OGH 10ObS118/10s

OGH10ObS118/10s21.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Michael Kerschbaumer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Martin Kranz, Rechtsanwalt in Dornbirn, dieser vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufrechnung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Mai 2010, GZ 25 Rs 2/10w-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. September 2009, GZ 34 Cgs 156/09i-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Punkte A) I. 1. und 2. und A) III. als unangefochten unberührt bleiben, der Punkt A) II. entfällt und die Punkte A) I. 3. und A) IV. sowie B) wie folgt zu lauten haben:

„A) I. 3. Die klagende Partei ist schuldig, zur (teilweisen) Tilgung des Anspruchs der beklagten Partei auf Rückersatz des Überbezugs an Ausgleichszulage im Bezugszeitraum vom 1. 11. 2007 bis 30. 6. 2009 von 7.337,61 EUR die Aufrechnung gegen die Forderung aus dem Bescheid der Eidgenössischen Invaliditätsversicherung vom 17. 6. 2009 über eine Nachzahlung an Invalidenrente im Gesamtbetrag von 7.248,72 EUR zu dulden.

IV. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 246,95 EUR (darin 41,16 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.

B) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 243,77 EUR (darin 40,63 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 185,76 EUR (darin 30,96 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Invaliditätspension von monatlich (brutto) 481,98 EUR ab 1. 11. 2007, 490,17 EUR ab 1. 1. 2008 und 506,84 EUR ab 1. 11. 2008. Mit Bescheid vom 8. 5. 2008 erkannte die beklagte Partei den Kläger ab 1. 4. 2005 bis 31. 12. 2007 die Ausgleichszulage zu und sprach aus, dass über die ab 1. 1. 2008 gebührende Ausgleichszulage gesondert entschieden werde. Mit Schreiben vom selben Tag erhielt der Kläger eine Aufstellung über die Berechnung der Ausgleichszulage ab 1. 7. 2007, in der jeweils der Ausgleichszulagenrichtsatz (zuzüglich Erhöhung für Kinder) den anzurechnenden Einkünften des Klägers und seiner Gattin gegenübergestellt wurde.

Am 8. 9. 2008 verließ die Gattin des Klägers, G*****, die bis dahin gemeinsame Ehewohnung in A*****, W*****straße 5 und verzog nach A*****, B*****straße 53.

Mit Bescheid der Eidgenössischen Invaliditätsversicherung vom 17. 6. 2009 wurde dem Kläger eine ordentliche Invalidenrente zuzüglich einer ordentlichen Kinderrente für seine am 15. 12. 1994 geborene Tochter A***** rückwirkend in folgender monatlicher Höhe zuerkannt:

Ordentliche Invalidenrente:

vom 1. 11. 2007 bis 31. 12. 2008 CHF 394,00

ab 1. 1. 2009 CHF 406,00

ordentliche Kinderrente:

vom 1. 11. 2007 bis 31. 12. 2008 CHF 158,00

ab 1. 1. 2009 CHF 163,00

Die Zuerkennung führte zu einem Nachzahlungsanspruch von insgesamt 7.248,72 EUR und zu einer Überweisung dieses Betrags von der Eidgenössischen Invalidenversicherung an die beklagte Partei im Juni 2009.

Bei der dem (nachstehenden) Bescheid vom 13. 7. 2009 zugrunde gelegten Neuberechnung der Ausgleichszulage berücksichtigte die beklagte Partei ab 1. 11. 2007 auch die Eigenrente des Klägers aus der Schweiz in Höhe von 263,82 EUR ab 1. 11. 2007 bzw von 271,85 EUR ab 1. 1. 2009. Ab 1. 10. 2008 ging sie bei der Berechnung im Hinblick auf den getrennten Wohnsitz der Ehegatten vom Einzelrichtsatz aus.

