OGH 6Ob176/09i

OGH6Ob176/09i18.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hartmut R*****, vertreten durch Ramsauer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Notburga S*****, vertreten durch Stock & Fitzal Rechtsanwälte OG in Zell am See, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 3. August 2009, GZ 54 R 37/09v-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 502 Abs 3 ZPO idF Budgetbegleitgesetz 2009 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Dies gilt zwar gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Die Bestimmung ist jedoch nicht ausdehnend auszulegen (7 Ob 152/99z; 6 Ob 4/09w). Daher verwirklicht nach herrschender Ansicht (vgl Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 49 JN Rz 11 mwN) etwa ein Klagebegehren auf Räumung wegen von Anfang an titelloser Benützung den Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht.

Der Kläger, auf dessen Behauptungen es in diesem Zusammenhang ausschließlich ankommt (9 Ob 107/99x; 7 Ob 76/00b; 1 Ob 115/01w), auch wenn Verfahrensergebnisse gegen diese Behauptungen gesprochen haben (6 Ob 4/09w), hat sein Begehren auf titellose Benützung gestützt und das Vorliegen eines ursprünglichen Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen ausdrücklich bestritten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hätte es daher gemäß § 500 Abs 2 Z 1 und 2 ZPO eines Ausspruchs dahingehend bedurft, ob der Wert seines Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR beziehungsweise 30.000 EUR übersteigt. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Beklagte ein dem Kläger gehöriges Haus benützt, hinsichtlich dessen sich die Streitteile bereits im Jahr 2003 auf einen Kaufpreis von knapp 300.000 EUR verständigt hatten, kann jedoch - zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen - zwanglos von einem 30.000 EUR übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands ausgegangen werden. Der Oberste Gerichtshof ist daher berechtigt, die außerordentliche Revision des Klägers zu behandeln.

2. Nach den Feststellungen des Erstgerichts bestand zwischen den Streitteilen seit dem Jahr 1990 ein Mietverhältnis. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wäre dieser Mietvertrag durch Vereinigung erloschen, wäre das Eigentumsrecht hinsichtlich dieses Hauses für die Beklagte als Mieterin aufgrund des Kaufvertrags vom 7. 11. 2003 grundbücherlich einverleibt worden (RIS-Justiz RS0034033). Dies ist jedoch nie geschehen, wurde dieser Kaufvertrag doch in weiterer Folge einvernehmlich wieder aufgehoben.

Einer näheren Auseinandersetzung des Obersten Gerichtshofs mit den „Bedenken [des Klägers] hinsichtlich der Richtigkeit [dieser] höchstgerichtlichen Rechtsprechung" bedarf es nicht, weil der erwähnte Kaufvertrag aufschiebend bedingt (Einlangen von Grunderwerbssteuer und Eintragungsgebühr) abgeschlossen worden und die vereinbarte Bedingung (offensichtlich) nie eingetreten war; nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte die Beklagte letztlich Bedenken gegen den Kaufvertrag an sich. Damit kommt es aber auf die Frage, ob für die Vereinigung im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung tatsächlich auch die grundbücherliche Einverleibung des bisherigen Mieters als Eigentümer notwendig ist, nicht an; es fehlte ja bereits am Titel.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei nie zu einer Beendigung des Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen gekommen, weshalb die Beklagte auch nicht titellos benütze, ist somit durchaus vertretbar.

3. Der Kläger wirft dem Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 473a ZPO vor; es habe das Ersturteil auf Basis der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen „umgedreht" und sei dabei von einem aufrechten Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen ausgegangen, ohne dem Kläger die Möglichkeit der Rüge von Mängeln bei der Tatsachenfeststellung oder der Beweiswürdigung einzuräumen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Berufungsgericht zu einem Vorgehen nach § 473a ZPO jedoch nur dann verpflichtet, wenn es seine Entscheidung auf in der Beweiswürdigung oder in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts „verborgene" Feststellungen gründet (6 Ob 94/01v; 6 Ob 39/03h SZ 2003/43; vgl auch RIS-Justiz RS0112020). Im vorliegenden Verfahren hat das Erstgericht das Bestehen eines Mietverhältnisses zwischen den Streitteilen seit dem Jahr 1990 ausdrücklich und im Rahmen des „Sachverhalt[s]" festgestellt (US 2).

4. Aktenwidrig ist schließlich die Behauptung des Klägers in seiner außerordentlichen Revision, die Beklagte habe sich im Verfahren erster Instanz und in der Berufung ausschließlich auf angebliches Miteigentum am Haus, nicht jedoch auf ein Bestandverhältnis berufen (siehe Protokoll der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. 11. 2008, Seite 12 oben; Berufung Seite 8 unten). Welchen konkreten Inhalt dieses Bestandverhältnis hat, ist - entgegen den Überlegungen des Klägers - unbeachtlich; maßgeblich ist nur, dass die Beklagte einen Rechtstitel zur Benutzung des Hauses des Klägers hat und daher nicht titellos benützt.

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