OGH 8Ob3/10i

OGH8Ob3/10i4.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***** T*****, vertreten durch Dr. Erich Peter Piuk, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei em. Univ.-Prof. Dr. H***** K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart, Dr. Bernhard Fink, Mag. Klaus Haslinglehner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Herabsetzung des einstweiligen Unterhalts (Streitwert 1.910,88 EUR), über den Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 12. Oktober 2009, GZ 4 R 330/09k-76, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Ferlach vom 31. Juli 2009, GZ 1 C 208/08z-71, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag auf Einschränkung der einstweiligen Verfügung abgewiesen wird.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der Klägerin und gefährdeten Partei die mit 371,52 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 61,92 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin und gefährdete Partei (in weiterer Folge: Klägerin), eine chilenische Staatsbürgerin, und der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in weiterer Folge: Beklagter), ein deutscher Staatsbürger, haben am 10. 5. 1999 in Deutschland die Ehe geschlossen. Die Klägerin begehrte (nach Einschränkung) vom Beklagten die Zahlung eines monatlichen Unterhalts bei aufrechter Ehe in Höhe von 3.000 EUR ab 1. 12. 2006. Sie erwirkte am 6. 4. 2007 die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Beklagten aufgetragen wurde, ihr ab 1. 4. 2007 einen einstweiligen Unterhalt von 1.023 EUR zu bezahlen. Diese einstweilige Verfügung ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unterhaltsklage wirksam.

Das Erstgericht erkannte im Unterhaltsverfahren den Beklagten mit Urteil schuldig, der Klägerin vom 1. 12. 2006 bis 31. 12. 2006 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 1.388 EUR und ab 1. 1. 2007 einen solchen von 1.305 EUR zu bezahlen. Es wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von 1.612 EUR für die Zeit vom 1. 12. bis 31. 12. 2006 und von 1.695 EUR ab 1. 1. 2007 ab. Das Berufungsgericht gab mit einer als „Beschluss“ bezeichneten Entscheidung der Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil nicht Folge. Hingegen hob es über Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil im nicht bestätigten, also klageabweisenden, Teil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobenen Rechtsmittel der Revision und des Rekurses wies der Oberste Gerichtshof zurück (8 Ob 136/08w). In seiner Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass sich das Berufungsgericht (teilweise) in der Entscheidungsform vergriffen hat. Aus dem Spruch und den Entscheidungsgründen ergebe sich eindeutig, dass das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten nicht Folge gab. Das Berufungsgericht hätte daher den klagestattgebenden Teil des Ersturteils mit Teilurteil (§ 391 Abs 1 ZPO) bestätigen müssen. Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusse aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels. Die gegen die als Teilurteil zu wertende Entscheidung vom Beklagten erhobene Revision wies der Oberste Gerichtshof mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurück. Gegenstand des weiteren Unterhalts(haupt)verfahrens ist daher nur mehr das - vom Erstgericht abgewiesene - Unterhaltsmehrbegehren der Klägerin.

Mit seinem Antrag vom 8. 5. 2009 begehrt der Beklagte die Einschränkung der einstweiligen Verfügung gemäß § 399 Abs 1 Z 2 EO. Sein Einkommen habe sich verringert. Er begehrt daher, den mit der einstweiligen Verfügung bestimmten einstweiligen Unterhalt ab Antragstellung, zumindest aber ab 1. 6. 2009 um 159,24 EUR auf monatlich 863,76 EUR einzuschränken.