Mit Bescheid vom 13. 7. 2009 stellte die beklagte Partei die dem Kläger gewährte Ausgleichszulage mit folgenden Beträgen neu fest:

ab 1. 11. 2007 monatlich EUR 126,31

ab 1. 1. 2008 monatlich EUR 444,30

ab 1. 10. 2008 monatlich EUR 71,30

ab 1. 11. 2008 monatlich EUR 82,69

ab 1. 1. 2009 monatlich EUR 74,66

ab 1. 7. 2009 monatlich EUR 78,46

Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der vom 1. 11. 2007 bis 30. 6. 2009 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage im Betrag von 7.337,61 EUR rückgefordert und mit der Nachzahlung aus der Schweiz im Betrag von 7.248,62 EUR aufgerechnet werde. Dies teilte die beklagte Partei dem Kläger auch mit Schreiben vom 16. 7. 2009 mit dem zusätzlichen Hinweis mit, dass der noch verbleibende Überbezug von 88,89 EUR in zwei Raten von der monatlichen Pension in Abzug gebracht werde.

Der Kläger begehrt die Gewährung der Ausgleichszulage ab 1. 11. 2007 ohne Anrechnung der Kinderrente für die Tochter A*****, geboren am 15. 2. 1994, im Betrag von 158 CHF monatlich in der Zeit vom 1. 11. 2007 bis 31. 12. 2008 und im Betrag von 163 CHF ab 1. 11. 2009 und die Abstandnahme von der aus seiner Sicht unberechtigten Rückforderung bzw Aufrechnung des (nicht vorhandenen) Überbezugs an Ausgleichszulage für den Zeitraum vom 1. 11. 2007 bis 30. 6. 2009 im Ausmaß der Kinderrente.

Die beklagte Partei wandte (unter anderem) ein, dass sie gemäß Art 111 Abs 3 der VO (EWG) 574/72 berechtigt sei, die Nachzahlung einer ausländischen Leistung mit der bereits geleisteten Ausgleichszulage zu verrechnen.

Das Erstgericht wies die Begehren des Klägers ab und legte seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass die beklagte Partei nach den Sachverhaltsfeststellungen die dem Kläger gewährte Kinderrente ohnedies bei der Neufestsetzung der Ausgleichzulage nicht als Abzugspost berücksichtigt habe. Die im Übrigen unter Berücksichtigung der vom Kläger ab 1. 11. 2007 bezogenen Invalidenrente sowie des zufolge des seit September 2008 bestandenen getrennten Wohnsitzes der Ehegatten anzuwendenden Richtsatzes gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG gesetzeskonform vorgenommene Neufestsetzung der Ausgleichszulage des Klägers habe zu dem von der beklagten Partei errechneten - und vom Kläger auch nicht bestrittenen - Überbezug von 7.337,61 EUR geführt.

Auch bei der ordentlichen Kinderrente handle es sich um einen Anspruch des Klägers im Sinne des Kinderzuschusses bei der österreichischen Pension (arg: „ordentliche Kinderrente zur Rente des Vaters“), woraus sich die Berechtigung der beklagten Partei ergebe, auch diesen auf die ordentliche Kinderrente entfallenden Teil der Rente des Klägers und damit die gesamte Nachzahlung zu Gunsten des Überbezugs aufzurechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es wiederholte in Punkt A) des Urteilsspruchs hinsichtlich der Höhe des Ausgleichszulagenanspruchs des Klägers den Inhalt des Bescheids vom 13. 7. 2009 (Punkt I. 1.), wies das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Ausgleichszulage ab 1. 11. 2007 ohne Anrechnung der Kinderrente für die Tochter zu gewähren, ab (Punkt I. 2.) und änderte das Ersturteil in Bezug auf den Rückersatz des Überbezugs an Ausgleichszulage in Höhe von 7.337,61 EUR dahin ab, dass es den Kläger verpflichtete, die Aufrechnung gegen die Forderung aus dem Bescheid der Eidgenössischen Invaliditätsversicherung vom 17. 6. 2009 über eine Nachzahlung an Invalidenrente im Betrag von 5.173,32 EUR zu dulden (Punkt I. 3.); die beklagte Partei wurde verpflichtet, von der Aufrechnung in Bezug auf die Nachzahlung an Kinderrente im Betrag von 2.075,30 EUR Abstand zu nehmen (Punkt II.). Schließlich wurde das Klagebegehren des Inhalts, es möge festgestellt werden, dass die von der beklagten Partei behauptete Rückersatzpflicht des Klägers aus dem Überbezug an Ausgleichszulage im Bezugszeitraum vom 1. 11. 2007 bis 30. 6. 2009 im Betrag von 7.337,61 EUR nicht zu Recht bestehe, abgewiesen (Punkt III.).

