OGH 5Ob132/10p

OGH5Ob132/10p24.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Christopher B*****, geboren am 30. Jänner 1986, *****, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler, Mag. Harald Papesch und Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchhandlungen ob der Liegenschaft EZ ***** GB *****, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers sowie des Johann B*****, dieser ebenfalls vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler, Mag. Harald Papesch und Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 31. März 2010, AZ 22 R 96/10i, mit dem infolge Rekurses des Antragstellers und des Johann B***** die Zurückziehung des Grundbuchgesuchs nicht zur Kenntnis genommen und der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 4. Jänner 2010, TZ 6119/09, berichtigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben und der Rekurs des Antragstellers und des Johann B***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 4. Jänner 2010, TZ 6119/09, zurückgewiesen.

Text

Begründung

Johann B*****, geboren am *****, (folgend nur mehr: Übergeber) übertrug mit Übergabevertrag vom 25. 7./24. 8. 2006 seine Liegenschaft EZ ***** GB ***** an den Antragsteller Christopher B*****, geboren am 30. 1. 1986.

Der Antragsteller begehrte aufgrund des bezeichneten Übergabevertrags - soweit für das Rechtsmittelverfahren wesentlich - die Einverleibung seines Eigentumsrechts ob der genannten Liegenschaft. Im Grundbuchantrag (= Beschlussentwurf) war das Geburtsdatum des Antragstellers - unrichtig - mit „31. 01. 1986“ (anstatt richtig: 30. 01. 1986) angeführt.

Das Erstgericht bewilligte das Grundbuchgesuch „laut Antrag“. Die Beschlussausfertigungen und folgend die Grundbucheintragung wiesen demzufolge das Geburtsdatum des Antragstellers mit „31. 01. 1986“ bzw „1986-01-31“ aus.

Gegen diesen Beschluss des Erstgerichts erhoben der Antragsteller und der Übergeber Rekurs, in dem sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machten und ausführten, die Eigentumseinverleibung sei „zugunsten des Christopher B*****, geb. 31. 01. 1986, und nicht zugunsten des Antragstellers Christopher B*****, geb. 30. 01. 1986“, erfolgt. „Der gegenständliche Beschluss hätte daher nicht erlassen werden dürfen.“ Die Rekurswerber beantragten, den Beschluss des Erstgerichts dahin abzuändern, dass dem Grundbuchantrag antragsgemäß stattgegeben werde; hilfsweise stellten die Rekurswerber auch einen Aufhebungsantrag. Zuletzt enthält der Rekurs noch folgenden Satz:

„Unter einem wird das gegenständliche Grundbuchgesuch zurückgezogen.“

Laut einem vom Rekursgericht verfassten Aktenvermerk gab einer der Rechtsvertreter der Rekurswerber auf telefonische Anfrage bekannt, „dass die Zurückziehung des Gesuchs nicht eventualiter zu verstehen ist“.

Das Rekursgericht sprach in seinem Beschluss aus, dass die im Rechtsmittel vorgenommene Zurückziehung des Grundbuchgesuchs nicht zur Kenntnis genommen werde. Im Übrigen gab es dem Rekurs dahin Folge, dass die Eigentumseinverleibung des Antragstellers mit „geboren (richtig) 30. 1. 1986, … erfolgt“. Die Durchführung der „Berichtigung“ und der entsprechenden Verständigungen trug das Rekursgericht dem Erstgericht auf.

Rechtlich führte das Rekursgericht aus, dass eine Zurückziehung des Grundbuchgesuchs überhaupt nur durch den Antragsteller möglich sei, nicht aber durch den Übergeber, der selbst keinen Grundbuchantrag gestellt habe. Aus den §§ 102 Abs 2, 104 Abs 3 GBG sei allerdings abzuleiten, dass Grundbuchbeschlüsse grundsätzlich bindend seien, sobald die bewilligte Eintragung - wie hier - vollzogen sei. Daran sei trotz der Regelung des § 11 AußStrG, der nunmehr nach Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels die Antragszurücknahme ermögliche, wegen der notwendigen Richtigkeitsgewähr des Grundbuchs festzuhalten.

