OGH 2Ob132/09i

OGH2Ob132/09i15.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Thomas Bründl, Rechtsanwalt, 5204 Straßwalchen, Braunauer Straße 4, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der b*****, gegen die beklagte Partei E***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 21.860,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Mai 2009, GZ 4 R 37/09b-53, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. Dezember 2008, GZ 1 Cg 90/06m-47, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und es wird dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte hat im Auftrag der Gemeinschuldnerin auf Klagsseite für zwei Bauvorhaben Netzheizmatten für Saunaanlagen zur Verwendung in Solestollen geliefert.

Der klagende Masseverwalter beansprucht die Kosten für die Reparaturarbeiten an Saunaheizungen bei beiden Bauvorhaben mit der Begründung, aufgrund von Mängeln an den Heizmatten hätten diese ausgetauscht werden müssen. Der Klagsbetrag ergebe sich aus den Rechnungen für die Reparaturarbeiten abzüglich einer Gegenforderung und zweier Gutschriften. Die Beklagte habe überdies gegenüber der Gemeinschuldnerin anerkannt, dass die Mangelbehebung durchzuführen gewesen sei und die Beklagte dafür Zahlung zu leisten habe. Die Beklagte habe es auch unterlassen, auf die Notwendigkeit der Verwendung eines besonderen Klebers hinzuweisen. Die Schadensursache liege in einem Fehler des von der Beklagten gelieferten Produkts. Die Klagsforderung werde auf Gewährleistung und Schadenersatz gestützt. Die Allgemeinen Lieferbedingungen der Beklagten aus dem Jahr 1999 bzw 2002 seien niemals vereinbart worden.

Die Beklagte brachte vor, allfällige Mängel seien ausschließlich auf eine nicht sach- und fachgerechte Montage durch die Gemeinschuldnerin zurückzuführen. Zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten seien die Allgemeinen Lieferbedingungen für die Elektro- und Elektronikindustrie Österreichs 1999 bzw 2002 vereinbart worden, die eine Gewährleistungsfrist von 6 bzw 12 Monaten sowie die Beschränkung der Schadenersatzverpflichtung außerhalb des Produkthaftungsgesetzes auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit mit Beweislastumkehr für diese Umstände zu Lasten des Käufers sowie den Ausschluss der Haftung für Mangelfolgeschäden vorsähen. Die Klagsforderungen seien verjährt. Die Beklagte habe nicht anerkannt, die Mängelbehebung durchführen oder Zahlung leisten zu müssen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf unter anderem betreffend beide Bauvorhaben jeweils die Feststellung, noch vor endgültiger Ausstellung der betreffenden Rechnung und Gutschrift habe der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber dem damaligen Vertreter der Gemeinschuldnerin mündlich diese Rechnungsforderung und die darin verrechneten Leistungen anerkannt. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Lieferbedingungen seien nicht Vertragsinhalt geworden, die zweijährige Gewährleistungsfrist sei für beide Bauvorhaben abgelaufen, der geltend gemachte Schadenersatzanspruch bestehe jedoch zu Recht und sei auch nicht verjährt. Im Übrigen lasse sich ein Schadenersatzanspruch auch auf das vom Geschäftsführer der Beklagten getätigte Anerkenntnis stützen. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Anerkenntnis im Sinn des § 1497 ABGB jede Rechtshandlung des Schuldners, die eine Anerkennung des Rechts des Gläubigers denknotwendig voraussetze oder seine Absicht, die Schuld anzuerkennen, deutlich erkennen lasse. Dadurch, dass die Beklagte der Gemeinschuldnerin mitgeteilt habe, sie werde die Rechnungen zum Ausgleich an ihre Haftpflichtversicherung weiterleiten, habe die Beklagte deutlich erkennen lassen, dass sie die Schuld anerkenne. In dieser Erklärung liege ein konstitutives Anerkenntnis.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Von insgesamt neun in der Berufung bekämpften Feststellungen befasste sich das Berufungsgericht lediglich mit derjenigen, die Beklagte habe die jeweiligen Rechnungsforderungen und die darin verzeichneten Leistungen anerkannt. Das Berufungsgericht kam zum Ergebnis, dass die bekämpfte Feststellung Ergebnis einer schlüssigen und mängelfreien Beweiswürdigung sei, weshalb die Feststellung vom Berufungsgericht übernommen werde. Da die Klagsstattgebung somit auf ein konstitutives Anerkenntnis gestützt werden könne, erübrige sich eine Behandlung der übrigen Beweisrügen sowie der Rechtsrüge.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger, dem vom Obersten Gerichtshof die Erstattung der Revisionsbeantwortung freigestellt wurde, beantragt in dieser, die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Zur Zulässigkeit der Revision bringt die Beklagte zusammengefasst vor, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei die Frage, ob ein Anerkenntnis abgegeben worden sei, keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage, die vom Berufungsgericht unrichtig und im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst worden sei. Die Zusage des Geschäftsführers der Beklagten, die Rechnungen über die behaupteten Schadensbehebungskosten an seine Haftpflichtversicherung weiterzuleiten, stelle gerade kein konstitutives Anerkenntnis dar.

