OGH 9Ob43/10d

OGH9Ob43/10d28.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Binder, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 3.580.352,52 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2010, GZ 4 R 325/09g-24, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. August 2009, GZ 33 Cg 25/08p-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Die Entscheidung muss von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängen“; sie muss also in diesem Sinn für die Entscheidung „präjudiziell“ sein (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 508a Rz 1 mwN ua). Dies trifft auf die Ausführungen der Klägerin in der Zulassungsbeschwerde ihrer außerordentlichen Revision nicht zu.

Die Revisionswerberin übergeht, dass es hier nicht um die Lösung von Rechtsfragen in künftigen Prozessen und auch nicht um Anspruchsgrundlagen der Klägerin (oder der Beklagten) gegenüber anderen Parteien geht. Es kommt hier allein darauf an, ob für die Klageforderung eine Anspruchsgrundlage der Klägerin gegen die Beklagte besteht. Beide Parteien sind dadurch miteinander verbunden, dass die Beklagte einer Dritten („S*****“) einen Kredit gewährte, für den die Klägerin Sicherheiten stellte. Die Klägerin sieht eine mögliche Anspruchsgrundlage gegenüber der Beklagten für die mit der vorliegenden Klage begehrte Zahlung im Vorliegen einer ungerechtfertigten Bereicherung, die durch die Zahlung einer Vierten („I*****“) an die Beklagte entstanden sein soll. Da die Klägerin erkennt, dass die in Frage stehende Vermögensverschiebung nicht durch eine Leistung ihrerseits an die Beklagte herbeigeführt wurde, bemüht sie ein Anweisungsverhältnis, in dem ihr die Rolle der Anweisenden, der Beklagten die Rolle der Anweisungsempfängerin zugekommen sein soll. Die diesbezüglichen Überlegungen der Revisionswerberin sind allerdings nur theoretischer Natur. Für die Anweisung ist das Vorliegen zweier einseitiger Erklärungen im Sinne einer doppelten Ermächtigung durch den Anweisenden typisch, nämlich einerseits gegenüber dem Angewiesenen zur Erbringung einer Leistung an den Anweisungsempfänger und andererseits gegenüber dem Anweisungsempfänger zur Empfangnahme der Leistung (§ 1400 ABGB; Neumayr in KBB² § 1400 Rz 1; RIS-Justiz RS0019551; RS0032933 ua). Die Überlegungen zum Vorliegen einer Anweisung ranken sich im vorliegenden Fall um ein Schreiben der Klägerin an die Vierte (Beil ./G). Hierauf braucht aber bei Prüfung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision nicht weiter eingegangen werden, weil der festgestellte Sachverhalt keine Ermächtigung der Beklagten durch die Klägerin im vorstehenden Sinn ergab. Daran anschließende Überlegungen der Revisionswerberin zu einer möglichen Zweckverfehlung bzw zum Vorliegen einer nichtigen Vereinbarung sind daher nicht zielführend. Ob die Beklagte durch die Leistung der Vierten allenfalls im Verhältnis zu dieser ungerechtfertigt bereichert wurde, kann nur zwischen der Vierten und der Beklagten geklärt werden. Dieses Verhältnis ist ebenso wenig Gegenstand der vorliegenden Klage wie das Verhältnis und allfällige daraus resultierende Ansprüche zwischen der Klägerin und der Vierten.

Obwohl die Klägerin zunächst in erster Instanz noch beteuerte, dass Schadenersatzansprüche und sonstige Ansprüche aus der Verwertung der Forderung der Klägerin gegen die Dritte nicht Gegenstand dieses Prozesses seien, sondern gesondert geltend gemacht werden, tauchten damit im Zusammenhang stehende Überlegungen immer wieder im nachfolgenden Vorbringen der Klägerin auf. Letztlich wurde das Klagebegehren „ergänzend“ wegen des Verlusts von Regressansprüchen der Klägerin gegen die Dritte auch auf den Titel des Schadenersatzes gestützt. Daran anknüpfende Überlegungen der Revisionswerberin sind aber nicht zielführend. Nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichts kann weder festgestellt werden, dass der Klägerin durch die unterlassene Schätzung ein Schaden entstanden sei, noch dass ein Verkaufserlös erzielbar gewesen wäre, aus dem nach Abzug der offenen Kreditforderungen der Beklagten und der Vierten ein Überschuss zugunsten der Klägerin verblieben wäre. Diese Feststellungen konnten von der Klägerin in ihrer Berufung gegen das klageabweisende Ersturteil nicht widerlegt werden. Überlegungen der Revisionswerberin, dass der Schädiger zu seiner Entlastung beweisen müsse, dass der gleiche Schaden bei rechtmäßigem Alternativverhalten unterblieben wäre, sind verfrüht, solange nicht einmal feststeht, dass die Beklagte ein „Schädiger“ ist, also einen Schaden der Klägerin verursacht hat. Dafür träfe aber die Klägerin als Geschädigte die Beweislast (RIS-Justiz RS0106890 ua); für die von der Revisionswerberin geforderte „Beweislastumkehr“ besteht hier keine Grundlage.

Die Frage, ob bei der Veräußerung der Kreditforderung der Beklagten gegen die Dritte an eine Fünfte („H*****“) Pfandrechte bezüglich einer Forderung der Klägerin gegen die Dritte erloschen sind, kann in diesem Verfahren dahingestellt bleiben. Die Klageforderung leitet sich nicht daraus ab, dass die pfandrechtliche Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Beklagten erloschen ist. Erstmalige Überlegungen der Revisionswerberin, die Beklagte hätte ihre eigene Kreditforderung gegen die Dritte nicht zur Gänze verwerten dürfen, widerstreiten dem Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO); sie sind auch nicht geeignet, eine erhebliche Rechtsfrage darzutun. Nach dem Inhalt des Klagebegehrens geht es im vorliegenden Verfahren nicht darum, was die Beklagte bei welchen Forderungen anrechnen sollte und allenfalls noch von der Klägerin zu fordern hat. Gegenstand des Verfahrens sind nicht Ansprüche der Beklagten, sondern ein angeblicher Zahlungsanspruch der Klägerin. Auf die abgewiesenen Eventualbegehren geht die Revisionswerberin in der Zulassungsbeschwerde nicht mehr ein.

Zusammenfassend ist die außerordentliche Revision der Klägerin mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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