Betreffend das Geburtsdatum des Antragstellers liege, wie der Vergleich mit dem Übergabegabevertrag und der Geburtsurkunde zeige, ein offenkundiger Irrtum vor, der nach § 136 GBG zu berichtigen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil - soweit überblickbar - noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage existiere, ob § 11 AußStrG auch im Grundbuchverfahren anzuwenden sei.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers und des Übergebers „insoweit … als das Rekursgericht die im Rechtsmittel vorgenommene Zurückziehung des Grundbuchsgesuches nicht zur Kenntnis genommen … und über den Rekurs meritorisch entschieden hat“. Die Revisionsrekurswerber beantragen, den Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass die Zurückziehung des Grundbuchgesuchs zur Kenntnis genommen, die Wirkungslosigkeit des erstgerichtlichen Beschlusses festgestellt und dem Erstgericht die Rückgängigmachung der erfolgten Eintragung sowie die Wiederherstellung des früheren Grundbuchstands aufgetragen werde. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses ist eine dem Beschluss des Rekursgerichts anhaftende Nichtigkeit aufzugreifen:

1. Zum Rekurs des Übergebers:

(Auch) In Grundbuchsachen ist die Rekurslegitimation nur bei Beschwer des Rechtsmittelwerbers gegeben (vgl RIS-Justiz RS0006491; RS0006693 [insb T3]). Der Übergeber war in erster Instanz nicht Antragsteller. Durch Anführung eines unrichtigen Geburtsdatums des (übernehmenden) Antragstellers im Bewilligungsbeschluss ist der Übergeber auch nicht in seinen (zumal bücherlichen) Rechten beeinträchtigt. Für den Rekurs an die zweite Instanz fehlte daher dem Übergeber sowohl formelle als auch materielle Beschwer.

2. Zum Rekurs des Antragstellers:

Auch der Antragsteller war durch die Entscheidung des Erstgerichts nicht beschwert, weil diese antragsgemäß erging (RIS-Justiz RS0006491 [T4]).

3. Rekurszurückweisung:

Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs nicht formal, also im Sinn dessen Zurückweisung, sondern meritorisch, so ist der - dann zur Hauptfrage werdende - Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0115201; RS0042059; RS0121264; zur Entwicklung der Rechtsprechung s Zechner in Fasching/Konecny² IV/1, Vor §§ 514 ff ZPO Rz 36, § 515 ZPO Rz 20, § 528 ZPO Rz 24; vgl überdies RIS-Justiz RS0043969). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt, wie aus § 54 AußStrG iVm § 71 Abs 4 AußStrG herzuleiten ist, auch für eine vom Obersten Gerichtshof im Außerstreitverfahren zu treffende Entscheidung (1 Ob 156/06g; 5 Ob 116/08g) und namentlich im Grundbuchverfahren (vgl 5 Ob 158/10m).

Es war daher aus Anlass des Revisionsrekurses der unzulässige Rekurs des Übergebers und des Antragstellers zurückzuweisen.

4. Zur Berichtigung durch das Rekursgericht:

Ob die unrichtige Angabe des Geburtsdatums des Antragstellers als offenkundige Unrichtigkeit nach § 136 GBG berichtigt werden kann, muss hier materiell nicht überprüft werden. Mangels eines zulässigen Rechtsmittels fehlte dafür nämlich dem Rekursgericht jedenfalls die funktionelle Zuständigkeit.

5. Zur Zurückziehung des Grundbuchgesuchs:

Mangels eines zulässigen Rechtsmittels fehlte dem Rekursgericht auch die funktionelle Zuständigkeit, um die Zulässigkeit der Zurückziehung des Grundbuchgesuchs zu beurteilen. Die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nach der Anwendbarkeit des § 11 AußStrG im Grundbuchverfahren stellte sich im Übrigen deshalb nicht, weil (auch) diese jedenfalls das Vorliegen eines - hier gerade fehlenden - zulässigen Rechtsmittels voraussetzt.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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