OGH 5Ob226/09k

OGH5Ob226/09k10.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann‑Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. Helmut C*, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Robert Lirsch, Mag. Florian Masser und Mag. Ernst Wimmer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Elisabeth M*, vertreten durch Dr. Eva Maria Schulze, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Juni 2009, GZ 39 R 100/09h‑37, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:E92561

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

 

Die Beklagte macht in ihrer außerordentlichen Revision geltend, die Vorinstanzen hätten beim bejahten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG (unleidliches Verhalten) einen zu strengen Maßstab angelegt, weil nicht (ausreichend) berücksichtigt worden sei, dass der störende und lärmende Sohn der Beklagten, dessen Verhalten sich die Beklagte - nach der im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Ansicht der Vorinstanzen - zurechnen lassen muss, geistig behindert ist.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen macht die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage geltend:

1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt regelmäßig kein Verschulden des Mieters (hier genauer: des Störers) voraus (RIS‑Justiz RS0070243). Fehlende Vorwerfbarkeit des unleidlichen Verhaltens schließt daher die Annahme der Unzumutbarkeit nicht aus (RIS‑Justiz RS0020957 [T8]). Es kommt darauf an, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückzuführen ist (RIS‑Justiz RS0067733). Grundsätzlich ist daher auch Geisteskrankheit kein Freibrief für unleidliches Verhalten (RIS‑Justiz RS0020957 [T1]). Bei gewissen Verhaltensweisen muss aber der Umstand der Unzurechnungsfähigkeit zumindest in der Weise berücksichtigt werden, dass das Verhalten einer geisteskranken Person nicht unter allen Umständen ebenso unleidlich, also für die Mitbewohner unerträglich ist, wie ein gleichartiges Verhalten einer zurechnungsfähigen Person (RIS‑Justiz RS0020957). Dies ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass die Mitbewohner jedwedes Verhalten einer geistig behinderten Person in Kauf zu nehmen hätten, auch wenn dadurch ihre Lebensqualität in gravierender Weise beeinträchtigt wird. Vielmehr hat in solchen Fällen eine Interessenabwägung stattzufinden, bei der an das Verhalten der behinderten Person ein weniger strenger Maßstab anzulegen ist (7 Ob 113/00v mwN = MietSlg 52.393 = immolex 2000/177, 294; RIS‑Justiz RS0067733 [T4]).

2. Nach den vorliegenden Feststellungen lärmt der Sohn der Beklagten tagsüber und in der Nacht; sein dumpfes, lautes Klopfen ist in der Wohnung im nächsten Stock zu hören. Der Sohn der Beklagten lärmt zwar nicht täglich, aber mehrmals pro Woche und dieses Verhalten hält dann eine Stunde lang durchgehend an. Die polternden Geräusche sind für andere Hausbewohner störend wahrnehmbar und verhindern die Nachtruhe; es wird von 22.00 Uhr abends bis 03.00 Uhr oder 04.00 Uhr gelärmt und gepoltert. Dabei handelt es sich teilweise um klopfende Geräusche, teilweise schreit und schimpft der Sohn der Beklagten. Lautstarke und schimpfende Verhaltensweisen zeigt der Sohn der Beklagten auch vor deren Wohnung und im Stiegenhaus, wodurch er bei seiner großen und kräftigen Gestalt auf die Hausbewohner bedrohlich wirkt. Schließlich hat der Sohn der Beklagten auch schon mehrfach Glasscheiben in Fenstern und Türen eingeschlagen. Dieses Verhalten zeigt der Sohn der Beklagten verstärkt seit Sommer 2007 und es nimmt seither an Häufigkeit und Intensität zu.

Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG trotz der geistigen Behinderung des Sohnes der Beklagten bejahten, dann liegt darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende, gravierende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls; insbesondere stellt eine auch mehrmals pro Woche auftretende und länger andauernde Beeinträchtigung der Nachtruhe eine ganz empfindliche Belastung des Zusammenlebens dar.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042984; RS0067733 [T5]; RS0020957 [T4]) ist die Revision unzulässig und zurückzuweisen.

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