OGH 7Ob227/09x

OGH7Ob227/09x16.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. D***** T*****, geboren am *****, 2. A***** T*****, geboren am *****, und 3. N***** T***** geboren am *****, alle vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, 3400 Klosterneuburg, Leopoldstraße 21, Vater C***** T*****, Mutter B***** T*****, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 19. Juni 2008, GZ 20 R 58/08g-U-48, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 13. März 2008, GZ 1 P 80/03z-U-44, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Minderjährigen befinden sich in Pflege und Erziehung des Vaters. Er leistet Naturalunterhalt. Die Mutter wurde mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 27. 6. 2006 hinsichtlich der Minderjährigen D***** und A***** für die Zeit vom 1. 3. 2003 bis 31. 12. 2004 zu einem monatlichen Unterhalt von je 100 EUR und ab 1. 1. 2005 zu einem solchen von je 50 EUR, hinsichtlich der Minderjährigen N***** für die Zeit vom 1. 3. 2003 bis 31. 12. 2004 zu einem monatlichen Unterhalt von 100 EUR und ab dem 1. 1. 2005 zu einem solchen von 40 EUR verpflichtet.

Die Mutter ist für drei weitere Kinder sorgepflichtig, die in ihrem Haushalt leben und für die sie Naturalunterhalt leistet. M***** T***** wurde am *****, die Zwillinge J***** und J***** T***** wurden am ***** geboren. Das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen der Mutter betrug vom 27. 12. 2004 bis 1. 2. 2007 rund 436 EUR, vom 27. 10. 2006 bis 27. 4. 2007 monatlich rund 785 EUR. Seit 28. 4. 2007 bezieht sie monatlich rund 654 EUR an Kinderbetreuungsgeld im Hinblick auf die Pflege der Zwillinge.

Die Mutter stellt nun unter Hinweis auf die Geburt der Zwillinge den Antrag, sie ab 1. 2. 2007 von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den drei Minderjährigen aus erster Ehe zu entheben. Seit Inkrafttreten des § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76, nach dem das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des beziehenden Elternteils zu gelten habe, sei sie einkommenslos und könne daher den Minderjährigen aus diesem Grund keinen Unterhalt leisten. Wegen ihrer Einkommenslage sei sie überhaupt nicht unterhaltspflichtig.

Der Vater sprach sich gegen den Antrag aus.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Gemäß § 140 Abs 1 ABGB sei die Mutter nach ihren Kräften verpflichtet, anteilig zur Deckung des Lebensunterhalts ihrer Kinder beizutragen. Sie habe als nicht betreuender Elternteil Geldunterhalt zu leisten. Das Kinderbetreuungsgeld sei als Einkommen zu qualifizieren. Im Hinblick darauf, dass bei der letzten beschlussmäßigen Bestimmung der Unterhaltsbeträge die Prozentkomponenten nicht zur Gänze ausgeschöpft worden seien und sich das Einkommen der Mutter (Kinderbetreuungsgeld) erhöht habe, seien die bisher festgesetzten Unterhaltsbeträge nach wie vor angemessen.

Das Rekursgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung. § 42 KBGG sei keine Regelung für die Unterhaltsverpflichtung eines Elternteils zu entnehmen. Die Bestimmung beziehe sich nur auf dessen eigenen Unterhaltsanspruch. Auch aus den Materialien ergebe sich kein Hinweis darauf, dass das Kinderbetreuungsgeld entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht als Einkommen des Unterhaltspflichtigen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage gelten solle. Die Novelle des § 42 KBGG wirke sich daher auf die Beurteilung der Unterhaltsbemessungsgrundlage für Unterhaltspflichten nicht aus.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob das Kinderbetreuungsgeld im Hinblick auf § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für Unterhaltspflichten einzubeziehen sei oder nicht, oberstgerichtliche Judikatur fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit einem Abänderungsantrag. Sie stützt sich darauf, dass nach dem Wortlaut des § 42 KBGG das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des beziehenden Elternteils gelte. Ihre Unterhaltsverpflichtung sei daher aufgrund der Gesetzesänderung, aber auch schon davor für den Zeitraum ab dem 1. 2. 2007 zu verneinen.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 gelten das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche. Gegen diese Bestimmung hatte der erkennende Senat verfassungsrechtliche Bedenken, weil sie seiner Ansicht nach dazu führe, dass das Kinderbetreuungsgeld nicht mehr in die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der Unterhaltspflicht des beziehenden Elternteils gegenüber seinen anderen Kindern einzubeziehen sei und damit die Kinder eines Elternteils ungleich behandelt würden (7 Ob 223/08g).

Der Verfassungsgerichtshof wies mit seinem Erkenntnis vom 28. 9. 2009, G 9/09-12 und G 42/09-8, den Antrag des erkennenden Senats, in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" aufzuheben, ab. Der Verfassungsgerichtshof führte aus, dass es dahingestellt sein könne, ob § 42 KBGG nur Unterhaltsansprüche betreffe oder auch eine Aussage zur Unterhaltsbemessungsgrundlage des Inhalts treffe, dass das Kinderbetreuungsgeld beim beziehenden Elternteil aus der Bemessungsgrundlage für Unterhaltsverpflichtungen auszuscheiden sei. Auch wenn man § 42 KBGG im zuletzt genannten Sinn interpretiere, bestünden dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sei aber keine von zwei Interpretationen mit Verfassungswidrigkeit behaftet, dann sei es Sache des Zivilgerichts zu entscheiden, welcher Inhalt der Vorschrift beizulegen sei.

Im Hinblick auf diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kann § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausgelegt werden, dass auch öffentlich-rechtliche Leistungen, so auch das ein Einkommen des Elternteils ersetzende Kinderbetreuungsgeld, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind (RIS-Justiz RS0047456). Die Unterhaltsansprüche von Kindern sind grundsätzlich gleichrangig (RIS-Justiz RS0047387). Wenn ein Elternteil im Hinblick auf Betreuungsleistungen für sein neugeborenes Kind Kinderbetreuungsgeld bezieht, so ersetzt dies sein Einkommen, mit dem er seinen Unterhaltspflichten anderen Kindern gegenüber nachkommen muss. Dies entspricht auch den zwischenzeitig zum UVG ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 10 Ob 112/08f, 10 Ob 8/09p und 10 Ob 7/09s.

Der Revisionsrekurs lässt offen, aus welchen Gründen die Unterhaltsansprüche bei Berücksichtigung des Kinderbetreuungsgelds als Einkommen der Mutter überhöht sein sollen. Dies ist nicht erkennbar. Dem Revisionsrekurs kann daher kein Erfolg beschieden sein.

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