Hiezu wurde erwogen:

Die Ausführung des Erstgerichts im Rahmen der Feststellungen, der Geschäftsführer der Beklagten habe gegenüber dem Vertreter der Gemeinschuldnerin mündlich die Rechnungsforderungen und die darin verrechneten Leistungen anerkannt, ist keine (reine) Tatsachenfeststellung, sondern vielmehr (auch) vorweggenommene rechtliche Beurteilung. Tatbestand und Rechtsfolge greifen hier ineinander (vgl Neumayr in KBB2 § 1375 Rz 5).

Das Erstgericht hat jedoch, wie ausgeführt, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung das von ihm als konstitutiv beurteilte Anerkenntnis ausdrücklich darauf gestützt, die Beklagte habe der Gemeinschuldnerin mitgeteilt, sie werde die Rechnungen zum Ausgleich an ihre Haftpflichtversicherung weiterleiten.

Diese dem Tatsachenbereich zuzuordnende Ausführung ist eine Tatsachenfeststellung, weil die Zuordnung einzelner Teile eines Urteils zu den Feststellungen nicht vom Aufbau des Urteils abhängt (RIS-Justiz RS0043110).

Die Beklagte hat in der vom Berufungsgericht behandelten Beweisrüge betreffend das Anerkenntnis die Ersatzfeststellung begehrt, die Beklagte habe hinsichtlich der geltend gemachten Sanierungskosten lediglich zugesagt, die diesbezüglichen Rechnungen an ihre Haftpflichtversicherung weiterzuleiten. Damit wendet sie sich implizit auch gegen die erwähnte dislozierte Feststellung, die Beklagte habe gesagt, sie werde die Rechnungen „zum Ausgleich" an ihre Haftpflichtversicherung weiterleiten.

Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Behandlung dieser Beweisrüge nicht mit dieser dislozierten Feststellung befasst.

Ob die Zusage der Beklagten an die Gemeinschuldnerin auf bloße Weiterleitung der Rechnungen an den Haftpflichtversicherer oder auf Weiterleitung „zum Ausgleich" lautete, kann jedoch dahingestellt bleiben: In beiden Fällen wäre nämlich die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, es liege ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten vor, verfehlt: Nach der Rechtsprechung sind im Zweifel einer Erklärung die weniger weit gehenden Wirkungen des deklarativen Anerkenntnisses zuzuschreiben (§ 915 ABGB; RIS-Justiz RS0032319 [T9]; Neumayr in KBB2 § 1375 Rz 5 mwN). Ein schlüssig erklärtes konstitutives Anerkenntnis liegt schon dann nicht vor, wenn es einen vernünftigen Grund gibt, am Inhalt der Erklärung zu zweifeln (RIS-Justiz RS0014279 [T9]). Zutreffend verweist die Revisionswerberin auf die vergleichbare Judikatur bei Verkehrsunfällen: Nach ständiger Rechtsprechung begründet ein im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall abgegebenes bloßes Schuldbekenntnis kein konstitutives Anerkenntnis; vielmehr muss mit einem derartigen Bekenntnis eine Erklärung verbunden sein, aus der hervorgeht, dass sich der Erklärende zum Ersatz des Schadens ohne Rücksicht auf die Leistung seines Versicherers verpflichte (RIS-Justiz RS0032533).

Im Sinne dieser Rechtsprechung ließe selbst die Erklärung der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin, sie werde die Rechnungen „zum Ausgleich" an ihre Haftpflichtversicherung weiterleiten, durchaus begründete Zweifel offen, die Beklagte habe sich dadurch verpflichten wollen. Eine solche Erklärung spricht für sich allein eher nicht für einen eigenen Zahlungs- oder Verpflichtungswillen des Versicherungsnehmers, vielmehr drückt dieser damit aus, auf Versicherungsdeckung und somit darauf zu hoffen, selbst nicht zahlen zu müssen. Ein konstitutives Anerkenntnis liegt daher nicht vor.

Ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat das Berufungsgericht den größten Teil der Beweisrüge (und die ganze Rechtsrüge) der Berufung nicht behandelt, was im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein wird.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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