OGH 6Ob251/09v

OGH6Ob251/09v14.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Graz zu FN ***** eingetragenen F***** GmbH mit dem Sitz in G***** über den Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach Mag. Gerhard L*****, ehemaliger Geschäftsführer, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 4. November 2009, GZ 4 R 138/09k-58, mit dem der Rekurs der Verlassenschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. April 2008, GZ 27 Fr 2835/03x-42, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein verspäteter Rekurs im Zwangsstrafenverfahren auch dann noch meritorisch zu behandeln ist, wenn der Zahlungsauftrag zur Hereinbringung der Zwangsstrafe zu Gunsten des Bundes bereits erlassen ist.

1. Der erkennende Senat hat erst jüngst mit ausführlicher Begründung die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage verneint (6 Ob 252/09s): Zwar kommt der Erlassung des Zahlungsauftrags kein entscheidendes Gewicht zu. Durch das PuG (BGBl I 2006/103) wurde jedoch § 283 Abs 4 UGB eingefügt. Nach dieser Bestimmung ist eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn die bestraften Personen ihrer Pflicht nachkommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl ErläutRV PuG 1427 BlgNR 22. GP 6) soll die Neuregelung Zweifel an der ordnungsgemäßen Umsetzung des Art 6 der Publizitäts-Richtlinie zerstreuen. Aus diesem Grund wollte der Gesetzgeber an die ältere Judikatur anknüpfen und den repressiven Charakter der Zwangsstrafe im Gesetz ausdrücklich verankern. Damit folgte der Gesetzgeber einer rechtspolitischen Entscheidung, die mit der EO-Novelle 2000, BGBl I 2000/59, für die Regelung der Geldstrafen zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen in § 359 EO getroffen wurden. Eine Stellungnahme des Gesetzgebers zur Zuständigkeit des Firmenbuchgerichts für die Aufhebung einer Zwangsstrafe beziehungsweise die Notwendigkeit der Einleitung eines Streit- bzw Oppositionsverfahrens erübrigte sich, weil ein solcher Antrag ohnedies keinen Erfolg mehr haben kann. Damit hat sich der Gesetzgeber zur Erhöhung der Wirksamkeit des Zwangsstrafenverfahrens dafür entschieden, dass nachträgliche Änderungen den Vollzug der verhängten Zwangsstrafe in der Regel nicht hindern. Das gesetzliche Ziel der Beugung des Willens des Verpflichteten kann nämlich nur erreicht werden, wenn dieser weiß, dass die Strafe im Fall des Zuwiderhandelns nicht bloß verhängt, sondern auch vollzogen wird (vgl 3 Ob 12/93 ecolex 1993, 686; zum Firmenbuchverfahren schon 6 Ob 177/00y; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 24 Rz 62). Vor dem Hintergrund der Neuregelung des § 283 Abs 4 UGB hat aber die Position der Republik Österreich mit Rechtskraft der Zwangsstrafe eine deutliche Verfestigung erfahren. Anträge an das Firmenbuchgericht auf Absehen vom Vollzug sind zwar im Sinne der Entscheidung 6 Ob 78/09b weiterhin möglich; sie sind aber nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers in der Regel nicht berechtigt (1427 BlgNR 22. GP 6). Im Sinne einer Straffung des Zwangsstrafenverfahrens und Erhöhung von dessen Effizienz, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtung Österreichs zur Umsetzung der Vorgaben der Publizitätsrichtlinie zu gewährleisten, sind daher Einwendungen gegen Zwangsstrafen in der Regel nur mehr im Wege des Rekursverfahrens möglich. Die Annahme einer unbefristeten Rekursmöglichkeit wäre mit diesem Ziel des Gesetzgebers nicht vereinbar. Daher ist seit Einführung des § 283 Abs 4 UGB durch das PuG davon auszugehen, dass die Abänderung oder Aufhebung eines Zwangsstrafenbeschlusses nach Ablauf der Rekursfrist die materiellrechtliche Stellung der Republik Österreich (vgl RIS-Justiz RS0007180; Klicka/Oberhammer/Domej, Außerstreitverfahren4 [2006] Rz 175; Klicka in Rechberger, AußStrG [2006] § 46 Rz 4; Nunner-Krautgasser, Zur Berücksichtigung verspäteter Rekurse im Außerstreitverfahren, Zak 2009, 73) beeinträchtigen würde. Somit liegt in der Aufhebung oder Abänderung eines Zwangsstrafenbeschlusses ein „Nachteil" iSd § 46 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG für die Republik Österreich, der der Berücksichtigung verspäteter Rekurse entgegensteht.

2. Die Verlassenschaft bestreitet im Revisionsrekursverfahren zutreffend nicht, dass ihr Rekurs verspätet war. Auf die behauptete Ressortverteilung, die nur im Innenverhältnis wirkt, kommt es hingegen nicht an (6 Ob 252/09s). Die Verlassenschaft behauptet auch nicht, dass die Zustellung des Zwangsstrafenbeschlusses aufgrund einer Geschäftsunfähigkeit des ehemaligen Geschäftsführers unwirksam gewesen wäre; dass dieser aufgrund eines bestehenden Burn-out-Syndroms seine Agenden als Geschäftsführer möglicherweise nicht mehr ordnungsgemäß wahrnahm, ist unerheblich.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte