k

OGH8ObA5/11k22.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Wolfgang Birbamer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N***** M*****, vertreten durch rechtsanwälte.tusch.flatz.dejaco.kasseroler.gmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Pitschmann & Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen 9.472 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Oktober 2010, GZ 15 Ra 86/10z-14, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Juni 2010, GZ 36 Cga 25/10w-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger war seit 1. 4. 1972 im Unternehmen der Beklagten bis zu seiner gerechtfertigten Entlassung am 25. 3. 1999 beschäftigt. Nach seiner Entlassung wollte der Kläger bei der Beklagten wieder eingestellt werden und auch sein unmittelbarer Vorgesetzter setzte sich diesbezüglich nach der Entlassung mit ihm in Verbindung. In einer Besprechung am 30. 3. 1999 bedauerte der Kläger sein Fehlverhalten, wies auf seine angespannte finanzielle Situation hin und bat - auch zu geänderten Bedingungen - um den Abschluss eines neuen Dienstvertrags. Die Beklagte erklärte dem Kläger, dass eine Fortsetzung des alten Dienstvertrags aufgrund der Vorkommnisse nicht in Frage komme, stellte ihm aber ein neues Arbeitsverhältnis zu ungünstigeren Bedingungen in Aussicht. Sie wies den Kläger insbesondere auf den Entfall der Treueprämie, der Pensionsdirektleistung und des Wegegeldes hin.

Über schriftlichen Antrag des Klägers vom 1. 4. 1999 vereinbarten die Parteien am 7. 4. 1999 einen neuen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger als Schalttechniker ab 15. 4. 1999 wiederum eingestellt. Die Parteien vereinbarten ein Probemonat. Die Einstufung erfolgte nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmungen Österreichs in der Verwendungsgruppe IV nach 6 Verwendungsgruppenjahren. Dieses Arbeitsverhältnis besteht aufrecht fort.

Nach Abschluss des neuen Arbeitsvertrags am 15. 4. 1999 beklagte sich der Kläger mehrfach über seine Entlohnung und den weggefallenen Abfertigungsanspruch. Im Herbst 2000 fasste der Vorstand der Beklagten den Beschluss, dass die Vordienstzeiten aus dem beendeten Arbeitsverhältnis des Klägers auf dessen Abfertigungsanspruch im neuen Arbeitsverhältnis angerechnet werden. Der Kläger wurde von der Beklagten darauf hingewiesen, dass sich diese Vordienstzeitenanrechnung nur auf den Abfertigungsanspruch beziehe und keine weiteren Auswirkungen habe.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Jubiläumsgeld anlässlich seines 35-jährigen Dienstjubiläums. Dieser Anspruch sei im Jahr 2007 entstanden, die beiden Arbeitsverhältnisse seien zur Begründung dieses auf § 11a KV beruhenden Anspruchs zusammenzurechnen.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Rechtsprechung zur Abfertigung nicht anwendbar sei, weil auch im anzuwendenden Kollektivvertrag entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung im Angestelltengesetz keine Zusammenrechnungsvorschriften im Sinn von ununterbrochenen Dienstverhältnissen enthalten seien. Im Übrigen liege keine bloß verhältnismäßig kurze Unterbrechung im Sinne der Rechtsprechung zur Abfertigung vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 11a KV setze eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses zum 35-jährigen Dienstjubiläum für das Entstehen eines Anspruchs auf Jubiläumsgeld in Höhe von zwei Monatsgehältern voraus. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Abfertigungsanspruch gemäß § 23 Abs 1 AngG seien nicht anwendbar. Während die Abfertigung vornehmlich Versorgungsaufgaben zu erfüllen habe, stelle das Jubiläumsgeld eine Treueprämie im Sinn einer Sonderzahlung dar. Auch eine analoge Anwendung der Rechtsprechung zum Abfertigungsanspruch würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine Zusammenrechnung der Dienstzeiten scheitere im konkreten Fall bereits an der Länge der Unterbrechung von 20 Tagen. Darüber hinaus fehle es an der sachlichen Zusammengehörigkeit zwischen dem Arbeitsverhältnis vor der Entlassung und jenem danach.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil nicht Folge. Das erste Arbeitsverhältnis habe unstrittig durch gerechtfertigte Entlassung des Klägers geendet, seine Wiedereinstellung sei über sein Ersuchen erfolgt. Von einem unzulässigen Kettenarbeitsverhältnis sei hier daher nicht auszugehen. Der Wortlaut des § 11a KV sehe eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses vor. Für die Auslegung sei zu beachten, dass der Wortlaut dieser kollektivvertraglichen Bestimmung mit jenem des § 23 Abs 1 AngG ident sei. Die Abfertigung verfolge jedoch als Versorgungsleistung eine andere Funktion als das Jubiläumsgeld, sodass eine differenzierende Betrachtungsweise geboten sei. Darüber hinaus enthalte § 11a KV auch keine dem § 23 Abs 1 Satz 3 AngG vergleichbare Anrechnungsbestimmung. § 23 Abs 1 AngG sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass nur solche unmittelbar aufeinander folgenden Arbeitsverhältnisse zum selben Arbeitgeber zusammenzurechnen seien, in denen der Arbeitnehmer nach dem darauf anzuwendenden Recht Ansprüche auf Abfertigung erwerben konnte. Wende man diese Auslegung auf den hier zu beurteilenden Fall an, so scheide, weil das erste Arbeitsverhältnis des Klägers durch gerechtfertigte Entlassung geendet habe (§ 23 Abs 7 AngG), auch aus diesem Blickwinkel eine Anrechnung der Vordienstzeit für den Anspruch auf Jubiläumsgeld aus. Dem Umstand, dass auch die Beklagte ein betriebliches Interesse an der Wiedereinstellung des Klägers gehabt habe, komme deshalb im konkreten Fall keine Bedeutung zu.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 11a des hier anzuwendenden Kollektivvertrags grundsätzlich die Möglichkeit der Zusammenrechnung von Arbeitsverhältnissen offen lasse.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Streitentscheidend ist hier die Frage, ob die beiden Arbeitsverhältnisse des Klägers mit der Beklagten ungeachtet der Unterbrechung von 20 Tagen als ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis iSd § 11a des hier anzuwendenden Kollektivvertrags für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmungen Österreichs anzusehen sind. Diese Bestimmung lautet:

