Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:
Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es habe die besondere Gefährung der beiden Kinder durch ihre Rückführung in die USA gerade deswegen angenommen, weil die Mutter (Antragsgegnerin) dort gänzlich von der Betreuung und dem Schutz der Kinder ausgeschlossen werden könnte, komme doch dem Vater (Antragsteller) in den USA allein die Obsorge zu; zu dieser Frage fehle jedoch Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Frage, ob das Kindeswohl im Sinn des Art 13 Abs 1 lit b des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) bei einer Rückgabe (Rückführung) eine von den jeweiligen Umständen abhängige Frage, die im Einzelfall zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0112662), der im Allgemeinen kein über das konkrete Verfahren hinausgehende Bedeutung zukommt (5 Ob 47/09m iFamZ 2009/216 [Fucik] = EF-Z 2009/130 = ZfRV-LS 2009/46 [Ofner]) und die daher einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof regelmäßig nur dann bedarf, wenn die Vorinstanzen bei ihren Entscheidungen in unvertretbarer Weise von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgewichen sind. Dies ist hier nicht der Fall:
2. Nach Art 13 Abs 1 lit b HKÜ ist die zuständige Behörde - ungeachtet der grundsätzlichen Verpflichtung zur sofortigen Rückgabe des Kindes (Art 12 Abs 1) - dann nicht verpflichtet, die Rückgabe (Rückführung) anzuordnen, wenn (unter anderem) die Person, die sich der Rückgabe (Rückführung) des Kindes widersetzt (hier also die Antragsgegnerin), nachweist, dass die Rückgabe (Rückführung) mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Das maßgebliche Kriterium ist also das Kindeswohl (vgl etwa 9 Ob 23/03b ZfRV-LS 2003/64; 5 Ob 47/09m).
Der Oberste Gerichtshof hat dabei zum Einen bereits mehrfach ausgesprochen, dass das konkrete Kindeswohl den Vorrang vor dem vom HKÜ angestrebten Ziel, Kindesentführungen ganz allgemein zu unterbinden, hat (9 Ob 102/03w ZfRV-LS 2004/21; 5 Ob 76/06x FamZ 2006/69); es dürfe nicht aus generalpräventiven Gründen zum Schutz des - abstrakten - Kindeswohls, nur um den Eindruck zu verhindern, Kindesentführungen würden sich doch lohnen, die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für ein Kind herbeigeführt werden (4 Ob 2288/96s ZfRV 1997/7).
Zum Anderen hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls mehrfach betont, dass dem HKÜ der Gedanke zugrunde liegt, die Rückgabe (Rückführung) diene dem Kindeswohl, weil das Kind das wirkliche Opfer der Entführung ist und Kindesentführungen durch das HKÜ eben verhindert werden sollen (9 Ob 23/03b; 5 Ob 17/08y EF-Z 2008/93 [Nademleinsky] = iFamZ 2008/110 [Fucik] = ZfRV-LS 2008/52 [Ofner]; 5 Ob 47/09m).
In seiner jüngsten Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof schließlich klar gestellt, dass das HKÜ die Rückstellung (Rückführung) des Kindes in das Ursprungsland und nicht in die Obhut des zurückgebliebenen Elternteils verlangt und daher eher selten die befürchtete Gefährdung des Kindes im Sinn des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ eintreten kann (5 Ob 47/09m; 2 Ob 103/09z iFamZ 2009/253 [Fucik] = Zak 2009/574 [Fucik]). Die Zielsetzung des HKÜ sei es, dass Elternteile von einem widerrechtlichen Verbringen abzuhalten sind und die Sorgerechtsentscheidung am früheren gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes sicherzustellen ist; deshalb sei eine restriktive und enge Auslegung des Art 13 HKÜ geboten; das HKÜ gehe davon aus, dass die Rückgabe dem Kindeswohl am ehesten entspricht; eine zu weite Auslegung des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ würde den Zielen des HKÜ entgegenstehen, zu einer Entscheidung über das Sorgerecht führen und dem entführenden Elternteil unberechtigte Vorteile aus dessen Rechtsbruch verschaffen; der Ausnahmetatbestand des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ sei daher eng auszulegen und deshalb auf wirklich schwere Gefahren zu beschränken (2 Ob 103/09z EvBl 2009/155 [Spitzer]).
3.1. Die Auffassung des Rekursgerichts, den Rückführungsantrag des Vaters abzuweisen, erscheint auch vor dem Hintergrund dieser jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof angesichts des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts nicht korrekturbedürftig. Die Entscheidungen 5 Ob 47/09m und 2 Ob 103/09z, die die Rückführung der betroffenen Kinder in deren jeweilige Ursprungsländer anordneten, können nämlich nicht dahin verstanden werden, dass das HKÜ eine Rückführung des Kindes zwar nicht in den Obhutsbereich des zurückgebliebenen Elternteils, jedenfalls aber in den Pflegschaftsgerichtsbereich des Ursprungstaats anordnet, wäre doch sonst Art 13 Abs 1 lit b HKÜ inhaltsleer (vgl insbesondere 2 Ob 103/09z [„deshalb auf wirklich schwere Gefahren zu beschränken"]; in diesem Sinn jüngst auch 1 Ob 163/09s).
