OGH 7Ob149/09a

OGH7Ob149/09a28.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian B*****, geboren am *****, vertreten durch die Mutter Margit B*****, beide *****, die Mutter vertreten durch Frimmel/Anetter Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 39.970,06 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. März 2009, GZ 4 R 193/08v-45, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. Juli 2008, GZ 11 Cg 102/06x-32, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.971,36 EUR (darin 328,56 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist eingeantworteter Alleinerbe nach seinem am 19. 6. 2003 verstorbenen Vater, der bei einem Absturz eines Segelflugzeugs gemeinsam mit Robert F***** ums Leben kam. Beide waren zum Unfallszeitpunkt Inhaber eines gültigen Segelflugscheins. Halter des Segelflugzeugs war die S*****. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer. Dem Haftpflichtversicherungsvertrag, der auch eine Fluggastunfallversicherung umfasste, liegt auch die Besondere Bedingung Nr 4672 „Schadenersatz gegenüber Fluggästen" zugrunde. Diese lautet auszugsweise:

„Der Versicherungsschutz bezieht sich im Sinn des Art 1 Punkt 2.2 ALHB im Rahmen der in dem Versicherungsvertrag hiefür vorgesehenen Versicherungssummen auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die Fluggästen an Bord des versicherten Luftfahrzeuges oder Luftfahrtgerätes oder beim Ein- und Aussteigen zugefügt werden (§ 154 Abs 1 LFG).

Nicht als Fluggäste gelten Besatzungsmitglieder und solche Personen, deren Tätigkeit mit der Verwendung des Luftfahrzeuges in ursächlichem Zusammenhang steht."

Beide Sitzplätze des Segelflugzeugs waren gleich ausgerüstet und hatten auch je einen Steuerknüppel, wobei die Steuerungseinheiten mechanisch miteinander verbunden waren.

Ob der Vater des Klägers geplant hatte, das Luftfahrzeug selbst zu lenken oder ob er beabsichtigte, nur mitzufliegen, ohne es selbst steuern zu wollen oder ob es während des Flugs zu einem einvernehmlichen Wechsel beim Steuern des Flugzeugs zwischen Robert F***** und dem Vater des Klägers gekommen war, kann nicht festgestellt werden.

Der Kläger begehrt Deckung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Begründung, dass sein Vater Fluggast gewesen sei.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Vater des Klägers habe den Flug im Rahmen des Segelflugsports gemeinsam mit Robert F***** durchgeführt. Er sei jedenfalls kein Fluggast im Sinn der Versicherungsbedingungen gewesen und habe das Flugzeug zumindest zum Unfallszeitpunkt selbst gesteuert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger sei nach den Feststellungen nicht als Fluggast anzusehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil und traf nach Beweiswiederholung die bereits oben wiedergegebene Negativfeststellung. Die im Luftfahrtgesetz enthaltene Definition eines Fluggasts sei aufgrund des unterschiedlichen Zwecks der entsprechenden Versicherungsbedingungen gegenüber den Haftungsvorschriften nach dem Luftfahrtgesetz hier nicht heranzuziehen. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ergebe sich aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Der Versicherungsnehmer trage die Beweislast für alle Umstände, die zur primären Risikoabgrenzung gehörten, die Beweislast für den Risikoausschluss treffe den Versicherer. Beim vorliegenden Fall handle es sich um eine Fluggastunfallversicherung, die das Unfallrisiko von vornherein auf einen bestimmten Personenkreis beschränke. Damit habe die Fluggasteigenschaft der Kläger als Rechtsnachfolger des Versicherten zu beweisen. Es komme darauf an, ob bei Flugbeginn geplant gewesen sei, dass der Vater des Klägers auch fliegen werde. Der Anscheinsbeweis sei ausgeschlossen, wo der Kausalablauf durch den individuellen Willensentschluss eines Menschen bestimmt werden könne. Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs, der auch andere Verursachungsmöglichkeiten offen lasse, gebe für den Beweis des ersten Anscheins keinen Raum. Bei der Frage, wer von den beiden Insassen geplant habe, das Flugzeug zu steuern, handle es sich nicht um einen Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehnisablauf. Es gebe keinen Raum für einen Anscheinsbeweis. Da nicht feststehe, ob der Vater des Klägers geplant oder nicht geplant habe, das Segelflugzeug auch zu steuern, schlage die non liquet-Situation zum Nachteil des Klägers aus. Im vorliegenden Fall sei nicht einmal ein Mindestmaß an Tatsachen hervorgekommen, die das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalls (Fluggasteigenschaft des Vaters des Klägers) begründen könnten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Beweislast für die Fluggasteigenschaft fehle.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Soweit die Revision die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts bekämpft, ist sie darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und die Beweiswürdigung daher im Revisionsverfahren nicht angefochten werden kann (RIS-Justiz RS0043371).

