OGH 6Ob113/09z

OGH6Ob113/09z14.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der W*****ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH in Gänserndorf, wegen 15.248,40 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2009, GZ 2 R 172/08s-45, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 2. Juli 2008, GZ 4 Cg 164/06t-41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR (davon 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der zu beurteilende Sachverhalt liegt im zeitlichen Anwendungsbereich der §§ 377, 381 Abs 2 HGB (§ 906 Abs 14 UGB). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist der im September 2006 geschlossene Vertrag über die Anfertigung von Decken- und Wandkassetten nach von der Beklagten vorgegebenen Maßen und aus von dieser beigestellten Blechen kein Werklieferungsvertrag iSd § 381 Abs 2 HGB, der die Rüge- und Untersuchungsobliegenheit des § 377 Abs 1 HGB auslösen konnte, weil die Klägerin (Werkunternehmerin) die Bleche, aus denen die Sache herzustellen war, eben nicht zu beschaffen hatte. Dass § 381 Abs 2 HGB anwendbar bleibt, wenn die herzustellende Sache an sich beweglich, aber zum festen Einbau bestimmt ist (1 Ob 142/01s mwN; RIS-Justiz RS0113879), setzt voraus, dass der Stoff vom Werkunternehmer beschafft und nicht vom Besteller beigestellt wird (vgl 8 Ob 97/00y SZ 73/109). Auf einen reinen Werkvertrag - wie er im Anlassfall vorliegt (§ 1166 ABGB; Kramer in Straube, HGB³ § 381 Rz 7 mwN; M. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1166 Rz 2), ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs § 377 HGB im Weg des § 381 Abs 2 HGB auch nicht analog anzuwenden (jüngst 3 Ob 142/08s mwN; 1 Ob 142/01s mwN; RIS-Justiz RS0021704).

Der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs hat bereits ausgesprochen (1 Ob 214/05k), dass § 928 ABGB auf Werkverträge im Allgemeinen nicht anwendbar ist (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 82; Welser/B. Jud, Gewährleistung § 928 Rz 5; Kurschel, Gewährleistung 120 f; B. Madl in RdW 1985, 362; Binder in Schwimann, ABGB³ § 928 Rz 6; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 928 Rz 2; P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 928 Rz 2). Ist das Werk erst in der Zukunft herzustellen, können künftige, in die Augen fallende Mängel bei der Vertragsgestaltung noch nicht berücksichtigt werden, sodass der Zweck des Gewährleistungsausschlusses für offenkundige Mängel nicht greift. Zudem käme man für das Zivilrecht zur Bejahung einer Rügeobliegenheit, die früher nur beim beiderseitigen Handelskauf (§ 377 HGB) normiert war und derzeit nur beim beiderseitigen unternehmensbezogenen Kauf (§ 377 UGB) normiert ist. Diese Rechtsauffassung teilt auch der erkennende Senat. Die Anwendbarkeit des § 928 ABGB auch für Werkverträge (bejahend 7 Ob 41/66 JBl 1966, 315; 6 Ob 261/87 wbl 1987, 312; 5 Ob 552, 553/81) muss im Anlassfall aber nicht näher untersucht werden: Die Revisionswerberin hat im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht, die Mängel des Werks wären „in die Augen fallend" gewesen, sondern den Standpunkt eingenommen, die Arbeiten nicht mangelhaft durchgeführt und die Bleche ordnungsgemäß bearbeitet zu haben.

Soweit die Revisionswerberin die Auffassung vertritt, es läge nach den Feststellungen des Erstgerichts ein schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung der festgestellten Mängel vor, ist sie auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen: Bei der Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist besondere Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen. Das Verhalten des (allenfalls) Verzichtenden muss bei Überlegung aller Umstände des Falls unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche den eindeutigen, zweifelsfreien und zwingenden Schluss zulassen, er habe ernstlich verzichten wollen (1 Ob 15/08z; 7 Ob 645/85). Wenn das Berufungsgericht aufgrund der festgestellten Bekanntgabe drei Tage nach Montagebeginn an die Klägerin, dass die Deckenelemente aufgrund der Maßungenauigkeiten nicht gut zu verlegen seien, in Hinkunft mit mehr Genauigkeit gearbeitet und die Elemente möglichst genau die Maße einhalten und möglichst die 1 mm-Abweichungen nicht überschreiten sollten, die erforderliche Eindeutigkeit, die § 863 ABGB voraussetzt, um einem Verhalten einen ganz bestimmten Erklärungswert zuzuordnen, verneinte, so ist ihm nicht entgegenzutreten.

Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung 6 Ob 623/87, der allerdings ein abweichender Sachverhalt zu Grunde lag, begegnet die Verneinung eines Verzichts durch das Berufungsgericht keinen Bedenken. Von „in die Augen fallenden" Mängeln kann regelmäßig nur dann gesprochen werden, wenn diese auch ohne nähere Überprüfung nicht zu übersehen sind, nicht aber wenn es einer zielgerichteten Untersuchung bzw einer Besichtigung im Detail bedarf, mag diese auch von einem Laien durchgeführt werden können (1 Ob 15/08z). Abgesehen davon, dass die Klägerin im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptete, die Mängel des Werks wären „in die Augen fallend" gewesen, kann nach den Feststellungen des Erstgerichts keine Rede davon sein, dass die Mängel ohne nähere Überprüfung nicht zu übersehen waren.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der unbestimmte Gesetzesbegriff der „Unzumutbarkeit" in § 933a Abs 2 Satz 3 ABGB noch nicht ausreichend durch höchstgerichtliche Rechtsprechung konkretisiert sei. Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Unzumutbarkeit, korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0044088 [T2]). Dies ist hier nicht der Fall. Gerade im Bereich des Werkvertrags wird der Übernehmer bei manifesten Schlechtleistungen häufig die als primärer Gewährleistungsbehelf vorgesehene Verbesserung mit dem Argument ablehnen können, sie sei ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen - nämlich wegen dessen erwiesener Unverlässlichkeit - unzumutbar (§ 932 Abs 4 letzter Satz, § 933a Abs 2 letzter Satz ABGB; M. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1167 Rz 5). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Tatsache, dass die Klägerin trotz Rüge der vertragswidrigen Maßungenauigkeiten ihre Arbeiten unverändert fortsetzte, sei ein in der Person des Übergebers gelegener triftiger Grund, der der Beklagten eine Verbesserung durch die Klägerin nicht zumutbar machte, bedarf keiner Korrektur.

Nicht stichhaltig ist die Auffassung der Revisionswerberin, es bestehe kein schadenersatzrechtlicher Anspruch auf Rückersatz des bezahlten Werklohns, weil bei mangelhafter Werkleistung grundsätzlich das Erfüllungsinteresse und nicht das negative Vertragsinteresse zustehe. Ausgehend davon, dass der Schuldner verpflichtet ist, vorhandene Mängel zu beseitigen, und daher rechtswidrig handelt, wenn er die Sache in mangelhaftem Zustand liefert, kann der Besteller wegen Mängeln des Werks auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist vom Unternehmer das Erfüllungsinteresse fordern. Der Besteller kann bei verschuldeten Mängeln das Erfüllungsinteresse in Geld entweder in Form des Ersatzes der Mängelbehebungskosten fordern, als Wertdifferenz zwischen dem Wert der Leistung mit und ohne Mangel, oder durch Rückerstattung des Werklohns (1 Ob 243/07b; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 90).

Zu der zweiten vom Berufungsgericht als iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich erachteten Rechtsfrage des Schicksals des Werklohnanspruchs in Fällen der schadenersatzrechtlichen Rückforderbarkeit des Werklohns wegen Unbrauchbarkeit des Werks, wenn der Werklohn noch nicht bezahlt wurde, führt die Revisionswerberin nichts aus. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob die Rechtsfrage, derentwegen die zweite Instanz die ordentliche Revision zuließ, nach § 502 Abs 1 ZPO erheblich gewesen wäre (RIS-Justiz RS0048272; 8 Ob 62/09i mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat die Unzulässigkeit der Revision inhaltlich geltend gemacht.

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