OGH 7Ob72/09b

OGH7Ob72/09b2.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Friederike K*****, vertreten durch Mag. Dinko Knjizevic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C*****versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zahlung einer Rente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2009, GZ 5 R 6/09b-63, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revision gelingt es aus folgenden Gründen nicht, erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, weshalb sie nicht zulässig ist:

1. Es steht fest, dass die Beklagte den Versicherungsantrag der Klägerin nicht angenommen hätte, wenn sie dabei von der psychogenen Erkrankung der Klägerin im Jahr 1992 Kenntnis gehabt hätte. Mit der mehrfachen Behauptung in der Revision, es sei nicht davon auszugehen, dass die verschwiegene psychogene Erkrankung im Jahr 1992 einen bedeutsamen Einfluss auf die Willensbildung der Beklagten bei Abschluss im Jahr 2001 gehabt habe, entfernt sich die Klägerin daher vom relevanten Sachverhalt, weshalb die Revision insoweit gar nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

2. Im Übrigen wendet sie sich (nicht gegen die Berechtigung des Rücktritts vom Versicherungsantrag durch die Beklagte, sondern) gegen die Annahme einer Leistungsbefreiung der Beklagten trotz eingetretener Berufsunfähigkeit. Als erhebliche Rechtsfrage macht sie geltend, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 21 VersVG, wenn die Rücktrittserklärung des Versicherers zwar nach Anspruchserhebung durch den Versicherungsnehmer, aber vor Eintritt des Versicherungsfalls erfolgt sei.

Damit verkennt die Klägerin die klar gesetzlich geregelten Rechtsfolgen des Rücktritts gemäß § 16 Abs 2 VersVG, die in § 20 Abs 2 VersVG normiert sind. Danach sind im Fall des Rücktritts, soweit dieses Bundesgesetz nicht in Ansehung der Prämie etwas anderes bestimmt, beide Teile verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Rücktritt des Versicherers führt daher zur rückwirkenden Aufhebung des Vertrags, sodass sowohl für den Zeitraum danach keine Ansprüche mehr bestehen als auch Ansprüche erlöschen, die davor entstanden sind (vgl Schauer, Versicherungsvertragsrecht³, 114 f). Daran knüpft § 21 VersVG an und beschränkt die rückwirkende Beseitigung des Vertrags für bereits vor dem Rücktritt eingetretene Versicherungsfälle, „wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit er keinen Einfluss auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat". Schließlich hat der Versicherer - bei mangelnder Kausalität der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit - bis zum Rücktritt die Gefahr getragen, die er aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrags tragen wollte (vgl Prölss in Prölss/Martin27 § 21 VVG Rz 10).

Demnach kommt bei der Anwendung des § 21 VersVG dem Zeitpunkt der Anspruchstellung durch den Versicherungsnehmer keinerlei Bedeutung zu, regelt diese Bestimmung doch, ob bereits entstandene Ansprüche des Versicherungsnehmers ausnahmsweise doch nicht durch den (berechtigten) Rücktritt des Versicherers erloschen sind. Der Zeitpunkt der Anspruchstellung durch den Versicherungsnehmer hat nämlich weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch auf die Kausalität der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit.

3. Ob die Beklagte vom Eintritt des Versicherungsfalls vor ihrem Rücktritt ausging, ist unerheblich. Mangels Behauptung eines (konstitutiven) Anerkenntnisses könnte es sich dabei nur um ein widerrufbares Tatsachengeständnis handeln. In diesem Sinn bestritt die Beklagte im Lauf des Prozesses das Bestehen jener Beschwerden, aus denen die Klägerin ihre Berufsunfähigkeit ableitet. Das Erstgericht hat den Gesundheitszustand der Klägerin nur für die Zeit ab September 2007 konkret festgestellt, während es für die Zeit davor eine Negativfeststellung traf. Damit ist der Klägerin der Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalls vor dem Rücktritt der Beklagten nicht gelungen, was zu ihren Lasten geht, weil es sich um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt (vgl RIS-Justiz RS0043438, RS0043563, RS0080003).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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