Spruch:
I. Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
II. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Zuspruch von 3.840 EUR sA und in der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens rechtskräftig sind, werden dahin abgeändert, dass das Teilurteil insgesamt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters 3.840 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 4. 2006 zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 3.853,39 EUR samt 4 % Zinsen seit 26. 8. 2005 sowie 4 % Zinsen aus 3.840 EUR vom 26. 8. 2005 bis 14. 4. 2006 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten."
III. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.
IV. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die (am 25. 1. 1943 geborene) Klägerin suchte im Herbst 2004 einen plastischen Chirurgen auf. Sie wünschte ein Facelifting sowie eine Straffung des Doppelkinns. Ihr ausdrücklicher Wunsch war, ein möglichst natürliches Ergebnis zu erzielen. Der plastische Chirurg vereinbarte nach einem Aufklärungsgespräch die Durchführung der Operation in einem Landeskrankenhaus und einen Operationstermin für den 17. 11. 2004. An diesem Tag nahm er die kosmetische Operation nach einem neuerlichen Aufklärungsgespräch, das nicht er, sondern eine Ärztin des Landeskrankenhauses am 16. 11. 2004 geführt hatte, vor. Die Klägerin war unter anderem über die Möglichkeit von stärkeren Blutungen, Nachblutungen, Blutergüssen und bleibendem Taubheitsgefühl aufgeklärt worden. Die Operation an sich wurde lege artis durchgeführt und entsprach der getroffenen Vereinbarung. Es konnte eine Straffung des Doppelkinns erzielt werden. Dabei wurde eine Platysma-Raffung durchgeführt, die eine ädaquate Behandlung der Halsregion darstellt. Im Vergleich zum vorherigen Zustand konnte eine Verbesserung erreicht werden. Das Ergebnis war möglichst natürlich. Auch im Halsbereich war eine ausreichende Straffung erzielbar. Nicht lege artis war die Behandlung nur insofern, als eine unmittelbar notwendige Nachbehandlung, nämlich die unverzügliche Ausräumung eines im Zuge der Operation aufgetretenen Hämatoms unterblieben ist. Dadurch bildete sich bei der Klägerin ein großes, ausgedehntes Hämatom, das Schmerzen, Rastlosigkeit und Spannungsgefühle um den Nacken herum erzeugte, in diesem Bereich das Gewebe und die Haut besonders überdehnte und im Vergleich zur Gegenseite eine stärkere Faltenbildung induzierte. Diese verstärkte Faltenbildung hat sich bis etwa Sommer 2005 zurückgebildet. Eine neuerliche Operation wird nicht notwendig sein. Weitere Schmerzen werden nicht entstehen. Eine mit der im Bereich des rechten Kieferwinkels aufgetretenen Sensibilitätsstörungen verbundene funktionelle Beeinträchtigung besteht nicht. Zusätzliche Schmerzen sind dadurch auch nicht entstanden; sie sind auch in Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten. Für die - nach dem Facelift medizinisch indizierten - Lymphdrainagen bezahlte die Klägerin umgerechnet 840 EUR.
Die Klägerin begehrte zuletzt 3.000 EUR Schmerzengeld, 3.853,39 EUR Operationskosten, 840 EUR für Kosten der Lymphdrainagen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Soweit für das Revisionsverfahren insbesondere relevant, berief sie sich auf eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Die versprochene Straffung des Doppelkinns sei nicht erreicht worden. Der plastische Chirurg habe es unterlassen, die Klägerin in einem detaillierten Gespräch über die Grenzen der Machbarkeit, insbesondere die Straffbarkeit des Halses aufzuklären.
Die Beklagte behauptete eine lege artis durchgeführte Behandlung und eine ausreichende Aufklärung, insbesondere über die die hier verwirklichte Gefahr der Bildung eines Hämatoms, für dessen Beseitigung ziel- und zeitgerecht gesorgt worden sei.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens zur Gänze statt und wies das Feststellungsbegehren ab. Zusätzlich zu den eingangs wiedergegebenen, zusammengefassten Feststellungen stellte es noch Folgendes fest: Eine im Bereich des rechten Kieferwinkels aufgetretene Sensibilitätsstörung ist die Folge einer intraoperativen Verletzung der oberflächlichen Hautnerven. Das ist eine typische Komplikation, die bei einem Facelift auftreten kann. Es handelt sich nicht um eine Fehlbehandlung. Der Klägerin seien jene Schmerzen abzugelten, die durch die fehlerhafte Nachbehandlung des aufgetretenen Hämatoms entstanden seien. Berechtigt sei auch ihr Anspruch auf Erstattung des Operationshonorars und der Kosten für die Lymphdrainage. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt, weil Folge- oder Dauerschäden ausgeschlossen seien.
Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte in seinem Teilurteil den Zuspruch von 3.840 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 4. 2006 und wies das Mehrbegehren von 4 % Zinsen aus 7.613,39 EUR vom 26. 8. 2005 bis 14. 4. 2006 ab. Im Zuspruch von 3.853,39 EUR sA (Operationshonorar) sowie hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und im Kostenpunkt hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Bei einer kosmetischen Operation sei ohne jeden Zweifel die ausdrückliche Aufklärung erforderlich, dass das bestimmte Ziel der optischen Verbesserung aus vom Arzt nicht beeinflussbaren physiologischen und psychologischen Gründen ganz oder teilweise nicht erreicht werden könnte. Damit müsse geprüft werden, ob der behandelnde Arzt die Klägerin darüber aufgeklärt hat, dass sie aus subjektiven Gründen mit dem Operationsergebnis nicht zufrieden sein könnte. Was das Feststellungsbegehren betreffe, müsse ein Widerspruch zwischen den beiden Sachverständigengutachten zu der Frage aufgeklärt werden, ob die Sensibilitätsstörung auf ein typisches Operationsrisiko oder auf den Druck des Hämatoms auf das umliegende Gewebe zurückzuführen und Folge der fehlerhaften Nachbehandlung sei. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die Wahrscheinlichkeit von Spätfolgen beseitigten nach der höchstgerichtlichen Judikatur nicht das Feststellungsinteresse.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Aufhebungsbeschluss gerichtete Rekurs der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.
1.) Verletzung der Aufklärungspflicht - Rückerstattung der Operationskosten von 3.853,39 EUR:
Judikatur und Lehre stellen bei reinen kosmetischen Eingriffen ohne medizinische Indikation („Schönheitsoperationen") besonders strenge Anforderungen an die ärztliche Aufklärungspflicht (Juen, Arzthaftungsrecht2, 102 mwN [FN 449]; Stellamor/Steiner, Handbuch des österreichischen Arztrechts I 123; vgl Giesen, Arzthaftungsrecht4 Rz 282; Gaisbauer, Die ärztliche Aufklärungspflicht bei kosmetischen Eingriffen, ÖJZ 1993, 25; 6 Ob 558/91 = JBl 1992, 520 [Apathy]; 6 Ob 122/07w; vgl RIS-Justiz RS0026313; vgl RS0026375). In den beiden bereits zitierten Entscheidungen 6 Ob 558/91 und 6 Ob 122/07w forderte der Oberste Gerichtshof bei kosmetischen Operationen, die nur ein ganz bestimmtes Ziel der optischen Verbesserung des Aussehens hätten, eine ausdrückliche Aufklärung, das dieses Ziel aus vom Arzt nicht beeinflussbaren physiologischen oder psychologischen Gründen ganz oder teilweise nicht erreicht werden könnte.
Mit diesem Grundsatz rechtfertigt die Klägerin auch hier eine Verletzung der Aufklärungspflicht, indem sie eine ausdrückliche Aufklärung über eine mögliche subjektive Unzufriedenheit mit dem Operationsergebnis vermisst. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen kosmetische Operationen betrafen, in denen das erzielte Ergebnis dem in Aussicht gestellten Erfolg und der Erwartungshaltung der Patienten nicht entsprach.
In dem zu 6 Ob 558/91 entschiedenen Fall unterzog sich eine Patientin einer Operation zur Verkleinerung der Kinnpartie, deren Ausmaß auf einem Foto der Patientin mit einer strichlierten Linie festgehalten worden war. Durch die Operation wurden aber nur 50 % der auf dem Foto als möglich eingezeichneten Reduktion erreicht. Der behandelnde Arzt hat somit bei der Patientin eine ganz konkrete, nicht verwirklichte Vorstellung über das Operationsergebnis hervorgerufen, die Grundlage für den Abschluss des Behandlungsvertrags und die Einwilligung in die Operation war.
6 Ob 122/07w betraf eine Brustvergrößerung. Nach der lege artis durchgeführten Operation trat eine sichtbare Kontur des Implantats an der Innenseite der rechten Brust auf. In der Folge kam es zu einer Rotation des Implantats der linken Brust. Mit der Zeit wurde eine unnatürliche Form der Brüste immer deutlicher; die linke Brust saß zuletzt etwa 1,5 cm höher als die rechte. Auch in diesem Fall wurde die Erwartungshaltung der Patientin (auch objektiv) enttäuscht.
