OGH 6Ob165/10y

OGH6Ob165/10y22.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj S***** S*****, geboren am 11. August 1997, in Obsorge beider Elternteile, hauptsächlich aufhältig beim Vater Dr. A***** S*****, dieser vertreten durch Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte OG in Wien, wegen vorläufiger Obsorgeentziehung und vorläufiger Aussetzung des mütterlichen Besuchsrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Kindesvaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 12. Juli 2010, GZ 7 P 181/09p-43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Revisionsrekurswerber darauf verweist, dass keine Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt vorhanden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt keineswegs bedeutet, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 62 Abs 1 AußStrG (bzw § 502 Abs 1 ZPO) erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofs sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181).

Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist immer eine solche des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (RIS-Justiz RS0007101). Dies gilt auch für die vorläufige Einräumung der Obsorge gemäß § 107 Abs 2 AußStrG (6 Ob 160/06g). Ob die Voraussetzungen für eine vorläufige Obsorgeregelung vorliegen, begründet zufolge Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls keine erhebliche Rechtsfrage, sofern keine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt (RIS-Justiz RS0007009, RS0007101).

Die Änderung der Obsorgeverhältnisse darf nur als Notmaßnahme angeordnet werden (RIS-Justiz RS0047841 [T10], RS0085168 [T5]). Der Obsorgeberechtigte muss demnach die elterlichen Pflichten subjektiv gröblich vernachlässigt oder objektiv nicht erfüllt bzw durch sein Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährdet haben (RIS-Justiz RS0048633).

In der Auffassung der Vorinstanzen, die Kindesmutter habe ihre Obsorgepflicht nicht gröblich verletzt, zumal sie mit der Minderjährigen sofort nach dem Stromschlag das LKH Klagenfurt aufgesucht und ihre Tochter umfassender ärztlicher Betreuung zugeführt hat, ist eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken. Die vom Kindesvater angestrebte restlose Aufklärung des Stromunfalls der Minderjährigen allein rechtfertigt eine vorläufige Entziehung der Obsorge jedenfalls nicht, zumal keine sonstigen Hinweise auf eine Vernachlässigung der Betreuungspflichten durch die Mutter oder die Gefährdung der Minderjährigen vorliegen.

Damit bringt der Revisionsrekurswerber aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

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