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, führte das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass die Sondernorm des § 296 Abs 4 ASVG eine Aufrechnung des Versicherungsträgers im Falle des Überbezugs an Ausgleichszulage ermögliche. Diese Bestimmung lasse schon nach ihrem Wortlaut („Leistungen aus einer Pensionsversicherung“) nicht nur die Aufrechnung gegen Pensionsnachzahlungen nach dem ASVG, sondern gegen Nachzahlungen aus jedem - auch ausländischen - Pensionssystem zu (RIS-Justiz RS0084886), was grundsätzlich auch für die von einem Schweizer Sozialversicherungsträger geleistete Nachzahlung zu gelten habe.

Mangels einer dem § 296 Abs 4 ASVG innewohnenden, etwa dem § 103 Abs 2 ASVG entsprechenden Einschränkung könne, wenn dies notwendig sei, die gesamte Pensionsnachzahlung (aber auch nur diese) für die Aufrechnung herangezogen werden, mögen die Nachzahlungen - in Ansehung des Entstehungszeitpunkts des Ausgleichzulagenüberbezugs, mit dem aufgerechnet werden solle - auch zeitlich nicht kongruent sein.

Nach den Feststellungen enthalte die von der Eidgenössischen Invalidenversicherung im Juni 2009 der beklagten Partei überwiesene Nachzahlung von insgesamt 7.428,72 EUR nicht nur (rückwirkend) dem Kläger zuerkannte Beträge aus dem Titel „ordentliche Invalidenrente“, sondern auch solche aus dem Titel „ordentliche Kinderrente“, und zwar im Ausmaß von 28,63 % der gesamten Nachzahlung = 2.075,30 EUR.

Während nun die Aufrechenbarkeit des angewachsenen Ausgleichszulagenüberbezugs des Klägers gegen den auf die ordentliche Invalidenrente entfallenden Nachzahlungsbetrag unstrittig gegeben sei, sei dies in Bezug auf den die nachgezahlte Kinderrente betreffenden Überweisungsteil im Ergebnis nicht der Fall.

Der Anspruch auf Kindergeld zur Invalidenrente sei in Art 35 des Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) verankert. Danach hätten Männer und Frauen, denen eine Invalidenrente zustehe, für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine Waisenrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung beanspruchen könne, Anspruch auf Kinderrente (Abs 1). Gemäß Art 35 Abs 4 IVG werde die Kinderrente wie die Rente, zu der sie gehöre, ausgezahlt, wobei die Bestimmungen über die zweckgemäße Verwendung (Art 20 ATSG) und abweichende zivilrichterliche Anordnungen vorbehalten blieben und der Bundesrat die Auszahlung für Sonderfälle in Abweichung von Art 20 ATSG namentlich für Kinder aus getrennter oder geschiedener Ehe regeln könne.

Nach Art 20 Abs 1 des Schweizer Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsgesetzes (ATSG) könnten Geldleistungen ganz oder teilweise einem geeigneten Dritten oder einer Behörde ausbezahlt werden, der oder die der berechtigten Person gegenüber gesetzlich oder sittlich unterstützungspflichtig sei oder diese dauernd fürsorgerisch betreue, sofern (a) die berechtigte Person die Geldleistungen nicht für den eigenen Unterhalt oder den Unterhalt von Personen, für die sie zu sorgen hat, verwende oder dazu nachweisbar nicht im Stande sei, und (b) die berechtigte Person oder Personen, für die sie zu sorgen habe, aus einem Grund nach Buchstabe a auf die Hilfe der öffentlichen oder privaten Fürsorge angewiesen seien. Nach Art 285 Abs 2bis des Schweizer Zivilgesetzbuches (ZGB) seien Kinderzulagen, Sozialversicherungsrenten oder ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen, die dem Unterhaltspflichtigen zustünden, zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu zahlen, soweit das Gericht nichts anderes bestimme. Nach Art 285 Abs 2bis ZGB habe der Unterhaltsberechtigte, wenn er infolge Alter oder Invalidität nachträglich Sozialversicherungsrenten oder ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen erhalte, die Erwerbseinkommen ersetzen, diese Beträge dem Kind zu zahlen; der bisherige Unterhaltsbeitrag vermindere sich von Gesetzes wegen im Umfang dieser Leistungen.