Die Klägerin sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten ab. Es liege ein rechtskräftiges Teilurteil vor, wonach der Beklagte der Klägerin jedenfalls einen Unterhaltsbeitrag von 1.388 EUR monatlich für Dezember 2006 sowie einen solchen von 1.305 EUR monatlich ab 1. 1. 2007 zu bezahlen hat. Ausgehend davon fehle dem Beklagten das rechtliche Interesse: Aufgrund des formell unanfechtbaren Teilurteils sei er jedenfalls verpflichtet, der Klägerin einen monatlichen Unterhalt zu bezahlen, der über jenem Betrag liege, den er nach der einstweiligen Verfügung zu zahlen hätte. Es bedürfe daher keiner inhaltlichen Prüfung, ob sich die Verhältnisse beim Beklagten tatsächlich geändert haben. Eine amtswegige Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen Zeitablaufs komme nicht in Betracht, weil sie bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens in Kraft sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten gegen diesen Beschluss mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Antrag des Beklagten nicht ab-, sondern zurückgewiesen werde. Es teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und verneinte ebenfalls ein Rechtsschutzinteresse des Beklagten. Da lediglich ein Antrag auf Einschränkung der einstweiligen Verfügung gestellt worden sei, komme eine Aufhebung derselben nicht in Betracht. Bei Fehlen der Beschwer sei der Antrag des Beklagten nicht ab-, sondern zurückzuweisen, weshalb die erstgerichtliche Entscheidung mit dieser Maßgabe zu bestätigen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Gegenstand der Entscheidung ist ein Antrag auf Einschränkung einer einstweiligen Verfügung. Gemäß § 402 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs daher auch dann, wenn - wie hier - eine nach inhaltlicher Prüfung bestätigende Rekursentscheidung vorliegt, nicht jedenfalls unzulässig.

2. Die umfangreichen Ausführungen des Revisionsrekurswerbers über das vom Hauptverfahren unabhängige eigene rechtliche Schicksal und die dazu vorgebrachten Belegstellen verkennen die Besonderheit der hier zu beurteilenden Konstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Klägerin mit dem in Rechtskraft erwachsenen Teilurteil vom 20. 6. 2008 über einen Exekutionstitel verfügt, der auf einen höheren Unterhaltsbetrag lautet, als die vorher erwirkte einstweilige Verfügung.

3. Obzwar die einstweilige Verfügung daher noch nicht aufgehoben wurde - einen diesbezüglichen Antrag hat der Beklagte nicht gestellt -, ist sie durch das rechtskräftige Teilurteil, das der Klägerin die Exekution auf einen höheren Unterhaltsbetrag ermöglicht, inhaltlich „überholt“. Das Begehren, die inhaltlich überholte einstweilige Verfügung einzuschränken, hat daher für die Dauer des Bestands des im Hauptverfahren ergangenen Urteils nur mehr theoretische Bedeutung.

4. Aus dem Umstand, dass im Hauptverfahren der Klägerin bereits ein Unterhaltsbetrag rechtskräftig zugesprochen wurde, folgt, dass für die Dauer des Bestands dieser Entscheidung die einstweilige Festsetzung eines diesen bereits rechtskräftig zuerkannten Unterhaltsbetrags unterschreitenden Unterhaltsbetrags nicht in Betracht kommt.

5. Damit erweist sich aber die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, der Beklagte habe an einer Einschränkung der einstweiligen Verfügung kein rechtliches Interesse, als zutreffend. Für die gerichtliche Geltendmachung jedes Anspruchs ist das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses zwingende Voraussetzung (8 Ob 33/10a). Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses führt nach der jüngeren Rechtsprechung auch im Exekutionsverfahren nicht zur Zurück-, sondern zur Abweisung des Sachantrags (allgemein: SZ 48/116; 4 Ob 71/95; 7 Ob 638/87; 6 Ob 210/03f; zum Exekutionsverfahren 3 Ob 9/96). Aus diesem Grund war der Antrag - wie vom Erstgericht ohnedies richtig erkannt - abzuweisen.

6. Dass sich die Klägerin in erster Instanz gegen den Einschränkungsantrag des Beklagten nicht auf das rechtskräftige Teilurteil berufen hat, steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Selbst wenn man einen solchen Einwand hier für erforderlich erachten wollte, wäre für den Beklagten daraus nichts zu gewinnen, weil er das Fehlen eines solchen Antrags in zweiter Instanz nicht gerügt hat und diese Rüge in dritter Instanz nicht nachtragen kann.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO.

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