OGH 12Os127/09g

OGH12Os127/09g11.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jauk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kristina G***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Patrick K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 5. Februar 2009, GZ 7 Hv 35/08s-173, sowie seine Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe gemäß §§ 50, 52 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten K***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche Mitangeklagter und Freisprüche unter anderem des Beschwerdeführers sowie Privatbeteiligtenzusprüche enthaltenden Urteil wurde Patrick K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1, § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 18. April 2008 in Graz dadurch, dass er neben den das Ehepaar Gr***** angreifenden Marcel Gs***** und Herbert F***** - bereit, bei Bedarf in das Geschehen einzugreifen - herlief, dazu beigetragen, dass diese mit Gewalt und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Sieglinde Gr***** in deren Handtasche befindliches Bargeld in Höhe von ca 55 Euro wegnahmen, indem Marcel Gs***** dem Begleiter und Ehegatten der Genannten, Alfred Gr*****, von hinten in den Rücken sprang, wodurch dieser zu Sturz kam, sodass Herbert F***** Sieglinde Gr*****, die ebenfalls kurz das Gleichgewicht verlor, die Handtasche entreißen konnte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****, der keine Berechtigung zukommt.

Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Feststellung, wonach der Angeklagte K***** bei dieser Aktion neben Marcel Gs***** und Herbert F***** herlief, um gegebenenfalls unterstützend aktiv in das Tatgeschehen eingreifen zu können (US 30), nicht bloß auf die allgemeine Lebenserfahrung und darauf gestützt, dass es keinen vernünftigen Grund gäbe, warum er sonst mitlaufen hätte sollen, sondern auch aus den Angaben des Mitangeklagten Gs***** und des gesondert verfolgten F***** sowie daraus erschlossen, dass K***** für seine Unterstützung einen - wenn auch nur geringen - Teil der Beute erhielt (US 37). Die Rüge orientiert sich daher der Verfahrensordnung zuwider nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Die von der Beschwerde isoliert herausgegriffene Passage der Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei, er und Marcel Gs***** sollten eigentlich nur mitlaufen (S 23 in ON 12 in ON 125), schließt angesichts dessen, das Herbert F***** dazu auserkoren war, Sieglinde Gr***** ihre Handtasche zu entreißen, keineswegs aus, der Angeklagte sei willens gewesen, gegebenenfalls unterstützend in das Tatgeschehen einzugreifen. Eine gesonderte Erörterung dieses Teils seiner Einlassung war auch deshalb nicht geboten, weil die Tatrichter seine weitere Verantwortung, sie hätten sich geeinigt, alle drei von hinten auf das als Opfer auserwählte Ehepaar zuzulaufen, ohnedies berücksichtigt haben (US 37).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt mit der Argumentation, es sei keine erhebliche Gewalt angewendet worden, eine Verurteilung (bloß) wegen des Verbrechens des „minderschweren" Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB an. Sie übergeht jedoch, dass Alfred Gr***** von Marcel Gs***** nicht bloß - wie sie vorbringt - ein Stoß in den Rücken versetzt wurde, sondern dass er dem Ehemann des Raubopfers aus dem Lauf mit dem Fuß in den Rücken sprang, wodurch dieser zu Sturz kam und ein bis zwei Stunden danach noch leichte Beschwerden spürte (US 30, 50). Außerdem lässt sie bei ihrer Behauptung, neben der geringwertigen Raubbeute sei es auch sonst durch die Tat zu keinen erheblichen Folgen gekommen, die vom Erstgericht angenommene Wegnahme wichtiger Dokumente (ua Bankomatkarte, Kreditkarte, E-card) und die dadurch erforderliche Sperre der Kreditkarte (US 31) unberücksichtigt. Demnach leitet sie auch nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (eingehend 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = SSt 2003/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116565, RS0116569), weshalb die vom Erstgericht angenommene Gewaltanwendung keinen Einsatz beachtlicher physischer Kraft in vehementer Weise darstellte (vgl Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 56; RIS-Justiz RS0094427) und trotz der Unterdrückung der genannten Urkunden bloß unbedeutende Tatfolgen vorliegen sollten (zur Einbeziehung aller tatbestandlichen und außertatbestandlichen negativen Auswirkungen der Tat als Kriterien für das Vorliegen [un-]bedeutender Folgen sowie zum Verlust wichtiger Dokumente als fühlbare Beeinträchtigung des Tatopfers vgl RIS-Justiz RS0094501 und RS0094494; SSt 61/21). Damit verfehlt sie jedoch den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Die Relevanz der Behauptung, entgegen den erstgerichtlichen Annahmen liege dem Angeklagten lediglich psychischer Tatbeitrag zur Last, wird von der Beschwerde nicht erklärt, sodass sie sich insoweit einer inhaltlichen Erwiderung entzieht.

Dass ein Schuldspruch nach § 142 Abs 1 StGB Feststellungen zu einer in Aussicht genommenen erheblichen Gewaltanwendung und zu einem diesbezüglichen Wissen des Beschwerdeführers erfordert hätte, wird von der weiteren Subsumtionsrüge bloß begründungslos behauptet, jedoch wiederum nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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