Für diese Leistung sei somit charakteristisch, dass sie nicht zwingend mit der Person des unterhaltsverpflichteten Elternteils verknüpft, sondern einer Übertragung an einen Dritten oder an das unterhaltsberechtigte Kind oder eines Splittings zwischen beiden Elternteilen zugänglich sei.

Der Kläger sei als Bezieher der zur ordentlichen Invalidenrente gewährten Kinderrente für den Unterhalt seiner minderjährigen Tochter zuständig. Wäre er dazu nachweisbar nicht mehr imstande, so könnte der Rentenanspruch an Dritte übertragen werden. Die Kinderrente verfolge somit den Zweck, den Unterhalt von Kindern zu sichern, und zwar unabhängig von der Person des Rentenbeziehers selbst. Auch der in Art 20 Abs 1 Satz 1 ATSG genannte „geeignete Dritte oder eine Behörde“ wäre demgemäß verpflichtet, die Kinderrente für die begünstigte Person zu verwenden. In Zusammenhalt mit Art 285 Abs 2bis ZGB, wonach sich der bisherige Unterhaltsbeitrag von Gesetzes wegen im Umfang dieser (neuen) Leistungen vermindere, sei davon auszugehen, dass die Kinderrente nach Schweizer Recht den Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltspflicht in diesem Ausmaß entlasten solle (6 Ob 223/06x). Der Schweizer Gesetzgeber widme diese familienpolitische Maßnahme somit ausschließlich der Sicherung des Unterhalts des Kindes, auch wenn eine Direktauszahlung an das Kind daraus nicht abgeleitet werden könne.

Angesichts der beschriebenen gesetzgeberischen Zielsetzung und deren normativer Gestaltung sei die Kinderrente gemäß Art 35 IVG zweifellos als „Einkommen des Kindes“ zu werten, zumal für die Anrechenbarkeit oder Nichtanrechenbarkeit „eigener Einkünfte“ des Kindes iSd § 140 Abs 3 ABGB, sofern keine ausdrückliche gesetzliche Anordnung vorliege, der Zweck der jeweiligen Leistung entscheidend sei (6 Ob 223/06x).

Auch wenn es sich im vorliegenden Fall bei der hier zu beurteilenden Kinderrente nach insoweit maßgeblichem Schweizer Recht formell um einen Anspruch des Klägers als Vater seiner minderjährigen Tochter A***** handle, stehe einer Aufrechnung des rechtskräftig festgestellten Ausgleichszulagenüberbezugs des Klägers gegen die (allenfalls) der beklagten Partei von der Eidgenössischen Invalidenversicherung überwiesenen Nachzahlung an rückständiger Kinderrente der Umstand entgegen, dass deren Gegenstand eine vom Kläger gleichsam treuhändisch zu verwaltende, materiell seiner Tochter, deren Unterhalt dadurch gesichert werden solle, gehörige Leistung sei.

Im Umfang des auf den Anspruch des Klägers auf Kinderrente entfallenden Nachzahlungsteilbetrags von 2.075,30 EUR erweise sich somit die von der beklagten Partei vorgenommene Aufrechnung als unzulässig, sodass in teilweiser Stattgebung der Berufung des Klägers Punkt 2. des Tenors des angefochtenen Urteils im Sinne der Verpflichtung der beklagten Partei, von der Aufrechnung ihres Anspruchs auf Rückersatz des Überbezugs an Ausgleichszulage im Bezugszeitraum vom 1. 11. 2007 bis 30. 6. 2009 von 7.337,61 EUR gegen die Forderung aus dem Bescheid der Eidgenössischen Invaliditätsversicherung vom 17. 6. 2009 über eine Nachzahlung an Kinderrente im Betrag von 2.075,30 EUR Abstand zu nehmen, abzuändern sei.

