OGH 8ObA12/09m

OGH8ObA12/09m29.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Mag. Ziegelbauer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und Peter Schleinbach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1010 Wien, Laurenzerberg 2, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 23.849,61 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 57.664,32 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2008, GZ 12 Ra 59/08w-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Mai 2008, GZ 6 Cga 18/08g-9 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.083,32 EUR (darin 347,22 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 1. 11. 1971 bis 30. 6. 2002 als Angestellter beschäftigt; das Arbeitsverhältnis endete durch Pensionsantritt.

Der Kläger bezog von der beklagten Partei auf der Grundlage deren Pensionszuschussordnung (in der Folge: PZO) eine Zuschusspension in der Höhe von (zuletzt) monatlich 1.397,82 EUR brutto (14 mal jährlich), die von der beklagten Partei - nachdem der Kläger ein Abfindungsanbot ausgeschlagen hatte - per 28. 2. 2007 eingestellt wurde. Seither hat der Kläger von der beklagten Partei keine Zuschusspension mehr erhalten.

Mit Wirkung vom 1. 2. 1979 schlossen der Zentralbetriebsrat der Arbeitnehmer der beklagten Partei und die beklagte Partei eine Betriebsvereinbarung („Pensionszuschussordnung für die Arbeitnehmer des Österreichischen Gewerkschaftsbundes"; in der Folge BV-PZO), die ua folgende Bestimmungen enthält (die Hervorhebungen erfolgten durch den Obersten Gerichtshof):

„I. Allgemeine Voraussetzungen

Anwendungsbereich

§ 1 (1) Den Arbeitnehmern des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, auf deren Arbeitsverhältnisse die Arbeitsordnung der Arbeitnehmer des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (im folgenden als 'Arbeitsordnung' bezeichnet) Anwendung findet, und ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen werden nach Maßgabe dieser Pensionszuschußordnung und nach Maßgabe der vorhandenen Mittel vom Österreichischen Gewerkschaftsbund Zuschüsse zu den Rentenleistungen der gesetzlichen Pensionsversicherung nach dem ASVG gewährt.

(...)

II. RUHEGENUSSZUSCHUSS

Anspruchsvoraussetzung

§ 4 Anspruch auf Ruhegenußzuschuß hat der Arbeitnehmer (§ 1 Abs 1), dem ein Pensionsansspruch aus der gesetzlichen Pensionsversicherung aus dem Versicherungsfall des Alters (...) zuerkannt wurde, wenn das Arbeitsverhältnis zum Österreichischen Gewerkschaftsbund aufgelöst ist und nicht ein Ausschließungsgrund nach § 7 vorliegt.

(...)

Ausschluß des Anspruches

§ 7 Der Anspruch auf Ruhegenußzuschuß ist ausgeschlossen bzw. erlischt, wenn

a) seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 4 drei Jahre verstrichen sind;

b) der Arbeitnehmer freiwillig aus dem Dienste des Österreichischen Gewerkschaftsbundes austritt, es sei denn, dass er einen berechtigten Austrittsgrund nach § 26 des Angestelltengesetzes hat;

c) der Arbeitnehmer gemäß § 14 der Arbeitsordnung gekündigt bzw. gemäß § 15 des Angestelltengesetzes aus seinem Verschulden entlassen wird;

d) der Arbeitnehmer der Mitgliedschaft zum Österreichischen Gewerkschaftsbund gemäß § 20 der Statuten des ÖGB verlustig wurde oder ausgeschlossen wird.

Beginn, Ende und Ruhen des Anspruches

§ 8 (1) Der Anspruch auf Ruhegenußzuschuß beginnt bei Zutreffen der in § 4 genannten Voraussetzungen so viele Monate nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, als der Arbeitnehmer Monatsgehälter als Abfertigung gemäß § 16 der Arbeitsordnung erhalten hat.

(2) Der Anspruch auf Ruhegenußzuschuß endet mit dem Ablauf des Kalendermonats, in dem der Pensionsanspruch aus der gesetzlichen Pensionsversicherung (...) durch Entziehung (...) oder Erlöschen (...) oder durch Aufhebung des Zuerkennungsbescheides im Wiederaufnahmeverfahren (...) weggefallen ist.

(3) Der Anspruch ruht für die Dauer eines Vertragsverhältnisses zum Österreichischen Gewerkschaftsbund bis zur Höhe des aus diesem Vertragsverhältnis erzielten Einkommens. Eine andere die Pensionsversicherungspflicht begründende Beschäftigung darf nur mit Zustimmung des Präsidiums des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bei sonstigem gänzlichem Ruhen des Ruhegenußzuschusses ausgeübt werden. Stimmt das Präsidium einer solchen Beschäftigung zu, kann es das gänzliche oder teilweise Ruhen des Ruhegenußzuschusses verfügen."

Auch in der ab 1. 5. 1986 geltenden Fassung enthielt die PZO weitgehend wortident die bereits oben wiedergegebenen Bestimmungen. Der Kläger begehrt die Zahlung der seit 1. 3. 2007 fällig gewordenen Pensionszuschüsse in Höhe von (zuletzt) 23.849,61 EUR brutto sA und die Feststellung, dass die beklagte Partei ihm auch zukünftig entsprechend der PZO valorisierte Pensionszuschüsse in Höhe von (derzeit) monatlich 1.441,15 EUR brutto zu zahlen habe. Nach den Grundlagen ihres Anspruchs könne dieser von der beklagten Partei weder ausgesetzt noch eingeschränkt werden. Hilfsweise begehrt der Kläger die Zahlung der ihm von der beklagten Partei angebotenen Pensionsabfindung in Höhe von 129.158,57 EUR brutto sA. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das BPG sei für den Leistungsanspruch der Klägerin nur teilweise anwendbar. Die in der PZO enthaltene Formulierung, dass der Beklagte Pensionszuschüsse nur „nach Maßgabe der vorhandenen Mittel" zu zahlen habe, sei ein ausreichend bestimmter Widerrufsvorbehalt, der der beklagten Partei das Recht gebe, die Pensionszusage zu widerrufen, zumal ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet gewesen sei. Ohne die von der beklagten Partei getroffenen Maßnahmen - die meisten Pensionsbezieher hätten das Abfindungsangebot angenommen - wäre sie 2008 überschuldet gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dem Kläger sei bei Abschluss des Arbeitsvertrags die Gewährung einer Betriebspension ohne weitere Vorbehalte und daher als Inhalt des Arbeitsvertrags zugesichert worden. Die in § 1 Abs 1 BV-PZO enthaltene Formulierung „nach Maßgabe der vorhandenen Mittel" stelle keinen hinreichend deutlich erklärten Widerrufsvorbehalt dar. Im Hinblick auf die angebotene Abfindung von 190.000 EUR brutto sei auch von ausreichend vorhandenen Mitteln der beklagten Partei auszugehen. Eine vollständige Einstellung der Zahlung der Betriebspension sei auch gemäß § 9 BPG nicht möglich. Die beklagte Partei sei daher weder zur einseitigen Änderung noch zum Widerruf der Pensionsleistungen berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die BV-PZO sei eine Betriebsvereinbarung und daher nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen. Maßgebend sei daher nicht der Wille der seinerzeitigen Normgeber, sondern nur, welchen Willen des Normgebers der Leser aus dem Vertragstext entnehmen könne.

Der Arbeitnehmer sei in Bezug auf die Betriebspension besonders schutzbedürftig, weil er durch seine Arbeit als aktiver Arbeitnehmer vorleiste und dafür nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Betriebspension habe. Für den Kläger sei die Betriebspension auch maßgebliches Motiv für den Abschluss des Arbeitsvertrags mit der beklagten Partei gewesen. Ohne Vereinbarung eines Gestaltungsrechts könne der Arbeitgeber eine Pensionsvereinbarung nicht einseitig abändern. Ein solcher Widerrufsvorbehalt sei aber hier nicht vereinbart worden. Die Formulierung „nach Maßgabe der vereinbarten Mittel" reiche dazu nicht aus. Folgte man der Ansicht der beklagten Partei, hätte diese es in der Hand, das Vorhandensein der Mittel nach beliebigen Kriterien zu definieren und im Ergebnis eine Betriebspension nach eigenem Gutdünken zu gewähren. Der einseitige Widerruf der Pensionsleistungen sei daher unzulässig.