3.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen zeigen beide Kinder (geboren 2001 und 2003) psychische Belastungsfaktoren, die zwar auch die Trennung und den Verlust ihres bisherigen Weltbildes beinhalten; es gibt aber immer noch Hinweise auf abnorme Erlebnisse, die durch Gewaltausbrüche des Vaters und mit hohem Maß an Wahrscheinlichkeit auch durch sexuelle Belästigungen verursacht wurden. Die Ursachen der sexuellen Auffälligkeiten bei den Kindern sind mit höchstem Maß an Wahrscheinlichkeit Handlungen, die mit den (Halb-)Geschwistern in den USA experimentiert wurden, vielleicht auch durch Ansehen pornografischer Darstellungen. Der Vater zeigte ein freizügiges Verhalten; es kam zumindest zu „albernen sexuellen Spielereien". Das 2003 geborene Mädchen wurde im November 2008 im Kindergarten in Österreich durch sexualisiertes Verhalten gegenüber Buben auffällig; so zog es etwa einem Buben die Hose aus und griff sein Geschlechtsteil an, ein anderes Mal nahm es das Geschlechtsteil eines kleineren Buben in den Mund.
Dem Vater wurde bereits der Führerschein wegen Fahrens in betrunkenem Zustand entzogen, er unterliegt der Weisung, „äußerst intensiv an einer Entwöhnung mitzuwirken" und regelmäßig Alkoholtests zu machen. Trotz Führerscheinentzugs lenkte er wiederholt ein Fahrzeug und nahm dabei auch die Kinder und deren Mutter mit. Im Jahr 2008 musste er sich aufgrund neuerlichen Fahrens in alkoholisiertem Zustand einer 10tägigen stationären Alkoholtherapie unterziehen. Vor mehreren Jahren konsumierte er - gemeinsam mit der Mutter der Kinder - Drogen. Er ist zwar nicht wegen häuslicher Gewalt vorbestraft; 1996 wurde er jedoch wegen gewaltsamer Drohung und Tragens einer versteckten Waffe verurteilt, im Jahr 2004 wegen Ruhestörung. Der Vater besitzt keine Waffen mehr, er hat auch weder die Mutter noch die Kinder geschlagen. Sonstige Gewalttätigkeiten oder demütigende Verhaltensweisen (mit Ausnahme der erwähnten Gewaltausbrüche und sexuellen Belästigungen) gegenüber den Kindern konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.
Eine Rückführung der Kinder in die Obhut des Vaters allein würde ihre psychische und psychosexuelle Gesundheit gefährden, was nur dann nicht der Fall wäre, würde die Mutter mit den Kindern in den Haushalt des Vaters zurückkehren. Eine solche Rückkehr der Kinder, die folgende Trennung der Mutter vom Vater, der Aufbau einer eigenen Existenz, eine Scheidung und eine „gemeinsame" Obsorge der Eltern mit üblichen regelmäßigen Besuchen der Kinder beim Vater wäre für beide Kinder zumutbar. Eine Trennung der Kinder von der Mutter durch Fremdunterbringung oder durch eine Haft der Mutter würde jedoch die schon labile Verfassung der Kinder enorm schädigen und ihnen einen dauernden Schaden zufügen. Die Mutter würde zwar im Fall einer Rückführungsanordnung die Kinder in die USA begleiten, der Vater hat ihr auch angeboten, vorübergehend bei ihm im Haus wohnen zu können, und die Gefahr einer Verhaftung der Mutter in den USA dürfte nicht bestehen. Die Mutter lehnt jedoch ein Zusammenleben im Haus des Vaters ab; im Übrigen wurde dem Vater am 12. 2. 2008 vom zuständigen Bezirksgericht in den USA die alleinige Obsorge rechtskräftig zugesprochen.
3.3. Da somit eine Rückführung der Kinder in die Obhut des Vaters allein ihre psychische und psychosexuelle Gesundheit gefährden und eine Trennung der Kinder von der Mutter die schon labile Verfassung der Kinder enorm schädigen und ihnen einen dauernden Schaden zufügen würde, eine derartige tatsächliche Entwicklung aufgrund der dem Vater in den USA zwischenzeitig allein zugesprochenen Obsorge (insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt auch von jenen der Entscheidungen 5 Ob 47/09m und 2 Ob 103/09z) jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, ja eher sogar zu befürchten ist, begegnet die vom Rekursgericht ausgesprochene Ablehnung einer Rückführung der Kinder in die USA keinen Bedenken. In diesem Sinn hat auch der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs erst jüngst angesichts „einer im Raum stehenden Traumatisierung des Kindes bei einem allfälligen Rückfall des Vaters in alte Verhaltensmuster" entschieden (1 Ob 163/09s).
4. Die Kostenentscheidung gründet auf Art 26 Abs 4 HKÜ. Die Mutter hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung zwar auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, die genannte Bestimmung sieht jedoch Kostenersatz lediglich im Fall einer Rückgabeanordnung, und zwar nach Billigkeit, vor. Dieses Ergebnis (fehlende Kostenersatzpflicht im Verfahren über die Rückführung entführter Kinder nach dem HKÜ) entspricht im Übrigen auch den Intentionen des Gesetzgebers (vgl die Materialien zu § 111a AußStrG idF FamRÄG 2009, das mit 1. 1. 2010 in Kraft treten wird).
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