Die Revision sei zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit einer Aufrechnung eines Ausgleichszulagenüberbezugs gegen Nachzahlungen einer zur schweizerischen Invalidenrente gewährten Kinderrente gemäß Art 35 IVG durch den Sozialversicherungsträger fehle.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Kläger verpflichtet wird, auch die Aufrechnung gegen die Nachzahlung an Kinderrente im Betrag von 2.075,30 EUR zu dulden; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angegebenen Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

Die beklagte Partei steht auf dem Standpunkt, dass es § 296 Abs 4 ASVG ermögliche, die ausländische Nachzahlung in ihrer Gesamtheit für die Aufrechnung mit der Überzahlung an Ausgleichszulage heranzuziehen. Schon aus diesem Grund habe die Argumentation des Berufungsgerichts, es sei in Bezug auf die Schweizer Kinderrente eine Unterscheidung zwischen dem formellen Anspruch des Vaters und dem materiellen Anspruch des Kindes vorzunehmen, keine Auswirkung. Die Schweizer Kinderrente stelle einen Pensionsbestandteil im weiteren Sinn dar und zähle zusammen mit der Schweizer Invalidenrente zu den „Leistungen aus einer Pensionsversicherung“, sodass die Möglichkeit der Aufrechnung des Überbezugs an Ausgleichszulage gemäß § 296 Abs 4 ASVG mit diesen Leistungen eröffnet werde.

Der Senat hat dazu erwogen:

1. Entsteht durch eine rückwirkende Zuerkennung oder Erhöhung „einer Leistung aus einer Pensionsversicherung“ ein Überbezug an Ausgleichszulage, so ist dieser Überbezug gegen die Pensionsnachzahlung aufzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn Anspruchsberechtigter auf die Pensionsnachzahlung der/die im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatte/Ehegattin oder eingetragene PartnerIn ist (§ 296 Abs 4 ASVG).

1.1. Die inhaltlich von §§ 103 und 107 ASVG abweichende Sondernorm des § 296 Abs 4 Satz 1 ASVG lässt nach ihrem Wortlaut nicht nur die Aufrechnung gegen Pensionsnachzahlungen nach dem ASVG, sondern die Aufrechnung gegen Nachzahlungen aus jedem Pensionssystem (10 ObS 227/94 = SSV-NF 8/109; RIS-Justiz RS0084886), auch einem ausländischen (10 ObS 304/97x = SSV-NF 12/2; 10 ObS 74/07s = SSV-NF 21/50; RIS-Justiz RS0084886 [T1 und T2]), zu.

1.2. Die Norm entspringt dem Rechtsgedanken, dass auch eine zunächst gebührende und rechtmäßig ausgezahlte Ausgleichszulage nicht behalten werden darf, wenn sich nachträglich durch rückwirkende Zuerkennung (oder Erhöhung) einer Leistung aus einer Pensionsversicherung ergibt, dass der Richtsatz erreicht oder überstiegen worden wäre, wenn diese Pensionsleistung früher zuerkannt worden wäre (vgl 10 ObS 26/08h = SSV-NF 22/20). Andernfalls würde es rückwirkend betrachtet zu einer Bereicherung des Pensionisten um die während des sich überschneidenden Zeitraums bezogene Ausgleichszulage kommen (10 ObS 227/94 = SSV-NF 8/109).

2. Der Kläger weist in seiner Revisionsbeantwortung auf den Wortlaut des § 296 Abs 4 Satz 2 ASVG hin, nach dem die Aufrechnung gegen die Pensionsnachzahlung voraussetzte, dass Anspruchsberechtigter der Pensionsnachzahlung entweder der Versicherte selbst oder sein Ehegatte (seine Ehegattin) bzw der eingetragene Partner sei. In Bezug auf die Kinderrente sei zu bedenken, dass das Kind materiell Anspruchsberechtigter dieser Leistung sei.

Dem kann nicht gefolgt werden.

