OGH 3Ob80/10a

OGH3Ob80/10a26.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und andere Rechtsanwälte in Bruck/Mur, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Augustin und andere Rechtsanwälte in Leoben, wegen 51.325,10 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. März 2010, GZ 5 R 47/10m-153, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 7. Dezember 2009, GZ 7 Cg 24/04i-148, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Vorinstanzen gaben der Schadenersatzklage der Klägerin mit der Begründung statt, der von der Beklagten der Klägerin gelieferte Mörtel habe nicht den vereinbarten Spezifikationen entsprochen und die Schäden im Herdwagenofen der Kundin der Klägerin verursacht.

Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit Ergebnisse, die von einem abgelehnten Sachverständigen stammen, den Feststellungen zugrunde gelegt werden dürften.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass das bereits erstattete Gutachten eines mit Erfolg abgelehnten Sachverständigen nicht mehr als Prozessstoff berücksichtigt werden darf (5 Ob 146/73 = SZ 46/94 ua; zuletzt 9 Ob 47/05k; RIS-Justiz RS0040667). Die Heranziehung von Befund und/oder Gutachten eines befangenen Sachverständigen bewirkt zwar mangels besonderer Sanktion keine Nichtigkeit, kann aber ein wesentlicher Verfahrensmangel (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO) sein (10 ObS 316/02x; 9 Ob 47/05k, je mwN).

Im vorliegenden Fall zog das Erstgericht nach erfolgreicher Ablehnung der zunächst herangezogenen Sachverständigen einen weiteren Gerichtssachverständigen bei, dessen Gutachten es seinen Feststellungen zugrundelegte. Diese Feststellungen bekämpfte die Beklagte als mangelhaft und als Ergebnis unzutreffender Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht verwarf sowohl Mängel- als auch Beweiswürdigungsrüge und übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz ist in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (stRsp, RIS-Justiz RS0042963); in zweiter Instanz nicht geltend gemachte Mängel des Verfahrens erster Instanz sind in dritter Instanz ebenfalls nicht mehr anfechtbar (stRsp, RIS-Justiz RS0043111). Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht sich mit der Mängelrüge nicht oder nicht auf aktengemäßer Grundlage befasst hätte oder die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens mit unrichtiger rechtlicher Begründung verworfen hätte (RIS-Justiz RS0042963 [T9, T12 und T28] RS0043086; RS0043144). Einen derartigen Ausnahmefall vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

In diesem Fall zogen die Vorinstanzen die Gutachten der abgelehnten Sachverständigen nicht heran. Dass der zuletzt beigezogene Sachverständige, dessen Unbefangenheit nicht in Zweifel gezogen wurde, von einem der abgelehnten Sachverständigen - nicht als Gerichtsgutachter, sondern im Rahmen seiner vorher als Privatgutachter für die Haftpflichtversicherung der Klägerin - gezogene Proben und angefertigte Fotos seinem Gutachten zugrundelegte, unterliegt ebenso der in dritter Instanz nicht überprüfbaren Beweiswürdigung der Vorinstanzen, wie die Zeugenaussage des abgelehnten Sachverständigen über seine Tätigkeit als Privatgutachter. Die Ablehnung einer Person als Sachverständiger bedeutet nicht, dass sie nicht über ihre persönlichen Wahrnehmungen als Zeuge vernommen werden dürfte. Hiefür fehlt jede gesetzliche Grundlage. Die Einvernahme des abgelehnten Sachverständigen erfolgte als „sachverständiger“ Zeuge, der dem Gericht Auskunft über von ihm wahrgenommene Tatsachen gab (vgl RIS-Justiz RS0040558).

Da die Beklagte erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen vermochte, war ihre außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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