„§ 11a Dienstjubiläum

1.) Nach ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses gebühren

zum 25-jährigen Dienstjubiläum 1 Monatsgehalt

zum 35-jährigen Dienstjubiläum 2 Monatsgehältern

zum 40-jährigen Dienstjubiläum 3 Monatsgehältern

als Jubiläumsgeld.

2.) […].“

2. Einer Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, wonach der in § 11a KV verwendete Begriff der „ununterbrochenen Dauer“ des Arbeitsverhältnisses anders auszulegen sei als nach § 23 AngG bedarf es im konkreten Fall jedoch schon deshalb nicht, weil auch im Fall der vom Revisionswerber angestrebten Anwendung der Rechtsprechung zu § 23 AngG hier nicht von einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis auszugehen ist:

3.1 In der Rechtsprechung zu § 23 AngG ist anerkannt, dass die vom Gesetz verlangte unmittelbare Aufeinanderfolge nicht bedeutet, dass ein Arbeitsverhältnis fugenlos an das nächste anschließen muss. Für den erforderlichen Konnex zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen wurde es jedoch stets als schädlich angesehen, wenn längere Unterbrechungen - etwa solche, die die Zeit der Betriebsferien übersteigen - vorliegen, die somit eine Zusammenrechnung der unterbrochenen Arbeitszeiten ausschließen (RIS-Justiz RS0028410). Von unmittelbar aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen zum selben Arbeitgeber kann nur dann gesprochen werden, wenn eine verhältnismäßig kurze Frist zwischen dem Ende des einen und dem Beginn des nächsten Arbeitsverhältnisses liegt und wenn zugleich die Umstände auf eine sachliche Zusammengehörigkeit der beiden Arbeitsverhältnisse deuten (RIS-Justiz RS0028387). Die Beurteilung, ob eine solche längere für eine Zusammenrechnung schädliche Unterbrechung vorliegt, kann immer nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls erfolgen. In diesem Sinne wurde etwa ein Zeitraum von 11 oder von 16 Tagen als noch nicht so lang betrachtet, dass eine Zusammenrechnung ausgeschlossen wäre (vgl dazu die Nachweise in RIS-Justiz RS0028387). Eine Unterbrechung in der Dauer von 25 Tagen wurde jedoch bereits als zu lang angesehen (9 ObA 21/03h).

3.2 Maßgeblicher als die Frage, ob die Unterbrechung einen Tag länger oder kürzer gedauert hat, sind in diesem Zusammenhang die sie begleitenden Umstände (Mayr aaO § 23 AngG Rz 6). Dem Revisionswerber ist zwar zuzustimmen, dass es im Fall unmittelbarer Aufeinanderfolge der Arbeitsverhältnisse iSd § 23 Abs 1 AngG unerheblich ist, aus welchen Gründen das vorangehende Arbeitsverhältnis beendet wurde - selbst die Beendigung des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses durch Entlassung schadet nicht -, weil durch den alsbaldigen Neuabschluss in der Regel auch jene Situation bereinigt wird, in der der Gesetzgeber Abfertigungsansprüche versagt (9 ObA 268/00b; 9 ObA 9/02t; Mayr in ZellKomm § 23 AngG Rz 6; ein der Entscheidung 9 ObA 195/02w vergleichbarer Sachverhalt liegt hier entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht vor).

Hier wollten die Parteien durch den Abschluss des zweiten Arbeitsvertrags aber gerade nicht jene Situation bereinigen, in der der Gesetzgeber Abfertigungsansprüche versagt. Sie sind im Gegenteil selbst davon ausgegangen, dass kein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis vorliegt, weil sie eine gesonderte Vereinbarung über die Anrechnung der Vordienstzeiten aus dem ersten Arbeitsverhältnis trafen. Die Parteien wollten auch keine Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses, die Vereinbarung des neuen Arbeitsvertrags enthielt vielmehr Verschlechterungen für den Kläger, denen dieser ausdrücklich zustimmte. Ebenso ausdrücklich vereinbarten die Parteien dass die Anrechnung der Vordienstzeiten nur für Abfertigungsansprüche erfolgen sollte. Eine solche Anrechnung sollte daher nach dem Willen der Parteien für andere dienstzeitabhängige Ansprüche - wie etwa das Jubiläumsgeld - nicht erfolgen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein innerer Zusammenhang der Arbeitsverhältnisse im konkreten Fall ungeachtet der Tatsache, dass auch die Beklagte ein Interesse an einer weiteren Tätigkeit des Klägers hatte, fehlt, ist vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls vertretbar.

4. Auch wenn man daher § 11a KV im Sinn der zu § 23 Abs 1 AngG ergangenen Judikatur auslegt, so hat das Berufungsgericht eine Zusammenrechnung der beiden Arbeitsverhältnisse des Klägers ausgehend von den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls in jedenfalls vertretbarer Weise verneint. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage muss daher hier nicht beantwortet werden, weshalb die Revision zurückzuweisen war.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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