OGH 8Ob144/10z

OGH8Ob144/10z22.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. mj A***** M*****, geboren am 10. Feburar 1999, 2. mj O***** M*****, geboren am 16. Jänner 2001, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters C***** M*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 6. Oktober 2010, GZ 1 R 180/10d-127, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Frage, ob eine Gefährdung des Kindeswohls iSd § 176 Abs 1 ABGB vorliegt als auch die Beurteilung, welche Verfügungen zur Sicherung des Kindeswohls nötig sind, hängt stets von den besonderen Umständen des konkreten Falls ab. Sie kann nur aufgrund einer singulären familiären Situation getroffen werden und begründet regelmäßig keine über den Einzelfall hinaus erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RIS-Justiz RS0114625).

Das Kindeswohl ist iSd § 176 ABGB gefährdet, wenn die Obsorgepflicht nicht erfüllt oder gröblich vernachlässigt wird oder sonst schutzwürdige Interessen des Kindes ernstlich und konkret gefährdet werden, wobei die objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung genügt, ohne dass ein subjektives Schuldelement hinzutreten müsste (RIS-Justiz RS0048633; Hopf in KBB² § 176 Rz 2 mwH).

Die beiden zum Entscheidungszeitpunkt neun bzw elf Jahre alten Kinder des Revisionsrekurswerbers sind durch schulischen Leistungsabfall und wiederholtes Schulschwänzen aufgefallen, zweimal wurden sie bei der Begehung von Ladendiebstählen betreten. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen wurden sie unter der Obhut des Vaters in der Freizeit ohne altersentsprechende Tagesstruktur weitgehend sich selbst überlassen, unzureichend versorgt und sogar misshandelt, es wurde ihnen keine ausreichende Regelakzeptanz vermittelt. Der Vater war uneinsichtig, negierte das Bestehen von erzieherischen Missständen und kooperierte zuletzt auch nicht mehr mit der unterstützenden Familienbegleitung durch den Jugendwohlfahrtsträger. Ein Antrag der Mutter der Kinder auf Übertragung der Obsorge wurde mangels erforderlicher Voraussetzungen abgewiesen.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass unter den gegebenen Umständen von einer das Fortkommen der Kinder gefährdenden Vernachlässigung auszugehen ist, sodass nur durch die Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger ihr weiteres Abgleiten verhindert und ihnen die Chance auf eine Ausbildung ermöglicht werden kann, liegt im Rahmen der nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Obsorgeentscheidung zu beachtenden Grundsätze. Entgegen den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers hat das Rekursgericht seine Argumente inhaltlich geprüft und zwar knapp, aber doch schlüssig begründet, warum es seiner Darstellung der Verhältnisse keinen Glauben schenken konnte.

Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die Einholung eines (hier: kinderpsychologischen) Sachverständigengutachtens vorliegen, obliegt den Tatsacheninstanzen (Rechberger in Rechberger AußStrG § 31 Rz 1); eine krasse Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit aufzugreifen wäre (§ 62 Abs 1 AußStrG), ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

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