OGH 6Ob237/10m

OGH6Ob237/10m28.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P***** M*****, gegen die beklagten Parteien 1.) K***** R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Kerres, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Dr. C***** K*****, vertreten durch Mag. Stefanie Lugger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 5.400 EUR sA, Rechnungslegung und Zahlung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2010, GZ 2 R 100/10f-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, wenn das Berufungsgericht Parteivorbringen unrichtig wiedergegeben, zum Teil tatsächlich übersehen oder missverstanden hat (E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 503 Z 18 mwN).

Die in der Revision als in erster Instanz unterlaufene Nichtigkeit geltend gemachten Umstände rügte der Kläger bereits in der Berufung auch als (einfachen) Verfahrensmangel, dessen Vorliegen das Berufungsgericht verneinte. Wenn das Berufungsgericht - wenn auch nur in den Entscheidungsgründen - das Vorliegen einer Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz verneint, so kann der Nichtigkeitsgrund in der Revision nicht geltend gemacht werden, liegt doch auch insoweit ein Beschluss des Berufungsgerichts vor, der gemäß § 519 ZPO unanfechtbar ist (stRsp 10 ObS 75/03g; E. Kodek in Rechberger ZPO3 § 503 Rz 2 mwN). Da das Berufungsgericht einen Nichtigkeitsgrund auch von Amts wegen aufzugreifen hat, liegt in der Verneinung eines in der Berufung gerügten einfachen Verfahrensmangels erster Instanz, der in der Revision als Nichtigkeit erster Instanz geltend gemacht wird, auch eine diesbezügliche Verneinung einer Nichtigkeit erster Instanz. Denn auch bei einer Nichtigkeit handelt es sich, wie nicht zuletzt § 503 Z 2 ZPO zeigt, um einen Verfahrensmangel (10 ObS 75/03g mwN).

Die als „überraschend“ gerügte Vorgangsweise des Berufungsgerichts, die gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klage als unschlüssig anzusehen, ohne diese Rechtsansicht mit den Parteien zuvor erörtert zu haben, begründet keine Nichtigkeit, sondern allenfalls die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (2 Ob 95/08x; vgl RIS-Justiz RS0037300; RS0037095). Um die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensmangels darzutun, hätte der Kläger in der Revision darlegen müssen, welches zusätzliche oder andere Sachvorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte und inwieweit dieses Vorbringen geeignet gewesen wäre, eine für ihn günstigere Entscheidung herbeizuführen (2 Ob 95/08x mwN; RIS-Justiz RS0037095 [T4, T5 und T6]). Im Fall der mangelnden Schlüssigkeit wegen des Fehlens anspruchsbegründender Tatsachenbehauptungen hat der Rechtsmittelwerber damit darzulegen, welche konkreten Behauptungen er aufgestellt hätte, wenn ihm nach Erörterung Gelegenheit dazu geboten wäre (1 Ob 204/07t = RIS-Justiz RS0037095 [T6]).

Wenngleich der Kläger in der Revision sein Vorbringen ergänzt, bleibt die gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klage unschlüssig:

Was den behaupteten Haftungsdurchgriff (vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 61 Rz 34 ff) auf den Zweitbeklagten als Gesellschafter der Erstbeklagten wegen Rechtsformmissbrauchs anlangt, so führt der Kläger nicht aus, dass er seine vertraglichen Forderungen gegen die Erstbeklagte nicht einbringlich machen könnte (also geschädigt sei).

Konkrete Behauptungen über einen Schaden, insbesondere seine Berechnung, für den der Zweitbeklagte als Geschäftsführer der Erstbeklagten einstehen soll, weil er im Namen der Erstbeklagten die Ansprüche des Klägers grundlos bestreite, stellt der Kläger nicht auf.

Der Kläger stützt die Passivlegitimation des Zweitbeklagten auch darauf, dass er im Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärungen des Zweitbeklagten als Geschäftsführer der Erstbeklagten und somit auf ein gültiges Vertragsverhältnis mit der Erstbeklagten es unterlassen habe, eine anderweitige Beschäftigung als Substitut einer Wirtschaftskanzlei anzunehmen. Auch in diesem Punkt legt er einen Schaden nicht dar, fehlt doch die Behauptung, dass er bei einer Tätigkeit für eine andere Wirtschaftskanzlei ein Entgelt erzielt hätte, das die vom Erstbeklagten schon erbrachten Zahlungen übersteigt.

Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz die Behauptung des Zweitbeklagten außer Streit gestellt, mit dem Kläger nicht in vertraglicher Beziehung zu stehen. In der Revision behauptet der Kläger nun einen Schuldbeitritt des Zweitbeklagten. Wenngleich bei einer Ergänzung des Vorbringens in der Rechtsmittelschrift zur Dartuung der Relevanz des gerügten Verfahrensmangels das Neuerungsverbot nicht gilt (RIS-Justiz RS0037095 [T4]), so ist eine Behauptung, die Außerstreitgestelltem widerspricht, unbeachtlich, weil insoweit eine Erörterungspflicht des Gerichts nicht bestand.

Was den behaupteten Bereicherungsanspruch gegen den Zweitbeklagten anlangt, ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass der Zweitbeklagte nicht Bereicherungsschuldner ist, weil der Kläger seine Leistungen nicht ihm, sondern der Erstbeklagten aufgrund eines mit ihr geschlossenen Vertrags erbringen wollte (8 Ob 13/05b = SZ 2005/44; Koziol in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3 Vor §§ 1431 - 1437 Rz 3).

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