2.1. Nach Art 35 des Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) haben Männer und Frauen, denen eine Invalidenrente zusteht, für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine Waisenrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Kinderrente. Die Kinderrente wird wie die Rente ausbezahlt, zu der sie gehört.

Art 35 Abs 4 IVG erklärt einen Vorbehalt hinsichtlich der Bestimmungen über die zweckgemäße Verwendung (Art 20 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG]) und abweichender zivilrichterlicher Anordnung. Der Bundesrat kann die Auszahlung für Sonderfälle in Abweichung von Art 20 ATSG regeln, namentlich für Kinder aus getrennter oder geschiedener Ehe.

Art 20 ATSG ist demnach als Ausnahmefall anzusehen, der es ermöglicht, Geldleistungen ganz oder teilweise einem geeigneten Dritten oder einer Behörde auszuzahlen, der oder die der berechtigten Person gegenüber gesetzlich oder sittlich unterstützungspflichtig ist oder diese dauernd fürsorgerisch betreut, sofern

a. die berechtigte Person die Geldleistungen nicht für den eigenen Unterhalt oder für den Unterhalt von Personen, für die sie zu sorgen hat, verwendet oder dazu nachweisbar nicht imstande ist; und

b. die berechtigte Person oder Personen, für die sie zu sorgen hat, aus einem Grund nach Buchstabe a auf die Hilfe der öffentlichen oder privaten Fürsorge angewiesen sind.

2.2. Soweit Schweizer Unterhaltsrecht anzuwenden ist (dies ist in concreto im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Österreich nach Art 1 des Haager Unterhaltsstatutübereinkommens nicht der Fall), regelt Art 285 Abs 2bis ZGB das Verhältnis der Kinderrente zum zivilrechtlichen Unterhaltsbeitrag. In dieser Bestimmung wird die Anrechnung der Kinderrente an den Unterhaltsbeitrag statuiert (Kieser in SBVR XIV2, Soziale Sicherheit H Rz 382): „Erhält der Unterhaltspflichtige infolge Alter oder Invalidität nachträglich Sozialversicherungsrenten oder ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen, die Erwerbseinkommen ersetzen, so hat er diese Beträge dem Kind zu zahlen; der bisherige Unterhaltsbeitrag vermindert sich von Gesetzes wegen im Umfang dieser neuen Leistungen.“

2.3. Im unterhaltsrechtlichen Kontext hat sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach mit der Konstellation befasst, dass ein Elternteil eines Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich eine Kinderrente aus der Schweiz vermittelt und die Leistung (ausnahmsweise) unmittelbar an die Pflegeperson des Kindes ausgezahlt wird (RIS-Justiz RS0121610 [T1] = RS0115325 [T1]).

In der Entscheidung 6 Ob 223/06x hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass durch die Überweisung die Unterhaltsverpflichtung im entsprechenden Umfang erfüllt wird; die Kinderrente bildet demnach - anders als das Berufungsgericht meint - kein eigenes Einkommen des Kindes. Diese Ansicht wurde zuletzt zu 7 Ob 166/10b („Bei dieser Rente handelt es sich nach Art 35 des Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung um einen Anspruch des Vaters, wobei die Leistung direkt dem Kind ausbezahlt wird, wodurch der Vater von seiner Unterhaltspflicht im entsprechenden Ausmaß entlastet werden soll.“) und zu 10 Ob 74/10w (Kinderrente nach dem Liechtensteiner AHVG) bestätigt.

3. Zusammengefasst ist daher davon auszugehen, dass der Anspruch auf Kinderrente dem Bezieher der Invalidenrente zusteht, sodass die Leistung schon aus diesem Grund Teil der „Pensionsnachzahlung“ gemäß § 296 Abs 4 ASVG ist, gegen die der Überbezug an Ausgleichszulage aufgerechnet werden kann.

In Stattgebung der Revision der beklagten Partei ist daher das angefochtene Urteil spruchgemäß abzuändern.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, dem Kläger, der Anspruch auf Ausgleichszulage hat, den Ersatz der Hälfte seiner Verfahrenskosten zuzusprechen.

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