Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.
Text
Begründung
Der Vater des Minderjährigen wurde mit einstweiliger Verfügung vom 15. 12. 2008 gemäß § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts in der Höhe von monatlich 105,40 EUR ab 12. 12. 2008 verpflichtet (ON U-2). Im Hinblick auf diesen Unterhaltstitel gewährte das Erstgericht dem Minderjährigen auf dessen Antrag mit Beschluss vom 29. 4. 2009 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 105,40 EUR für die Zeit vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2011 (ON U-17).
Bereits mit Beschluss vom 15. 4. 2009 hatte das Erstgericht den vom Vater ab 23. 10. 2008 zu leistenden monatlichen Unterhalt mit 130 EUR festgesetzt und ausgesprochen, dass die einstweilige Verfügung vom 15. 12. 2008 mit Rechtskraft dieser Entscheidung als aufgehoben gelte (ON U-14). Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft. Mit weiterem Beschluss vom 20. 5. 2009 (ON U-18) erhöhte das Erstgericht gemäß § 19 Abs 2 UVG von Amts wegen die monatlichen Unterhaltsvorschüsse von 105,40 EUR auf 130 EUR ab 1. 1. 2009. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, nicht Folge (ON U-30). Die überwiegende höchstgerichtliche Judikatur, von der das Rekursgericht bewusst abweiche, lehne es in formalistischer Sichtweise ab, die aufgrund eines vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO gewährten Vorschüsse gemäß § 19 Abs 2 UVG auf die „endgültige" Titelhöhe zu erhöhen. Der Gesetzgeber des FamRÄG 2009 habe sich daher zu einer Klarstellung genötigt gesehen, dass eine einstweilige Verfügung gemäß § 382a EO eine taugliche Grundlage für eine rückwirkende Erhöhung der Vorschüsse nach § 19 UVG bilde.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht, das den Entscheidungen 3 Ob 347/00i und 4 Ob 155/07h gefolgt sei, von der überwiegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur entscheidenden Frage abgewichen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben. Das Kind, die Mutter und der Vater haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf eine erhebliche, vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende rechtliche Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zulässig. Er ist auch berechtigt.
Der Bund verweist in seinem Rechtsmittel auf die überwiegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die einen vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO durch einen „endgültigen" Unterhalt ersetzende Entscheidung nicht als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 19 Abs 2 UVG anzusehen sei, weil der vorläufige Unterhalt aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO keinen Vorgriff auf den erst festzusetzenden Unterhalt darstelle. Auch die vom Rekursgericht zitierten Gesetzesmaterialien zum FamRÄG 2009 rechtfertigten kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung, da die geänderte Rechtslage gemäß § 37 Abs 10 erst mit 1. 1. 2010 in Kraft trete.
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Es entspricht herrschender Meinung und Judikatur, dass die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO gewährten Vorschüsse nicht rückwirkend auf die Höhe des endgültigen Titels erhöht werden können (RIS-Justiz RS0122465; zuletzt ausführlich 10 Ob 52/09h mit ausdrücklicher Ablehnung der abweichenden Entscheidung 4 Ob 155/07h, die auf eine Gleichbehandlung von einstweiligen Verfügungen und endgültigen Unterhaltstiteln abzielt). Die Ansicht des Rekursgerichts, der Gesetzgeber habe mit der Einführung des neuen § 19 Abs 3 UVG mit dem Familienrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 2009/75, nur die schon geltende Rechtslage klarstellen wollen, ist wenig zielführend, lässt sie doch die Bestimmung des § 37 Abs 10 UVG außer Betracht, wonach die Neuregelung erst auf Verfahren anzuwenden ist, in denen der Antrag auf Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach dem 31. 12. 2009 bei Gericht eingelangt ist. Eine Übergangsbestimmung dieser Art wäre bei einer bloßen Klarstellung der Gesetzeslage nicht erforderlich (ausführlich 10 Ob 52/09h). Im Übrigen ist der mit dem FamRÄG 2009 eingeführte § 19 Abs 3 UVG vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels zu sehen, die Vorschussgewährung auf einen früheren Zeitpunkt als nach der aktuellen Rechtslage vorzuziehen, und zwar gegebenenfalls durch Ermöglichung einer Nachzahlung der Differenz zwischen dem vorläufigen und dem „endgültig" festgesetzten Unterhalt, um den „Ausfall" von Unterhaltsleistungen ex post auszugleichen (673/A BlgNR 24. GP 39 und 44). Um das Ziel einer solchen „frühen" Bevorschussung des Geldunterhalts zu erreichen, nimmt der Gesetzgeber in Zukunft bewusst eine Begünstigung von Vorschüssen in Kauf, die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO in verhältnismäßig einfacher Weise erlangt und erhöht werden können.
Ausgehend von der dargelegten, derzeit noch geltenden Gesetzeslage sind in Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)