OGH 4Ob214/10i

OGH4Ob214/10i15.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** W*****, vertreten durch Mag. Otto Stadler, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen die beklagte Partei G***** O*****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 8.295 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 6. Juli 2010, GZ 21 R 439/09w-19, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Laa/Thaya vom 7. Juli 2009, GZ 10 C 1355/08h-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die in tristen finanziellen Verhältnissen lebende Klägerin hatte den beklagten Kraftfahrzeugmechaniker beauftragt, ihren Pkw fahrtüchtig zu machen, und mit ihm dafür einen Pauschalpreis von 2.600 EUR vereinbart. Nach Abschluss der Arbeiten machte der Beklagte die Herausgabe des Fahrzeugs von der Zahlung weiterer 1.600 EUR abhängig. Zunächst wollte die Klägerin unter Vorbehalt der gerichtlichen Rückforderung zahlen, um das Fahrzeug zurückzubekommen; die dafür notwendigen Mittel hätte ihr Lebensgefährte zur Verfügung gestellt. Wegen einer Auseinandersetzung zwischen dem Lebensgefährten und dem Beklagten kam es aber nicht zu dieser Lösung. Auch ein Schlichtungsversuch durch einen von der Kfz-Innung vermittelten Sachverständigen scheiterte. Daraufhin mietete die Klägerin beim Sachverständigen ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 15 EUR pro Tag, wobei das Entgelt gestundet wurde. Zuvor hatte sie dem Beklagten die Anmietung angedroht; der ÖAMTC hatte ihr bestätigt, dass der Tagessatz günstig sei.

Die Klägerin war auf ein Fahrzeug angewiesen. Sie konnte sich weder ein anderes Auto leisten noch den strittigen Teil des Werklohns als Sicherheit erlegen.

In einem Vorprozess wurde das Begehren des (hier) Beklagten auf Zahlung des weiteren Werklohns (abgesehen von unstrittigen 150 EUR) abgewiesen; der Beklagte wurde zur Herausgabe des Pkw verpflichtet. Er leistete dem erst nach Rechtskraft Folge.

Im vorliegenden Verfahren verpflichteten die Vorinstanzen den Beklagten zum Ersatz der - von der Klägerin noch nicht gezahlten - Fahrzeugmiete für 553 Tage. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Klägerin angesichts der hohen Mietkosten nicht allenfalls zum Erwerb eines Gebrauchtwagens verpflichtet gewesen sei.

Die Revision des Beklagten ist ungeachtet dieses Ausspruchs unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Richtig ist, dass der Geschädigte den Schaden - auch durch positives Tun - gering halten muss, soweit ihm das im konkreten Fall zumutbar ist (RIS-Justiz RS0027116 [T1, T6, T7]). Welche Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich aber im Einzelfall nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (RIS-Justiz RS0027787). Eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung liegt daher regelmäßig nicht vor (RIS-Justiz RS0027787 [T18]).

Die Behauptungs- und Beweislast für eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht trifft den Schädiger (RIS-Justiz RS0027129). Gelingt ihm der Nachweis objektiver Zumutbarkeit, wozu auch das Vorhandensein oder die leichte Beschaffbarkeit ausreichender Mittel für schadensmindernde Maßnahmen gehört (1 Ob 6/86), müsste der Geschädigte subjektive Unzumutbarkeit beweisen (RIS-Justiz RS0026909).

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

2.1. Die Klägerin hat den Beklagten von der beabsichtigten Anmietung verständigt, sodass ihm das Risiko eines weiteren Zurückbehaltens bewusst sein musste. Für die Klägerin war bei Abschluss des Mietvertrags nicht absehbar, wie lange er dennoch die Herausgabe verweigern würde. Sie konnte daher bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung nicht erkennen, dass die Mietkosten letztlich (deutlich) über dem Preis für einen entsprechenden Gebrauchtwagen liegen würden. Darin unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem, der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck (4 R 391/88 = ZVR 1989/161) zugrunde lag. Denn dort war die (lange) Lieferfrist, während der der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug angemietet hatte, von vornherein bekannt gewesen. Zudem war sie nicht vom Verhalten des Schädigers abhängig gewesen. Demgegenüber kann es im vorliegenden Fall nicht der Klägerin zur Last fallen, dass der Beklagte trotz der Schlichtungsversuche der Landesinnung und des für ihn ungünstigen erstinstanzlichen Urteils im Vorprozess bis zum Eintritt der Rechtskraft auf seinem Standpunkt beharrte.

2.2. Zudem hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klägerin nicht über ausreichende Mittel zum Erwerb eines Ersatzfahrzeugs verfügt habe. Dies impliziert, dass ihr Lebensgefährte nach seiner Auseinandersetzung mit dem Beklagten nicht mehr bereit war, eine diesen mittelbar begünstigende Handlung zu finanzieren. Der Beklagte hat diese Feststellung zwar bekämpft, das Berufungsgericht hat sie aber übernommen. Der in diesem Zusammenhang behauptete Verfahrensmangel läge nur vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst hätte (RIS-Justiz RS0043371); eine Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Argument der Beweisrüge besteht nicht (RIS-Justiz RS0043162). Dass die Klägerin als Alleinerzieherin mit fünf Kindern und einem unregelmäßig zahlenden Vater von anderer Seite Kredit bekommen hätte, hat der Beklagte nicht behauptet.

2.3. Die Frage, ob die Beklagte zur Minderung des Schadens verpflichtet gewesen wäre, Sicherheit iSv § 471 Abs 2 ABGB zu leisten, kann offen bleiben. Denn nach dem festgestellten Sachverhalt war sie dazu ebenso wenig in der Lage wie zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Dass ihr Lebensgefährte bereit gewesen wäre, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, ist auch hier nicht erwiesen.

3. Der Beweis mangelnden Verschuldens an der vertragswidrigen Zurückbehaltung (§ 1298 ABGB) ist dem Beklagten nicht gelungen. Zwischen den Parteien steht bindend fest, dass er sich unter Vereinbarung eines Pauschalpreises zum Herstellen der Verkehrstauglichkeit (also zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs) verpflichtet hatte. Da dieser Leistungsinhalt nicht geändert wurde (was nur einvernehmlich möglich gewesen wäre), blieb der Pauschalpreis verbindlich (RIS-Justiz RS0107868, RS0018079). Gründe für eine vertretbare Annahme des Beklagten, dass sein (offenkundig vorliegender) Kalkulationsirrtum nach den Kriterien des § 871 ABGB beachtlich sein könnte, sind nicht erkennbar. Der Beklagte hatte sich im Vorprozess auch nicht auf einen solchen Irrtum gestützt, sondern - den später getroffenen Feststellungen zuwider - das Vorliegen einer Pauschalpreisvereinbarung bestritten. Die Vorinstanzen konnten daher zutreffend von einer schuldhaften Vertragsverletzung des Beklagten ausgehen.

4. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt aus diesen Gründen nicht vor. Die Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte