OGH 9ObA119/10f

OGH9ObA119/10f21.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut E*****, Taxifahrer, *****, vertreten durch Beck & Dörnhöfer Rechtsanwälte OG, Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Rosina M*****, Inhaberin eines Taxiunternehmens, *****, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG, Eisenstadt, wegen 2.143,65 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. September 2010, GZ 8 Ra 67/10x-12, womit das Versäumungsurteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 3. März 2010, GZ 23 Cga 87/09t-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit seiner Klage vom 21. 10. 2009 begehrte der Kläger den Zuspruch von 2.143,65 EUR brutto an restlichem Lohn, anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung aus dem am 31. 3. 2009 beendeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Der vom Erstgericht antragsgemäß am 28. 10. 2009 erlassene Zahlungsbefehl wurde der Beklagten am 4. 11. 2009 zugestellt. Am 1. 12. 2009 übermittelte die T*****gesellschaft mbH & Co KG (in der Folge: T*****) dem Erstgericht ein Telefax, in welchem sie gegen den Zahlungsbefehl Einspruch erhob. Mit Beschluss vom 2. 12. 2009 trug das Erstgericht der T***** auf, den mit Fax erhobenen rechtzeitigen Einspruch durch Vorlage des Originals mit Originalunterschrift und Vorlage der Vollmachtserklärung durch die Beklagte bis 10. 12. 2009 zu verbessern. Bereits am 3. 12. 2009 langte beim Erstgericht das Original des Einspruchs ein, welches eine Stampiglie der T***** und eine Unterschrift trägt. Am 10. 12. 2009 übermittelte die T***** eine Gegendarstellung zum Klagevorbringen und das Original der von der Beklagten erteilten Vollmacht. Das Erstgericht beraumte am 11. 12. 2009 eine Tagsatzung für den 3. 3. 2010 an und stellte die Ladung der T***** am 17. 12. 2009 zu. Ein Beschluss gemäß § 40 Abs 2 Z 4 zweiter Halbsatz ASGG wurde nicht gefasst.

Am 3. 3. 2010 erschien bei Aufruf der Sache für die Beklagte niemand, weshalb über Antrag des Klägers ein Versäumungsurteil im Sinne der Klage erging. Dieses wurde der T***** am 19. 3. 2010 zugestellt. Gegen diese Entscheidung erhob die nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte Berufung aus dem Grund der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Nichtigkeitsberufung stützte die Beklagte zwar formell auf § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, führte jedoch in ihrem Vorbringen auch aus, dass mangels Beschlussfassung gemäß § 40 Abs 2 Z 4 ASGG die Beklagte in der Tagsatzung, in der das Versäumungsurteil gefällt wurde, nicht vertreten gewesen sei. Sie hätte daher geladen werden müssen. Im Rahmen der Rechtsrüge brachte die Beklagte vor, dass aus den vorgelegten Urkunden hervorgehe, dass aufgrund von Gegenforderungen nur mehr ein geringfügiger Teil des Klagebegehrens offen stehe.

Das Berufungsgericht verwarf I. mit Beschluss die Berufung wegen Nichtigkeit und erkannte II. in der Sache selbst zu Recht dahin, dass es der Berufung nicht Folge gab. Es verneinte zunächst den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, weil der Zahlungsbefehl der Beklagten gültig zugestellt worden sei. Diese habe der T***** wirksam Vollmacht erteilt und bestreite das Vertretungsverhältnis gar nicht. In weiterer Folge verneinte das Berufungsgericht im Rahmen seiner Begründung aber nicht nur eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, sondern auch einen Vertretungsmangel. Es habe keiner Beschlussfassung nach § 40 Abs 2 Z 4 ASGG bedurft, sodass von einer wirksamen Vertretung der Beklagten durch die T***** auszugehen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil noch keine Entscheidungen zu § 40 Abs 2 Z 4 ASGG ergangen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die klagende Partei beantragt, die Revision, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zu verwerfen, im Übrigen zurückzuweisen, in eventu, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig.

Inhaltlich bringt die Revisionswerberin vor, dass das Berufungsgericht nur den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verneint, nicht aber auch denjenigen nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO geprüft habe. Der Verstoß gegen § 40 Abs 2 Z 4 ASGG verhindere, dass die Beklagte wirksam durch eine „andere geeignete Person“ vertreten gewesen sei.

Nach der Rechtsprechung ist eine neue Aufrollung der Nichtigkeitsfrage mit der Revision oder mit selbständigem Rekurs ausgeschlossen, wenn die Entscheidung darüber auch nur aus den Gründen entnommen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Frage des Vorliegens einer Nichtigkeit vom Berufungsgericht von Amts wegen aufgegriffen und verneinend beantwortet wurde. Es ist Pflicht des Berufungsgerichts, Nichtigkeitsgründe von Amts wegen wahrzunehmen. Tut es dies und kommt es zu einer Verneinung, dann muss dies hinsichtlich der Anfechtungsmöglichkeiten dieselbe Wirkung haben, wie wenn das Berufungsgericht über eine geltend gemachte Nichtigkeit befunden hätte (stRsp RIS-Justiz RS0043823). Die gegenteilige Auffassung würde zu dem Ergebnis führen, dass eine Partei, die von der in der Berufung oder in der Berufungsbeantwortung eröffneten Möglichkeit der Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes keinen Gebrauch macht, für ihre Untätigkeit durch eine weitere Anfechtungsmöglichkeit belohnt wird. Es muss daher auch in diesen Fällen der von der Rechtsprechung vertretene Grundsatz gelten, dass eine vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann (SZ 54/190 uva).

Hier übersieht die Revisionswerberin, dass das Berufungsgericht sich inhaltlich auch mit der Vertretungsfrage des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO auseinandergesetzt und eine solche Nichtigkeit verneint hat. Die Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit ist daher gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls unanfechtbar. Die Revision, die sonst keine Gründe, insbesondere keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist unzulässig.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. In der Revisionsbeantwortung wird die oben dargestellte Rechtslage nicht erkannt. Sie diente daher nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist somit nicht zu entlohnen.

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