OGH 9ObA90/09i

OGH9ObA90/09i30.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Peter Ladislav und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der D***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei D***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Auer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert 21.800 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. März 2009, GZ 12 Ra 2/09i-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. September 2008, GZ 8 Cga 81/08m-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Betrieb der Beklagten unterliegen mindestens drei Angestellte einem in der Betriebsvereinbarung „Gehaltsordnung“ geregelten Erfolgsbeteiligungsmodell, nach dem jährlich eine nach der jeweiligen Höhe des Betriebserfolgs gestaffelte Prämie zur Auszahlung kommt. Der Betriebserfolg der Unternehmenskennzahl ROI (return on investment) bestimmt sich durch Division des Betriebserfolgs EBIT (earnings before interests and taxes = Gewinn vor Zinsen und Steuern) durch das durchschnittlich eingesetzte Kapital. Für das Jahr 2007 betrug der Betriebserfolg EBIT 38,639 Mio EUR, wobei in diesem Betrag die für das Jahr 2007 zu erwartende ROI-Prämie bereits zu 100 % abgezogen ist. Das durchschnittlich eingesetzte Kapital (Durchschnitt zwischen den Jahren 2006 und 2007) betrug 268,0575 Mio EUR.

Punkt 2.4. der „Gehaltsordnung“, der die Erfolgsbeteiligung in Form der ROI-Prämie regelt, lautet auszugsweise wie folgt:

„Variable Vergütung:

… Alle anderen Angestellten erhalten einen variablen Teil in Abhängigkeit vom ROI. Die Kennzahl ROI (return on investment) ergibt sich durch Division des Betriebserfolgs durch das durchschnittlich eingesetzte Kapital.

Die Basis für die Ermittlung des variablen Anteils ist das Systemgehalt (…) bzw das jeweilige Ist-Gehalt jener Mitarbeiter, die keine Splittung (Anmerkung: gemeint ist die Aufteilung in Systemgehalt und persönliches Fixgehalt) haben.

ROI 7% 10% 13% 15% 17% 20% 23% 25%

unter 7%=0 über 25%=12

Für die Ermittlung des ROI gilt die Definition laut DSM-Konzernrichtlinien. Wobei ausdrücklich vereinbart wurde, dass mindestens 50 % der absoluten ausgeschütteten Vergütung über jenem EBIT liegen muss, welches exakt den jeweiligen ROI-Prozentsatz ergibt, oder anders ausgedrückt, dass nach Auszahlung der Prämie der ROI durch maximal 50 % der Prämie nach unten gedrückt werden darf, andernfalls tritt die nächst untere Stufe in Kraft.“

Die Beklagte gibt monatliche und vierteljährliche „Managerial Reports“ aus, in denen auch die aktuellen Unternehmenskennzahlen veröffentlicht werden. Diese richten sich an die Führungsebene und den Betriebsratsvorsitzenden, teilweise sind auch Abteilungsleiter bei den Adressaten. Die anderen Angestellten erhielten im laufenden Geschäftsjahr Informationen über die Unternehmenskennzahlen, darunter auch den voraussichtlichen ROI-Wert, allenfalls indirekt über ihre Vorgesetzten, etwa bei Besprechungen. In diesen Reports war der ROI-%-Wert immer als ganze Zahl ausgewiesen, dh der regelmäßig auch aus Dezimalstellen bestehende Wert wurde immer nur gerundet angegeben. Im März erhielten die von der Prämie betroffenen Angestellten Verständigungen, aus denen die in jeweils ganzen Zahlen ausgedrückten ROI-Werte hervorgingen. Bisher war keiner dieser Werte so nahe an der nächsthöheren oder -niedrigeren Prämienstufe gelegen, dass sich durch die Rundung eine Über- oder Unterschreitung des Grenzwerts und somit die Gewährung der nächsthöheren oder -niedrigeren Prämie ergeben hätte.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte den ROI-Wert für 2007 von 14,62 % auf 15 % zu runden und der betroffenen Belegschaft eine ROI-Prämie im Ausmaß von 5 % anstatt tatsächlich im März 2008 bezahlter 4 % zu bezahlen habe.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass auch in den vergangenen Jahren eine kaufmännische Rundung erfolgt sei, sodass den betroffenen Angestellten ein Recht, insbesondere in Form einer Betriebsübung darauf erwachsen sei, dass der ROI immer gerundet werde und daher im Falle einer Annäherung von 0,5 Prozent an den nächsthöheren ROI-Wert dieser als Berechnungsgrundlage heranzuziehen sei.

Dies bestritt die Beklagte. Ein solches Recht auf Rundung ergebe sich weder aus dem Text der Betriebsvereinbarung, noch sei eine die Einzelverträge ergänzende Betriebsübung im vorgenannten Sinn entstanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es hat dabei die - im Revisionsverfahren einzig noch relevierte - Frage, ob eine Betriebsübung entstanden sei, derzufolge für die Prämienberechnung eine Rundung der ROI-Werte zu erfolgen habe, zutreffend verneint. Es kann daher auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des Berufungsurteils verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lediglich ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung kann, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) - Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden (RIS-Justiz RS0014539). Für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen gehen dabei kollektiven Regelungen vor (RIS-Justiz RS0050968). Eine solche, unzweideutig zum Ausdruck gekommene Willensäußerung kann der Beklagten aber im vorliegenden Fall der Veröffentlichung nur ganzzahliger ROI-Werte nicht zugemessen werden: In keinem vorangegangenen Jahr war nämlich den betroffenen Arbeitnehmern etwas „gewährt“ worden; vielmehr waren die vorgenommenen Rundungen (aufgrund der Zwei- und Drei-Prozentsprünge) immer berechnungsneutral und somit ohne Einfluss auf die Prämienstufen gewesen. Damit konnten die Dienstnehmer aber nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass ihnen in Ergänzung ihrer Dienstverträge etwas Günstigeres gewährt werden sollte, als aus der nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB auszulegenden Betriebsvereinbarung (RIS-Justiz RS0010088) hervorging. Danach kommt es aber, wie schon vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt, darauf an, dass jeweils die in ganzen Prozentzahlen ausgedrückten Grenzwerte erreicht werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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