OGH 8Ob99/10g

OGH8Ob99/10g25.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** P*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, wegen 12.692,34 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. Juli 2010, GZ 30 R 30/10t-5, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. Mai 2010, GZ 29 Cg 100/10s-2, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger brachte vor, er habe von der Beklagten am 3. 10. 2006 Wertpapiere gekauft, die in den Folgejahren einem dramatischen Kursverfall ausgesetzt gewesen seien. Die Beklagte habe gegen Aufklärungs-, Schutz-, Sorgfalts- und Interessenwahrungspflichten verstoßen und den Kläger dadurch sowie durch falsche und unvollständige Angaben geschädigt. Das Klagebegehren umfasst die Zahlung von 12.692,34 EUR samt 4 % Zinsen seit 7. 5. 2010 Zug um Zug gegen die Rückstellung der noch im klägerischen Portfolio vorhandenen Wertpapiere; für den Fall, dass eine Naturalrestitution nicht möglich wäre, begehrt der Kläger in eventu die Feststellung, dass die Beklagte ihm für jeden Schaden hafte, der ihm aus der Vermittlung von sowie aus der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb entstehe.

Das Zahlungsbegehren errechnete der Kläger aus dem für 672 Stück Wertpapiere aufgewendeten Anschaffungskosten von 11.990,76 EUR, abzüglich des Erlöses aus einem Teilverkauf von 200 Stück in Höhe von 962 EUR, zuzüglich des entgangenen Gewinns aus einer hypothetischen Alternativveranlagung in Höhe von 1.663,58 EUR.

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen Streitanhängigkeit zurück. Zu AZ 2 C 87/09x sei beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien ein Verfahren zwischen den selben Parteien anhängig, in welchem der Kläger die Aufhebung der zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen Verträge vom 3. 10. 2006 und die Zahlung von 8.542,76 EUR Zug um Zug gegen die Rückstellung von 472 Stück der Wertpapiere begehrt habe. Sowohl die Parteien als auch das Begehren und der rechtserzeugende Sachverhalt dieses Verfahrens seien mit dem vorliegenden in den wesentlichen Punkten ident.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss teilweise ab. Es bestätigte die Zurückweisung der Klage im Umfang eines Zahlungsbegehrens von 8.542,76 EUR samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit 3. 10. 2006 (offenkundig gemeint: 7. 5. 2010) und trug dem Erstgericht im Umfang des restlichen Klagebegehrens die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens auf. Nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff und im Hinblick auf die Wesensgleichheit des materiellen Anspruchs auf Vertragsanfechtung wegen Willensmangels und des einhergehenden Schadenersatzanspruchs sei von Streitanhängigkeit im Umfang des im Parallelverfahren gestellten Klagebegehrens auszugehen. In beiden Verfahren leite der Kläger seine Ansprüche aus der vertraglichen Beziehung zur Beklagten ab und stütze sie auf die Tatsache, dass die Beklagte vertragliche und vorvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt habe.

Den darüber hinausgehenden Betrag von 4.149,58 EUR habe der Kläger bisher jedoch nicht eingeklagt; weder die weiterverkauften Wertpapiere noch der entgangene Gewinn seien Gegenstand des ersten Verfahrens. In diesem Umfang liege daher keine Streitanhängigkeit vor.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil „die Frage“ wegen der großen Zahl vergleichbarer gerichtsanhängiger Fälle eine besondere Tragweite habe und ihre Klärung daher vor allem für die Rechtssicherheit bedeutsam sei.

Rechtliche Beurteilung

Der - im Verfahren über die Zurückweisung der Klage a limine einseitige - Revisionsrekurs des Klägers, mit dem er erkennbar die Zulassung der Klage im gesamten Umfang anstrebt, ist im Hinblick auf eine Vielzahl gerichtsnotorisch anhängiger Verfahren, in denen sich bei ähnlichem Sachverhalt ebenfalls die Frage der Streitanhängigkeit stellt, zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in zwei ebenfalls gegen die Beklagte geführten und vergleichbaren Parallelverfahren (7 Ob 194/10w und 7 Ob 207/10g) mit ausführlicher Begründung zu den auch hier zu beurteilenden Rechtsfragen Stellung genommen und zusammengefasst ausgeführt, dass von der Streitanhängigkeit des ersten Verfahrens im Umfang der Geltendmachung der Rückabwicklung des Erwerbs der Zertifikate gegen Zahlung des seinerzeitigen Ankaufspreises auszugehen sei.

Die Streitanhängigkeit werde durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen, vom Kläger vorgebrachten Tatsachen (rechtserzeugender Sachverhalt, Klagegrund) bestimmt (RIS-Justiz RS0037419; RS0039255; RS0037522), nicht hingegen durch die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens (RIS-Justiz RS0037551). Entscheidend sei, ob der vorgetragene Sachverhalt im Kern jenem entspricht, der schon in der ersten Klage vorgebracht wurde.

Die Behauptung listiger Irreführung iSd § 870 ABGB schließe notwendigerweise ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten iSd §§ 1294 ff ABGB ein. Durch Hinzufügen weiterer Details und Facetten eines bereits im Erstprozess grundsätzlich geltend gemachten Fehlverhaltens der Beklagten werde keine Änderung des Klagegrundes iSd § 235 Abs 4 ZPO bewirkt. Daran könne auch der Umstand des auf demselben Klagegrund beruhenden Eventualbegehrens auf Feststellung nichts ändern.

Diesen Rechtsausführungen schließt sich der erkennende Senat an. Auch im vorliegenden Verfahren werden zur Begründung des Schadenersatzanspruchs im Wesentlichen nur weitere Details und Facetten eines bereits im Erstprozess behaupteten rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der Beklagten aufgezeigt. Der vom Revisionsrekurswerber in seiner Argumentation herangezogene dreigliedrige Streitgegenstandsbegriff wird, wie bereits das Rekursgericht in seiner ausführlichen Begründung eingehend und richtig dargelegt hat, von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt (RIS-Justiz RS0037419; RS0039255; RS0037522; RS0037551).

Die Ausführungen des Rekursgerichts, wonach die zusätzliche Geltendmachung von Eventualbegehren im späteren Verfahren eine Streitanhängigkeit in der Hauptsache ebensowenig verhindert wie die Geltendmachung weiterer Begehren im früheren Verfahren, sind zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da der Kläger mit seinem Revisionsrekurs zur Gänze erfolglos geblieben ist, hat er dessen Kosten endgültig selbst zu tragen (§§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO).

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