Gemäß Art V Abs 3 BPG sei das BPG auf Leistungszusagen, die vor seinem Inkrafttreten gemacht worden seien, nur hinsichtlich der nach seinem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaften anzuwenden. Ein Eingriff in Leistungsansprüche, die auf nach dem 1. 7. 1990 entstandenen Anwartschaften beruhten, käme nur in Betracht, wenn die beklagte Partei zuvor von dem ihr eingeräumten Recht Gebrauch gemacht hätte, den Erwerb künftiger Anwartschaften einzustellen, auszusetzen oder einzuschränken (§ 9 BPG), was aber hier nicht der Fall sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die strittige Formulierung über den Widerrufsvorbehalt eine über den Einzelfall hinausgehende Relevanz für den unter die PZO fallenden Personenkreis habe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst am 4. 8. 2009 zu 9 ObA 38/09t in einem Parallelverfahren, das ebenfalls den Widerruf der Pensionsleistungen durch die beklagte Partei betraf, und in dem die dortigen Parteien durch dieselben Rechtsanwälte wie hier vertreten sind, denen diese Vorentscheidung daher auch im Volltext bereits bekannt ist, die auch dort von den Vorinstanzen vertretene Rechtsauffassung, der Widerruf sei mangels eines in der BV-PZO vereinbarten Widerrufsvorbehalts unzulässig, gebilligt. Zur entscheidenden Frage, ob die in § 1 der BV-PZO enthaltene Formulierung „nach Maßgabe der vorhandenen Mittel" als Widerrufsvorbehalt zu werten sei, führte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung im Wesentlichen Folgendes aus:

„§ 1 Abs 1 der Betriebsvereinbarung, der nach seiner Überschrift deren 'Anwendungsbereich' regelt, normiert, dass den Arbeitnehmern des Beklagten 'nach Maßgabe dieser Pensionszuschussordnung' und 'nach Maßgabe der vorhandenen Mittel' von dem Beklagten Zuschüsse zu Rentenleistungen 'gewährt' werden. Unter 'Gewähren' kann aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im noch darzustellenden konkreten Zusammenhang nichts anderes als der Akt der Zuerkennung der Leistungen verstanden werden. Selbst nach der weitesten Auslegung des Wortsinns der Bestimmung ist daher der Absatz 1 des § 1 der BV-PZO nur dahin zu verstehen, dass denjenigen Arbeitnehmern, die die in der PZO festgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen, bei Vorhandensein der entsprechenden finanziellen Mittel auf Seiten des Beklagten ein entsprechender Zuschuss gewährt (= zuerkannt) werden wird. (Nur) mit dieser Wortinterpretation lässt sich auch zwanglos vereinbaren, dass §§ 7 und 8 der BV-PZO zwar Ausschluss, Ende und Ruhen des (bereits zuerkannten) Anspruchs regeln, jedoch von einem Entzug wegen Mangels entsprechender Mittel nicht die Rede ist. Den Parteien der Betriebsvereinbarung ging es somit in § 1 Abs 1 entsprechend dem Titel des I. Abschnitts nur darum, die 'Allgemeinen Voraussetzungen' der Zuschussgewährung zu regeln, nicht jedoch - systemwidrig - auch den Widerruf bereits gewährter Leistungen zu normieren."

Dem schließt sich auch der erkennende Senat an; von dieser Rechtsauffassung abzugehen, besteht keine Veranlassung. Auf die vom Revisionswerber vermissten Feststellungen über die wirtschaftliche Situation des Beklagten, die im Falle der Bejahung der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts maßgebend gewesen wären, kommt es daher nicht an, sodass auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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