OGH 1Ob202/10b

OGH1Ob202/10b15.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Johann K*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, gegen die Antragsgegnerin Ingrid K*****, vertreten durch Mag. Clemens Krabatsch, Rechtsanwalt in Wels, wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit der gesonderten Wohnungnahme, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 1. September 2010, GZ 21 R 189/10h-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 7. April 2010, GZ 4 C 52/08w-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach herrschender Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0009486) kann eine Entscheidung über die gesonderte Wohnungnahme iSd § 92 Abs 3 ABGB (nur) dann nicht mehr erfolgen, wenn die Ehe bereits rechtskräftig geschieden ist und entweder ein Unterhaltsanspruch, für den die Entscheidung noch präjudiziell sein könnte, nicht erhoben wurde oder darüber gleichfalls bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.

Im vorliegenden Fall liegt zwar keine rechtskräftige Entscheidung über den Unterhalt, wohl aber ein rechtswirksamer Vergleich (Unterhaltsverzicht) vor, sodass insoweit ein Bedürfnis der selbständigen Klärung einer für die Verschuldensbeurteilung maßgeblichen Frage gleichermaßen nicht mehr besteht wie im Falle einer (rechtskräftigen) gerichtlichen Unterhaltsentscheidung. Da die Ehe zum Zeitpunkt der Zurückweisung des Feststellungsantrags bereits rechtskräftig geschieden war, liegt auch das zweite von der Rechtsprechung geforderte Element für die fehlende Zulässigkeit einer Entscheidung über den Feststellungsantrag vor. Ein Scheidungsausspruch kann im Eheverfahren in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden (bzw die Gewichtung des beiderseitigen Verschuldens) entschieden ist (RIS-Justiz RS0056846).

2. Wenn der Revisionsrekurswerber vermeint, der Oberste Gerichtshof habe sich in seiner früheren Judikatur ausschließlich mit der Frage einer präjudiziellen Vorklärung der Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungnahme für ein späteres Unterhalts- oder Ehescheidungsverfahren beschäftigt, sich aber mit der Frage der Auswirkung auf ein späteres Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG nicht auseinandergesetzt, zumal in den entschiedenen Fällen ein dahingehendes Rechtsschutzbedürfnis von den Antragstellern offenkundig nicht behauptet worden sei, ist ihm nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass nicht angenommen werden kann, in der Vorjudikatur wäre die Möglichkeit der Auswirkung einer solchen Feststellungsentscheidung auf das Aufteilungsverfahren nicht bedacht worden, ist festzuhalten, dass in einem solchen Verfahren das Verschulden der Ehegatten an der Scheidung nur ganz ausnahmsweise in besonderen Konstellationen von Bedeutung ist, wie der Revisionsrekurswerber selbst darlegt. Wäre in der Vorjudikatur dieser Aspekt als bedeutsam angesehen worden, hätte darauf bei der Prüfung des Feststellungsinteresses auch ohne entsprechende Verfahrensbehauptung einer Partei Bedacht genommen werden müssen.

3. Im vorliegenden Fall wurde mit dem (in Rechtskraft erwachsenen) Scheidungsurteil die Ehe geschieden und gemäß § 60 Abs 2 Satz 1 EheG das Verschulden beider Teile ausgesprochen, wogegen der Ausspruch über ein allenfalls überwiegendes Verschulden iSd § 60 Abs 2 Satz 2 EheG vorbehalten wurde. Das Verschulden der Antragsgegnerin wurde dabei in der gesonderten Wohnungnahme gesehen. Die Vorinstanzen haben daraus den Schluss gezogen, dass diese Frage damit im Scheidungsverfahren bereits beantwortet worden sei, weshalb dem Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auszugs der Antragsgegnerin aus der Ehewohnung nicht mehr zukomme.

Darin kann eine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, nicht erkannt werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass im Scheidungsverfahren ohnehin noch über die Gewichtung des beiderseitigen Verschuldens abzusprechen sein wird. Sollte in einem zukünftigen Aufteilungsverfahren die Frage des (überwiegenden) Verschuldens an der Ehescheidung von Bedeutung sein, wird die (derzeit noch ausstehende) endgültige Entscheidung im Scheidungsverfahren als präjudiziell zugrunde zu legen sein.

Einer gesonderten und zeitlich früheren Entscheidung über einen Feststellungsantrag nach § 92 Abs 3 ABGB bedarf es nicht, weil darin nur dem Grunde nach über die Rechtmäßigkeit bzw Rechtswidrigkeit der gesonderten Wohnungnahme der Antragsgegnerin abgesprochen werden könnte. Abgesehen davon, dass von einer Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme im Scheidungsurteil ohnehin ausgegangen wurde und damit eine entsprechende Eheverfehlung feststeht, ist für den endgültigen Verschuldensausspruch - und nur dieser kann für das Aufteilungsverfahren allenfalls von Bedeutung sein - eine gewichtende Abwägung der wechselseitigen Eheverfehlungen vorzunehmen, die nicht durch eine allein das Vorliegen einer Eheverfehlung dem Grunde nach aussprechende Entscheidung ersetzt oder vorweg genommen werden kann. Diese Abwägungsentscheidung, die allein für den noch zu treffenden Ausspruch gleichteiligen oder überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten maßgeblich ist, kann ausschließlich im Scheidungsverfahren erfolgen und würde auch durch ein vorangehendes formelles Absprechen über den Feststellungsantrag nicht erleichtert.

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