Spruch:
Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird anstelle des Handelsgerichts Wien das Landesgericht Innsbruck bestimmt.
Text
Begründung
Mit der vorliegenden Deckungsklage begehrt der in Wörgl wohnhafte Kläger von der in Wien ansässigen Beklagten als Unfallversicherer eine Versicherungsleistung von 43.895,70 EUR (15 % der Versicherungssumme). Er habe sich in seinem Wohnhaus in Wörgl durch einen Unfall (Ausrutschen auf der Stiege - Sturz auf den Rücken) einen Bandscheibenvorfall zugezogen, aus dem eine dauernde Invalidität von zumindest 15 % resultiere.
Die Beklagte erwidert, ein Bandscheibenvorfall könne durch einen Sturz gar nicht herbeigeführt werden. Sie bestreitet, dass ein Unfall im Sinn des Art 3 USVB 1995 vorliege. Als Beweismittel macht sie unter anderem fünf Zeugen (vier aus Innsbruck und einen aus Wörgl) namhaft. Sie begehrt die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Durchführung eines Lokalaugenscheins.
Außerdem stellt die Beklagte, die an ihrem Sitz in Wien geklagt wurde, den Antrag, die Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck zu delegieren. Es sei generell zweckmäßig, Unfallsachen bei dem Gericht durchzuführen, in dessen Sprengel sich der Unfall ereignet habe. Selbst wenn der Lokalaugenschein nicht erforderlich sein sollte, sei die Delegierung im Hinblick auf die Arbeits- und Wohnorte der beantragten Zeugen und die Gutachtenserstattung durch einen im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck wohnhaften Sachverständigen zweckmäßig, weil die Sache rascher und mit geringerem Aufwand vor diesem Gericht - unter Einhaltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes - durchgeführt werden könnte (Anfahrtszeit nach Wien: 5 Stunden; von Wörgl nach Innsbruck: ca 40 Minuten).
Der Kläger spricht sich gegen eine Delegierung aus, weil er sich aus beruflichen Gründen „permanent immer wieder“ im Großraum Wien aufhalte, weshalb er sich auch ausdrücklich mit der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Sprengel des Handelsgerichts Wien einverstanden erkläre und die Untersuchungen am Wohn- bzw Arbeitssitz des Sachverständigen in Wien wahrnehmen werde. Zur Frage der Unmittelbarkeit verweist der Kläger auf die Möglichkeit einer Videokonferenz.
Das Erstgericht befürwortet die Delegierung. Es weist zum einen darauf hin, dass der Wohnort des Klägers und sämtlicher beantragter fünf Zeugen im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck liege; zum anderen auf den für die Beweiswürdigung erforderlichen unmittelbaren Eindruck von den einvernommenen Personen, der erfahrungsgemäß auch durch eine Videokonferenzanlage nicht herzustellen sei. Angesichts des mit einer Verhandlung vor dem erkennenden Gericht verbundenen Aufwands für die auswärtigen Zeugen und zur Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sei es zweckmäßig, die Rechtssache zu delegieren.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist berechtigt.
Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RIS-Justiz RS0046324; RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung beziehungsweise Verbilligung des Verfahrens zu bewirken verspricht. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn sich die Wohnorte der Zeugen und einer oder beider Parteien im Sprengel des anderen Gerichts befinden (7 Nc 12/09p mwN).
Dem Delegierungswerber und der Äußerung des Handelsgerichts Wien ist darin beizupflichten, dass die Voraussetzungen für eine Delegierung hier schon in Anbetracht des Wohnsitzes aller zu vernehmenden Personen im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck zu bejahen sind. Dazu kommt der allenfalls notwendige Ortsaugenschein an der Unfallstelle, die wohl auch vom Sachverständigen zu besichtigen sein wird. Davon ausgehend ist aller Voraussicht nach bei Delegierung der Rechtssache mit einem geringeren Verfahrens- und Kostenaufwand zu rechnen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es außerdem in der Regel zweckmäßig, einen Schadenersatzprozess aus einem Verkehrsunfall bei dem Gericht durchzuführen, in dessen Sprengel sich der Unfall ereignete (RIS-Justiz RS0046149), wobei dieser Grundsatz auch auf Verfahren außerhalb des Straßenverkehrs und auf Deckungsklagen - also auch auf den vorliegenden Rechtsstreit - anwendbar ist (8 Nc 13/08s; 7 Nc 12/09p).
Die vom Kläger vorgetragenen Argumente können nichts daran ändern, dass Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis hier eindeutig für die begehrte Delegation sprechen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.
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