Eine Fluggast-Versicherung hat der Halter eines Luftfahrzeugs abzuschließen, um seine Fluggäste gegen Unfälle an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- und Aussteigen, wofür der Halter nach § 154 LFG haftet, zu versichern. Unentgeltliche Flüge im Rahmen des Flugsports sind davon nicht betroffen (§ 164 Abs 1 LFG). Dem Fluggast steht als Versichertem ein unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer zu, wobei unter anderem die §§ 74, 75 Abs 1, 78 und 79 VersVG anzuwenden sind (§ 164 Abs 4 LFG). Damit ist die Fluggast-Versicherung eine Versicherung auf fremde Rechnung (§ 75 Abs 1 VersVG). Die Beweislast des Versicherten entspricht der des Versicherungsnehmers. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls zu beweisen (RIS-Justiz RS0043438, RS0043563, RS0080003).

Aus der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung des BGH vom 16. 6. 1999, IV ZR 44/98 (NJW-RR 1999, 1473) kann nichts für ihn gewonnen werden. Ihr lag eine Unfallzusatzversicherung zugrunde. Im Risikoausschluss („in welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen?") wurde auf die Haftung bei einem Unfall als Fluggast Bezug genommen. Der BGH vertrat, der herrschenden Ansicht folgend, dass die Beweislast für einen Risikoausschluss den Versicherer trifft. Im vorliegenden Fall geht es um eine konkret nur für Fluggäste vorgesehene Fluggastunfallversicherung, die vom Halter des Flugzeugs abgeschlossen wird. Die Definition, wer als Fluggast zu gelten hat, dient der primären Risikoumschreibung. Es wird festgelegt, welche Personen von der Versicherungsdeckung umfasst sind. Die primäre Risikoumschreibung wurde zwar negativ formuliert („Nicht als Fluggast gelten"), dies macht sie aber im Gesamtzusammenhang nicht zu einem Risikoausschluss, weil dadurch erst präzisiert wird, wer überhaupt versichert sein soll. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind vom Begriff „Fluggast" nicht Personen umfasst, die mit dem Betrieb des Flugzeugs zu tun haben.

Versicherter der Fluggastunfallversicherung ist ein Fluggast. Nur dieser kann eine Versicherungsleistung fordern. Damit darf die verletzte oder getötete Person nach der in der Bedingung gegebenen Definition weder ein Besatzungsmitglied noch sonst mit der Verwendung des Luftfahrzeugs in ursächlichem Zusammenhang gestanden sein. Dafür, nämlich für den Eintritt des Versicherungsfalls, ist der Versicherte beweispflichtig.

Zwar stehen dem Versicherungsnehmer zum Nachweis des Versicherungsfalls nach herrschender Ansicht in der Schadensversicherung wegen oft großer Beweisschwierigkeiten gewisse Beweiserleichterungen zu. Es kann genügen, dass der Versicherungsnehmer ein Mindestmaß an Tatsachen beweist, die das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalls ergeben. Ein solcher Fall setzt aber voraus, dass der Kläger zumindest Indizien beweist, die das Vorliegen des Versicherungsfalls nahelegen (vgl 7 Ob 78/02z mwN; RIS-Justiz RS0102499). Ein derartiger Beweis ist dem Kläger nicht gelungen, da keine Indizien bewiesen werden konnten, dass der Vater des Klägers lediglich als Fluggast am Flug teilnahm, also weder mit der Absicht, das Segelflugzeug zu steuern noch auf andere Weise bei der Verwendung des Luftfahrzeugs mitzuwirken. Vielmehr saß der Vater des Klägers auf einem Platz, von dem aus er aufgrund der technischen Einrichtungen das Segelflugzeug jederzeit hätte steuern können, wozu er auch grundsätzlich befähigt war. Da der Kläger den Eintritt des Versicherungsfalls nicht beweisen konnte, geht die vom Berufungsgericht getroffene Negativfeststellung zu seinen Lasten. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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