Anders zu beurteilen ist die Situation im konkreten Fall: Nach den Feststellungen erreichte die Operation vereinbarungsgemäß eine Straffung des Doppelkinns und des Halsbereichs mit einem möglichst natürlichen Ergebnis, das die Klägerin ja ausdrücklich gewünscht hatte. Gerade dieser, durch die Operation auch verwirklichte Wunsch nach einem möglichst natürlichen Ergebnis spricht gegen eine vor der Operation bestandene, abweichende (unrealistische) Erwartungshaltung der damals 61-jährigen Patientin. Wird ein Arzt mit einer (in vielen Fällen realitätsfremden) Erwartungshaltung des Patienten konfrontiert oder ruft er eine bestimmte Vorstellung über das zukünftige Aussehen hervor, muss er offen und schonungslos darüber aufklären, dass die Zielvorstellungen des Patienten durch die kosmetische Operation nicht immer gänzlich verwirklicht werden können (vgl Juen aaO; Gaisbauer aaO). Die Behauptungen der Klägerin zur Unzufriedenheit mit dem Operationsergebnis beziehen sich hier aber auf den angeblich nicht erzielten, vereinbarten Erfolg der Straffung des Kinn- und Halsbereichs, weshalb sie die Operation als misslungen wertet. Diese Vorwürfe sind nach dem festgestellten Sachverhalt nicht gerechtfertigt. Das von der Klägerin deutlich bestimmte Ziel (Straffung mit natürlichem Ergebnis) wurde erreicht. Für die Annahme einer enttäuschten Erwartungshaltung der Patientin fehlt die sachverhaltsmäßige Grundlage. Die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung zum Thema „Aufklärung über mögliche subjektive Unzufriedenheit und fiktive Zustimmung der Patientin, ist daher nicht erforderlich, weil sich das Risiko einer (allfälligen) Verletzung der Aufklärungspflicht nicht verwirklicht hat (vgl 4 Ob 137/07m)
Was die (verwirklichten) Risken der Hämatombildung und der Sensibilitätsstörung betrifft, ist nach dem festgestellten Sachverhalt von einer ausreichenden Aufklärung auszugehen. Die Argumente, welche die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung zu diesem Thema vorbringt, sind nicht überzeugend und vernachlässigen die getroffenen Feststellungen, insbesondere zur Information durch den Arzt, der letztlich die Operation durchgeführt hat. Der Zeitpunkt des ersten Informationsgesprächs ca 7 Monate vor der Operation steht entgegen der Auffassung der Klägerin einer wirksamen Aufklärung nicht entgegen, weil noch vor der Operation im Krankenhaus eine neuerliche Aufklärung - wenn auch nicht durch den Operateur selbst (vgl Giesen aaO Rz 290) - erfolgte, die die Grundlagen für die Einwilligung „auffrischte" (Juen aaO 132). Gerade bei nicht dringlichen Eingriffen muss die Aufklärung grundsätzlich so zeitgerecht erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung in Ruhe und ohne Druck treffen kann. Immer muss eine adäquate Überlegungsfrist eingeräumt werden, um die für und gegen die Operation sprechenden Argumente ausreichend abwägen und gegebenenfalls eine Beratung mit Angehörigen oder die Konsultation eines Vertrauensarztes durchführen zu können. Die (erste) Aufklärung des Patienten ist also grundsätzlich vorzunehmen, wenn der Arzt zum operativen Eingriff rät und einen festen Operationstermin vereinbart (Juen aaO 125 f mwN).
Der Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung der Operationskosten ist aus diesen Erwägungen nicht berechtigt. Die nicht einhellig beantwortete Frage, ob die Verletzung der Aufklärungspflicht den Behandlungsvertrag aufgrund der fehlerhaften Einwilligung des Patienten hinfällig macht und deshalb ein Anspruch des Patienten auf Rückforderung des ganzen oder anteiligen ärztlichen Honorars resultiert (6 Ob 558/91) oder eine Rückabwicklung ausschließlich nach den Regeln der Irrtumsanfechtung zu erfolgen hat (Apathy, JBl 1992, 522) stellt sich bei diesem Ergebnis nicht.
2.) Zum Feststellungsbegehren:
In diesem Punkt ist der Rekurs nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat zur Ursache der Sensibilitätsstörung einen Widerspruch zwischen zwei Sachverständigengutachten angenommen. Ist diese Störung nicht auf ein typisches Operationsrisiko, sondern auf den Druck des Hämatoms auf das umliegende Gewebe und damit den festgestellten Behandlungsfehler zurückzuführen, haftet die Beklagte aufgrund der nicht lege artis durchgeführten Nachbehandlung für allfällige zukünftige Folgen der Sensibilitätsstörung. Da aufgrund der vom Erstgericht gewählten Diktion Spätfolgen nicht mit der in der Medizin möglichen Sicherheit ausgeschlossen werden, ist der Geschädigten das Feststellungsinteresse nicht abzusprechen (RIS-Justiz RS0039018 [T4 und T26]). Der Einschätzung des Berufungsgerichts zur Widersprüchlichkeit der Sachverständigengutachten und zur Notwendigkeit der angeordneten Verfahrensergänzung kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.
Die Kostenentscheidung gründet sich jeweils auf § 52 ZPO.
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